08.15 Uhr Ich öffne die Augen und bemerke, dass es immer noch schneit. Seufzend werfe ich die Bettdecke beiseite und komme zu dem Schluss, dass es schlauer wäre, das Ränzlein zu schnüren und nach Toronto zurück zu fahren.
08.45 Uhr Um auch meine Verwandten an dieser Erkenntnis teilhaben zu lassen, schlüpfe ich in den Morgenmantel und laufe mit dem Vierbeiner im Schlepptau in die Küche. Natürlich lasse ich kein gutes Haar am Winterwetter und erkläre, dass wir unsere Zelte in Gilford abbrechen sollten. Mein Bruder beruhigt mich redlichst und entgegnet, dass der Radiomoderator für den Nachmittag nur noch leichte Schneefälle voraussagt. Bevor ich Widerworte finde, meldet sich Maria zu Wort und sagt, dass James ganz früh aufgestanden ist, um vor dem Ferienhaus Schnee zu schippen.
09.30 Uhr Nachdem ich mich am offenen Kamin aufgewärmt und mit Amanda über Sport getratscht habe, verabschiede ich mich ins Badezimmer – eine heisse Dusche kommt jetzt gerade Recht.
10.30 Uhr Wenig später klopft David an die Türe und verkündet, dass wir essen können. Ich komme augenblicklich in die Gänge und registriere, dass meine Schwägerin ein mexikanisches Frühstück vorbereitet hat. Als sich Edelbert die Lippen leckt, nehme ich die Speisen in Augenschein und gebe zu Protokoll, dass ich “Frijoles Refritos” (löblich: gebackene Bohnen) und Molletes (löblich: mit Käse überbackene Brote) sehr gerne esse. Maria freut sich und erörtert, dass sie im November an einem mexikanischen Kochkurs teilgenommen hat – wie aufregend.
11.00 Uhr Während ich kraftvoll zubeisse, versorgt mich James mit Infos und meint, dass wir nach dem wichtigsten Mahl des Tages in die Stadt fahren und Getränke besorgen müssen. Maria wird sogleich hellhörig und bittet uns, auch Lebensmittel für die Silvesterfeier einzukaufen – das kann ja heiter werden.
Meine praktischen Mondstiefel
11.30 Uhr Kurz nach dem Elfuhrläuten steige ich in die Mondstiefel (unlöblich: Moonboots) und folge James und Prof. Kuhn zum Geländewagen. Während es Dixon vorzieht, mit Georg einen Spaziergang zu unternehmen, steige ich nörgelnd ins Auto und lege den Gurt an. James lässt den Motor aufheulen und kündigt an, dass wir im örtlichen Lebensmittelgeschäft nicht nur Lebensmittel, sondern auch Whiskey sowie Labatt Blau Bier und eine Glühbirne besorgen werden.
12.15 Uhr Nach einer fünfundvierzigminütigen Rutschpartie erreichen wir die Kleinstadt Gilford. Wir parken das Auto vor “Mrs. Betty’s Mercantile Shop” und zögern nicht, das Geschäft zu betreten und ordentlich abzuschoppen. Während James den Einkaufskorb auffüllt, tratsche ich mit Edelbert und unterbreite, dass ich mich ins sonnige Naples sehne. Mein Bekannter seufzt laut und sagt, dass das eiskalte Winterwetter für Rentner kaum zu ertragen ist.
13.00 Uhr Nachdem wir der übergewichtigen Betty ein kleines Vermögen überlassen haben, verfrachten wir die Einkaufstüten auf die Ladefläche des Grand Cherokee.
13.45 Uhr Danach lotst uns James in die benachbarte “Gilford Grill” Gastwirtschaft und spendiert eine Brotzeit. Da man einem geschenkten Gaul bekanntlich nicht ins Maul schauen sollte, nehme ich zufrieden an einem Fenstertisch Platz und ordere bei einer brünetten Kellnerin mit Sprachfehler ein halbes Grillhuhn. Edelbert folgt meinem Beispiel und erinnert daran, dass er das letzte Hendl auf dem Oktoberfest gegessen hat – wie schön.
14.30 Uhr Just als die Bedienung Kaffee und Käsekuchen kredenzt, stelle ich mit Freude fest, dass es zu schneien aufgehört hat. Edelbert gibt sich erleichtert und sagt, dass wir langsam den Heimweg antreten sollten.
Eis und Schnee – Meiomeiomei
15.15 Uhr Zurück am Ferienhaus schleppen wir die Tüten ins Gebäude und werden von Hund Dixon stürmisch begrüsst. Der Rüde ist ganz aus dem Häuschen und animiert mich, ihm etwas Auslauf zu ermöglichen. Obgleich ich müde bin, komme ich der Aufforderung nach und vertrete mir in Davids (8) Gesellschaft die Beine.
15.45 Uhr Dixon flitzt wie ein Wilder zum Seeufer und apportiert ein mit Moos umwuchertes Holzstück. Ich lache herzlich und wandere mit David zu einem nahegelegenen Waldstück. Der Bube plappert währenddessen ohne Unterlass und berichtet, dass er es kaum noch erwarten kann, am Wochenende seinen Freund Jayden (8) wiederzusehen. Als ich genauer nachfrage, verrät der Kleine, dass Jayden eine Playstation 4 vom Christkind geschenkt bekommen hat – das ist wieder typisch.
16.30 Uhr Endlich sind wir wieder daheim und können die nassen Jacken an die Garderobe hängen. Während sich David zu seinen Eltern gesellt, verabschiede ich mich ins Gästezimmer und lege ein kleines Päuschen ein.
17.30 Uhr Just als ich mich im Traum neben Frau Pontecorvo auf der fliegenvergitterten Terrasse sitzen sehe, wird die Ruhe durch ohrenbetäubendes Geplärr unterbrochen. David hüpft ausgelassen ins Bett und macht mich auf den Umstand aufmerksam, dass seine Oma gerade den Tisch deckt.
18.15 Uhr Während ich mich an einem Linsengericht labe, kündigt James für das kommende Jahr eine Tournee an. Mein Neffe strahlt wie ein Honigkuchenpferd und berichtet, dass er unzählige Lieder komponiert hat und womöglich auch ein Album einspielen wird. Ich nicke eifrig und biete an, gegen entsprechende Bezahlung jederzeit als Menetscher oder Tourneeorganisator einzuspringen.
Es weihnachtet in der guten Stube
19.00 Uhr Nach der Mahlzeit beginnt der wohlverdiente Feierabend. Während sich draussen dichter Nebel über dem Lake Simcoe breit macht, versammeln wir uns in der weihnachtlich geschmückten Stube und schauen Fern. Georg verfrachtet einen blauen Datenträger (unlöblich: BluRay) ins Abspielgerät und sagt, dass wir uns jetzt einige Episoden der spannenden Serie “The West Wing” (löblich: Der Westflügel) anschauen werden. Als sich David gähnend ins Bett verabschiedet, frage ich Maria aus und lerne, dass dieses Fernsehspiel aus dem Jahre 2006 stammt und den Alltag des fiktiven amerikanischen Präsidenten Josiah Bartlet wiedergibt – das hört sich spannend an.
21.00 Uhr Nach zweistündiger Langeweile erhebe ich mich vom Sofa und entschliesse mich, meinen Liebsten eine gute Nacht zu wünschen. Im Anschluss scheuche ich Dixon ins Gästezimmer und gehe ins Bett. Gute Nacht.