08.00 Uhr Eine neue Woche beginnt und ich schwinge mich voller Tatendrang aus dem Bett. Weil ich Edelbert bei der Gartenarbeit helfen muss, verzichte ich auf die Morgengymnastik und verabschiede mich spornstreichs in die Nasszelle. Ich entspanne mich bei einem prima Brausebad und vergesse auch nicht, mir die Bartstoppeln abzurasieren – da kommt besonders grosse Freude auf.
Ich rasiere mich redlichst
09.00 Uhr Pünktlich zum Neunuhrläuten rutsche ich auf dem Treppengeländer nach unten und finde die Küche verlassen vor. Missmutig sehe ich im Garten nach dem Rechten und bemerke, dass die Kinder ausgeflogen sind und die Haustüre offen gelassen haben – wie unlöblich.
09.30 Uhr Nachdem ich sichergestellt habe, dass sich keine Penner in die Villa geschlichen haben, setze ich mich an den Küchentisch und verzehre im Beisein meines Hundes und der Katzen vitaminreiche Honigbrote. Nebenher blättere ich in der Zeitung und ärgere mich, als das Telefon plötzlich klingelt. Zu allem Überfluss meldet sich der Professor und fordert mich auf, zeitnah in den Haselnussweg zu kommen und die Gartenwerkzeuge mitzubringen.
10.00 Uhr Redlichst gestärkt räume ich das Geschirr in die Spülmaschine und schlurfe dann in die Garage, um Harke, Besen, Sense, Schaufel, Strauchschere sowie den leistungsstarken Elektromäher in den Kofferraum des frisch aufpolierten JAGUARS zu verfrachten. Im Anschluss scheuche ich Dixon auf die Rückbank des Sportwagens und schicke mich an, mit durchdrehenden Pneus vom Grundstück zu rasen.
Edelberts Eigenheim
10.45 Uhr Wenig später komme ich hupend vor Edelberts Häuschen zum Stehen und begrüsse den schlauen Mann herzlich. Mein Bekannter nimmt den Rasenmäher aus dem Kofferraum und meint, dass wir zuerst dem hochgewachsenen Gestrüpp zu Leibe rücken sollten. Ich nicke eifrig und mache es mir zur Aufgabe, die Sense zu schwingen und die Brennnessel abzumähen. HEUREKA – das könnte nicht einmal ein Bauer besser.
11.30 Uhr Unterdessen sägt Edelbert einen überstehenden Ast des Apfelbaumes ab und beteuert, dass er morgen im Büro eines Maklers vorstellig werden wird. Ich schüttle den Kopf und erzähle, dass Sandras Arbeitskollegin eine Kammer im Münchner Problembezirk Neuperlach für knapp 1.800 Euros an eine syrische Grossfamilie vermietet hat. Prof. Kuhn wird sogleich hellhörig und meint, dass es gar keine schlechte Idee ist, an der Flüchtlingskrise mitzuverdienen. Ich stimme zu und ermutige Edelbert, im Landratsamt anzurufen und sich beraten zu lassen.
Oans, zwoa, drei – g’suffa
12.30 Uhr Als die Sonne ihren Höchststand erreicht hat, stelle ich die Sense weg und komme zu dem Schluss, dass nun die Zeit gekommen ist, um ein Bier zu trinken. Edelbert folgt mir plappernd ins Haus und serviert ein perfekt eingeschenktes Erdinger Weissbier. Dazu gibt es mit Schinken und Käse belegte Wurstsemmeln sowie köstliche Gewürzgurken aus dem Glas. Ferner werde ich Zeuge, wie Edelbert das Telefonbuch aufschlägt und sich die Rufnummer des örtlichen Landratsamtes auf einem Zettel notiert. Ausserdem reibt sich mein Tischnachbar die Hände und meint, dass er dem Landratsamt für das 250 Quadratmeter grosse Anwesen mindestens 2.000 Euros pro Monat in Rechnung stellen wird. Ich zucke mit den Schultern und entgegne, dass der Staat händeringend nach Wohnfläche sucht und bestimmt jeden Preis bezahlen wird.
13.30 Uhr Nach der Pause kehre ich pfeifend in den Garten zurück und werfe den Rasenmäher an. Zufrieden drehe ich meine Runden und komme zu dem Schluss, dass ich als nächstes die Erde in den Blumenbeeten auflockern und den Rhododendron zustutzen sollte.
14.30 Uhr Just als ich die Gartenabfälle auf einem Haufen zusammentrage und mir den Schweiss von der Stirn wische, fährt Admiral a.D. Bürstenbinder auf seinem verrosteten Damenfahrrad vor. Der Seebär begrüsst mich winkend und setzt mich darüber in Kenntnis, dass er süffiges PAULANER Helles mitgebracht hat. Bevor ich antworten kann, schnallt der gute Mann die Bierkiste vom Gepäckträger und ermutigt mich, mir eine Halbe zu Gemüte zu führen – das lasse ich mir nicht zweimal sagen.
15.00 Uhr Da die Sonne vom Himmel brennt, kehren wir kurzerhand ins Haus zurück und werden Zeugen, wie Edelbert das Telefon zur Seite legt. Der schlaue Mann rückt seine MIAMI DOLPHINS Kappe zurecht und berichtet, dass er soeben mit einem Heini aus dem Landratsamt telefoniert und herausgebracht hat, dass die Asylbehörde das Einfamilienhaus im Haselnussweg gerne anmieten würde. Zudem erfahren wir, dass der Staatsdiener einen 2 Jahres Vertrag mit einer monatlichen Miete in Höhe von 1.950 Euros angeregt hat. Der Professor ist ganz aus dem Häuschen und merkt an, dass er für morgen einen Besichtigungstermin vereinbaren konnte – wie aufregend.
Rhododendron / Bild: Dominicus Johannes Bergsma / CC
16.00 Uhr Nach der zweiten Halbe laufen wir in den Garten und wenden uns dem verwilderten Rhododendron zu. Unter den faszinierten Blicken meiner Bekannten lege ich die Schere an den Trieben an und sorge im Handumdrehen für einen perfekten Schnitt. Edelbert lobt mich über den Schellenkönig und meint, dass sein Garten nun wieder vorzeigbar ist – wie wahr.
16.45 Uhr Fix und foxi räume ich die Gartenwerkzeuge ins Auto und gebe zu Protokoll, dass ich nun den Heimweg antreten werde. Friedbert wünscht mir einen schönen Abend und kündigt an, dass er nun in den Wilden Esel einkehren und eine Brotzeit essen wird.
17.15 Uhr Endlich bin ich wieder zu Hause und treffe Sandra kochlöffelschwingend in der Küche an. Meine Mieterin wünscht mir einen guten Tag und sagt, dass sie gleich ein veganes Rissotto mit Pilzen auftischen wird. Ich lecke mir die Lippen und hole zur Feier des Tages das beste Geschirr aus dem Küchenschrank. Ausserdem öffne ich eine PET Packung Tavernello Wein und entzünde eine Kerze.
18.00 Uhr Während des romantischen Abendessens lasse ich meine Tageserlebnisse Revue passieren und erzähle, dass Edelbert den Entschluss gefasst hat, sein Haus an Flüchtlinge zu vermieten. Das Mädchen nippt genüsslich am Rebentrunk und antwortet, dass der Professor bald in Geld schwimmen wird.
19.00 Uhr Nachdem wir die Hausarbeit erledigt haben, mache ich es mir neben Sandra auf dem Wohnzimmerkanapee gemütlich. Um auf andere Gedanken zu kommen, wählen wir das Qualitätsprogramm von RTL 2 aus und geben uns dem Fernsehformat “Berlin – Tag und Nacht” hin. Ich folge der Handlung mit grosser Skepsis und stelle fest, dass viele der Schauspieler tätowiert sind – wie furchtbar.
20.00 Uhr Zur Hauptfernsehzeit wechselt Sandra auf den Frauensender SIXX und erfreut sich an der amerikanischen Serie “Sex and the City”. Um nicht ganz zu verblöden, schlage ich die Tageszeitung auf und löse das grosse Kreuzworträtsel auf der bunten Seite – das macht Spass.
21.00 Uhr Als der Zeiger der Wanduhr auf 9 zugeht, verabschiede ich mich von Sandra und ziehe mich ins Gästezimmer zurück. Gute Nacht.