08.00 Uhr Ich öffne die Augen und mache es mir zur Aufgabe, die Klimaanlage etwas höher zu stellen. Danach eile ich schnaufend an die frische Luft und bemerke, dass es heute besonders schwül ist. Trotz alledem lockere ich meine Glieder und schlage sogar ein Rad – da kommt besonders grosse Freude auf.
08.30 Uhr Nach der Morgengymnastik schenke ich mir ein Glas Milch ein und gebe Hund Dixon zu verstehen, dass man bei diesen subtropischen Temperaturen viel Flüssigkeit zu sich nehmen sollte. Der lustige Rüde legt seinen Kopf schief und zieht es vor, zu seinem Napf zu traben und etwas Wasser zu schlabbern – wie schön.
Hund Dixon ist durstig
09.00 Uhr Als ich die Seele bei einem erfrischenden Wirbelbad baumeln lasse, schellt plötzlich das Telefon und ich habe das Vergnügen, mit Edelbert sprechen zu können. Der schlaue Mann gibt sich deprimiert und berichtet, dass er gestern Abend in einem indischen Restaurant gespeist hat. Darüber hinaus erfahre ich, dass mein Bekannter nun mit Magenschmerzen zu kämpfen hat. Natürlich schlage ich die Hände über dem Kopf zusammen und entgegne, dass Inder keinen Wert auf Sauberkeit legen und die Speisen mit ranzigem Fett herstellen – wie furchtbar.
10.00 Uhr Nachdem wir ausgeplaudert haben, beende ich den Badespass und brühe Kaffee auf. Zudem hantiere ich mit einem Küchenmesser und zerteile eine Pfirsich aus dem Nachbarstaat Georgia in mundgerechte Stücke. Zu allem Überfluss stösst just in diesem Augenblick Frau Pontecorvo die Terrassentüre auf und erkundigt sich, ob sie mir beim Frühstück Gesellschaft leisten darf. Ich stimme zu und hole ein weiteres Gedeck aus dem Schrank.
10.30 Uhr Während wir kraftvoll zubeissen und unsere ausgetrockneten Kehlen mit Bohnenkaffee durchspülen, erzählt meine Tischnachbarin, dass sie nun in die Stadt krusen und sich im Frisörladen ihren Vertrauens aufsteilen lassen wird. Ausserdem sagt die Perle, dass es angebracht wäre, ebenfalls ein Haarstudio aufzusuchen. Da gutes Aussehen heutzutage sehr wichtig ist, nehme ich mir den Ratschlag zu Herzen und fasse den Entschluss, nach der wichtigsten Mahlzeit des Tages zum “Great Clips Hair Cut Salon” an der Pine Ridge Road zu rasen. Meine Tischnachbarin rollt mit den Augen und wirft ein, dass dieser Billigladen keinen guten Ruf geniesst – jaja
11.00 Uhr Nachdem ich Frau Pontecorvo per Zungenkuss verabschiedet habe, scheuche ich den Vierbeiner zum Zuhause von Familie Crane und bitte die Dame des Hauses, während der kommenden Stunden auf mein Haustier acht zu geben. Die ehemalige Olympiateilnehmerin nickt eifrig und verspricht, Dixon wie ihren Augapfel zu hüten. Im Anschluss hüpfe ich ausgelassen in den PS-strotzenden Chevrolet und gleite hupend vom Grundstück.
11.45 Uhr Kurz vor der Mittagszeit betrete ich den Frisörsalon und habe das grosse Glück, augenblicklich auf einem Schneidestuhl platz nehmen zu dürfen. Ein freundlicher Frisör (45) nimmt sich meiner Haarpracht an und beteuert, dass mir eine Tönung gut zu Gesicht stehen würde. Weil ich finanziell keineswegs auf Rosen gebettet bin, winke ich eindringlich ab und nehme lediglich mit einem einfachen Scherenschnitt Vorlieb.
Ich nehme mit einem Scherenschnitt Vorlieb
12.15 Uhr Der homosexuelle Barbier kommt der Aufforderung anstandslos nach und plappert, dass er gestern in einer zwielichtigen Kneipe abgefeiert und bis in die frühen Morgenstunden das Tanzbein geschwungen hat. Ich mache grosse Augen und ermutige den Heini, zur Löblichkeit zurückzukehren und seriös zu werden.
12.45 Uhr Dreissig Minuten später werde ich angehalten, 12 Dollars zu bezahlen. Ich atme tief durch und stecke dem Knecht ein kleines Trinkgeld zu. Danach verlasse ich den Saftladen und kehre in den benachbarten “Honey Baked Ham Store” (löblich: Honiggebackener Schinken Geschäft) ein, um einen “Bacon Burger” (löblich: Schinken Burger) zu ordern. Dazu gibt es ein grosser Glas Eistee sowie einen farbenfrohen Beilagensalat – das schmeckt.
Katze Land – der beste Radiosender
13.30 Uhr Mit vollem Magen klemme ich mich hinters Lenkrad und trete die Heimreise an. Unterdessen fröne ich dem Radioprogramm von WCKT CAT COUNTRY (löblich: Katze Land) und komme in den Genuss, eine nagelneue Komposition aus Mary Chapin Carpenter Feder zu hören – was kann es schöneres geben.
14.00 Uhr Zuhause angekommen, hole ich den Vierbeiner bei den Cranes ab und kann es kaum noch erwarten, mich von den Strapazen des Vormittages zu entspannen. Mit letzter Kraft schleppe ich mich in die kleine Villa und falle gähnend aufs Wohnzimmersofa – das tut gut.
15.00 Uhr Ich erwache ausgeruht und stelle beim Blick auf meine goldene ROLEX fest, dass es mittlerweile drei Uhr geschlagen hat. Um nicht den ganzen Nachmittag auf der faulen Haut zu liegen, setze ich mich spornstreichs an den Schreibtisch und arbeite Anfragen besorgter Heimseitenbesucher ab. Auch heute finde ich Dutzende elektronische Briefe im Posteingang vor und sehe mich genötigt, verzweifelten Eltern beim Umgang mit störrischen Jugendlichen zu helfen – gleich platzt mir der Kragen.
16.15 Uhr Ich beende die Anschnursitzung und mache es mir auf der Terrasse bequem, um etwas Radio zu hören. Nebenher lese ich aufschlussreiche Berichte in der Tageszeitung und lerne, dass morgen der “National Day of Prayer” (löblich: Nationaler Tag des Gebets) begangen wird – das ist prima.
Mein Zuhause unter Palmen
17.00 Uhr Da Dixon eigenständig Gassi gegangen ist, verzichte ich ausnahmsweise auf einen Spaziergang und kehre in die klimatisierte Wohnstube zurück. Wie es sich gehört, bestücke ich die leistungsstarke Spülmaschine mit dem schmutzigen Vormittagsgeschirr und vergesse auch nicht, mich um das Abendessen zu kümmern. Nach kurzem Zögern brate ich ein vitaminreiches Schnitzel an und bereite Kartoffelstäbe zu – wie gut das duftet.
18.00 Uhr Nach der reichhaltigen Mahlzeit verabschiede ich mich in den wohlverdienten Feierabend und schaue etwas fern. Unter anderem mache ich mich bei den FOX Nachrichten über die aktuellen Geschehnisse in der Welt schlau und informiere mich zudem über das Wetter der kommenden Tage.
19.00 Uhr Um etwas Abwechslung zu bekommen, wechsle ich bald auf den Bezahlkanal HBO und erfreue mich am abendfüllenden Spielfilm “Missing Boy” (löblich: Vermisster Junge). Die spanische Erfolgsproduktion aus dem Jahre 2016 handelt von einer Rechtsanwältin, dessen taubstummer Sohn entführt wurde – da kommt Spannung auf.
21.00 Uhr Nach zwei nervenaufreibenden Stunden betätige ich den AUS Knopf auf der Fernbedienung und führe Hund Dixon noch einmal in den Garten. Anschliessend lösche ich sämtliche Lichter und lege mich ins Bett. Gute Nacht.