08.00 Uhr Ich werde durch das ohrenbetäubende Röhren eines benzinbetriebenen Rasenmähers geweckt. Völlig entnervt schwinge ich mich aus dem Bett und werde beim Blick aus dem Fenster Zeuge, wie Herr Booth seine Runden über die Wiese dreht. Auch Dixon ist ganz aus dem Häuschen und zögert nicht, an der Terrassentüre zu scharren und laut zu knurren – gleich platzt mir der Kragen.
08.30 Uhr Weil es mir nicht möglich ist, bei diesem Krach die Morgengymnastik zu absolvieren, ziehe ich mich spornstreichs in die Nasszelle zurück und nehme mit einem Wirbelbad Vorlieb. Wie es sich gehört, wasche ich mich mit einem Schwamm heraus und vergesse auch nicht, mir die Bartstoppeln abzurasieren.
Ich rasiere mich redlichst
09.30 Uhr Gegen halb 10 hüpfe ich aus der Wirbelbadewanne und registriere, dass mein Nachbar noch immer mit dem Rasenmähen beschäftigt ist. Darüber hinaus treffe ich in der Küche auf meine Zugehfrau und vernehme, dass die Perle mit Kopfschmerzen zu kämpfen hat. Ich zeige Verständnis und merke an, dass der Krach kaum auszuhalten ist. Trotz alledem nehme ich die futuristische DeLonghi Kaffeemaschine in Betrieb und decke den Küchentisch mit dem guten Porzellan ein. Danach rücke ich der Putzfrau einen Stuhl zurecht und fordere sie auf, mir bei der wichtigsten Mahlzeit des Tages Gesellschaft zu leisten. Frau Gomez bedankt sich artig und nippt genüsslich am Kaffeehaferl. Währenddessen verzehre ich gesunde KELLOGGS Frühstücksflocken und informiere, dass ich gleich zum Supermarkt krusen werde – mir bleibt wirklich gar nichts erspart.
Bier ist sehr nahrhaft
10.15 Uhr Just als ich die Haustüre aufstosse, stellt sich mir Herr Booth in den Weg und beteuert, dass er auch meine Wiese gemäht hat. Ich mache grosse Augen und nehme mir das Recht heraus, zwei Budweiser aus dem Eiskasten zu holen und den fleissigen Heini zu einem Umtrunk auf der schattigen Terrasse einzuladen. Während wir mit den braunen Flaschen anstossen, komme ich auf Herrn Booths rotes T-Hemd zu sprechen und erkundige mich, ob die Organisation “Vietnam Veterans Against the War” (löblich: Vietnamveteranen gegen den Krieg) immer noch aktiv ist. Mein Gegenüber nickt eifrig und erzählt, dass die im Jahre 1967 gegründete Organisation knapp 20.000 Mitglieder zählt und in regelmässigen Abständen grosse Mitgliedertreffen veranstaltet – wie aufregend.
11.00 Uhr Als ich ein weiteres Bier kredenze, bringt Herr Booth seinen langjährigen Vietnameinsatz zur Sprache und merkt an, dass er unter anderem bei der Schlacht um Huế mitgewirkt hat. Ich staune nicht schlecht und erfahre, dass sich zwischen dem 30. Januar und dem 3. März 1968 mehrere amerikanische sowie südvietnamesische Bataillone mit schwerbewaffneten Nordvietnamesen einen blutigen Häuserkampf lieferten. Der gute Mann wischt sich mit dem Handrücken über die nasse Stirn und belehrt, dass es sich hierbei um eine der längsten und verlustreichsten Auseinandersetzungen des Vietnamkriegs handelte – wie schrecklich.
11.30 Uhr Kurz vor dem Mittagsläuten beenden wir die Plauderei. Herr Booth bedankt sich für den Umtrunk und kündigt an, dass er nun mit seiner Frau in die Stadt krusen wird. Ich schlage in die gleiche Kerbe und stelle klar, dass ich ebenfalls wichtigen Terminen im Zentrum nachkommen muss.
Ich schoppe bei PUBLIX ab
11.45 Uhr Nachdem ich Dixon in den PS-strotzenden SUV geholfen habe, kruse ich zügig von dannen und steuere den PUBLIX Supermarkt an. Am Ziel angekommen, lasse ich den Motor laufen und halte den Vierbeiner an, während meiner Abwesenheit brav zu sein. Danach mache ich einer Seniorin mit blauen Haaren einen Einkaufswagen streitig und laufe ruckzuck durch die breiten Gänge, um Produkte des täglichen Bedarfs auszuwählen.
12.45 Uhr Um insgesamt 87 Dollars erleichtert, kehre ich zum Auto zurück und lasse das Haustier wissen, dass nun ein Mittagessen nicht schaden kann. Voller Vorfreude rase ich zur “Bob Evans“ Gaststätte nördlich der Vineyards und stelle meinen tierischen Begleiter eine kleine Brotzeit in Aussicht.
13.15 Uhr Hungrig und durstig finde ich mich in der gutbesuchten Wirtschaft wieder und labe mich an einem gesunden “Baconburgern” (löblich: Speckburger) mit Kartoffelstäben. Selbstverständlich lasse ich Dixon von der Semmel abbeissen und serviere ihm ausserdem etliche Erdäpfelstäbe – das schmeckt.
14.15 Uhr Zurück im Willoughby Drive, schleppe ich die schweren Einkaufstüten ins Haus und freue mich, mein Zuhause sauber und verlassen vorzufinden. Um endlich zur Ruhe zu kommen, schlüpfe ich aus den Schuhen und strecke auf dem Kanapee die Beine aus – das tut gut.
Mein Zuhause unter Palmen
15.15 Uhr Ich erwache ausgeruht und nutze den Nachmittag, um Anschnur zu gehen. Als erstes rufe ich Depeschen besorgter Heimseitenbesucher ab und stosse dabei auf einen Brief meines Bruders. Georg schreibt, dass er mich telefonisch leider nicht erreichen konnte. Ferner bringe ich heraus, dass mein Verwandter in der übernächsten Woche nach Florida ausfliegen und bis zum Jahresende bleiben wird – wie aufregend.
16.00 Uhr Nachdem ich Ratschläge zum Umgang mit garstigen Jugendlichen gegeben habe, gehe ich von der Leine und begleite Dixon in den Garten. Wie es sich gehört, bewässere ich die Pflanzen und zupfe ausserdem Unkraut aus dem Petersilienbeet – das macht Spass.
17.00 Uhr Zum Abschluss des langen Tages mache ich mich in der Küche nützlich und brate ein T Knochen Schnitzel im heissen Fett heraus. Ausserdem zaubere ich einen farbenfrohen Beilagensalat mit perfekt aufgeschnittenen Zwiebelringen und fülle Dixons Napf mit Trockenfutter auf – wie gut das duftet.
18.00 Uhr Nach dem reichhaltigen Nachtmahl schalte ich die Glotze ein und gebe mich den FOX Nachrichten hin. Unter anderem vernehme ich, dass ein Hochdruckgebiet Kurs auf Florida genommen hat und uns zum Wochenende Temperaturen jenseits der 100°F Grenze bescheren wird – das kann ja heiter werden.
19.00 Uhr Da auf den Satellitensendern nur Mist läuft, nehme ich mit dem NETFLIX Programm Vorlieb und schaue mir die ersten Folgen des Serienspiels “Narcos” an. Während ich Kartoffelchips knabbere, sehe ich mich in die frühen 1980er Jahre versetzt und tauche in die Welt des gemeingefährlichen Drogenbarons Pablo Escobar ein.
21.00 Uhr Als nach zwei Stunden der Abspann über die Mattscheibe flimmert, betätige ich den AUS Knopf auf der neumodernen Fernbedienung. Zu guter Letzt reguliere ich die Klimaanlage und falle gähnend ins Bett. Gute Nacht.