Sehr verehrte Damen und Herren,
obwohl mir die lange Anreise aus Toronto immer noch in den Knochen steckt, habe ich mich heute sportlich betätigt und in Naples bestem Turnstudio Hanteln gestemmt. Darüber hinaus habe ich auch eine Massage genossen und mich von Frau Maggie durchkneten lassen – das war ein Spass.
Hinterher fühlte ich mich wie neu geboren und habe Prof. Kuhn zum Mittagessen in Julies Restaurant eingeladen. Im Gasthaus unseres Vertrauens trafen wir Herrn und Frau Porello, die gerade damit beschäftigt waren, Reiseprospekte zu studieren. Natürlich setzten wir uns dazu und hörten, dass die Italo-Amerikaner im Herbst nach Palermo ausfliegen wollen, um Herrn Porellos Onkel zu besuchen. Herr Bernardo (88) betreibt trotz seines hohen Alters in der Gemeinde Corleone eine Exportfirma für sündteure Olivenöle und kann es kaum noch erwarten, seinen Neffen nach vielen Jahren endlich wieder zu sehen.
Nach einem reichhaltigen Mittagessen habe ich den Nachmittag entspannt im Willoughby Drive ausklingen lassen und mit meiner Schwester telefoniert. Elsbeth ist mittlerweile in Vancouver eingetroffen und hat von ihrer spannenden Zugreise quer durch Kanada berichtet. Die gute Seele war hellauf begeistert und hat mir geraten, ihrem Beispiel zu folgen und ebenfalls mit der Bimmelbahn von der kanadischen Ostküste bis nach Westen zu reisen. Selbstverständlich bin ich Elsbeth augenblicklich ins Wort gefallen und habe anschaulich dargelegt, dass ich keinen Goldesel mein Eigen nenne.
Zum Abschluss des langen Tages war ich bei Frau Pontecorvo zum Abendessen eingeladen. Meine Nachbarin hat saftige T-Bone Steaks (löblich: T Knochen Schnitzel) serviert und mich mit Petersilienkartoffeln und farbenfrohem Saisongemüse verwöhnt. Währenddessen habe ich der Perle von meinem Treffen mit Herrn Porello in Kenntnis gesetzt und erfahren, dass auch Herr Bernardo ein hochrangiges Mafiamitglied ist. Während ich grosse Augen machte, versorgte mich meine Nachbarin mit Infos und behauptete, dass der Italiener in den 1960 Jahren im Big Apple (löblich: Grosser Apfel) lebte und angeblich in krumme Geschäfte verwickelt war – das ist ja allerhand.
Den schwülen Abend habe ich standesgemäss im klimatisierten Wohnzimmer ausklingen lassen und mich über den verheerenden Tropensturm Isaak informiert. Das “National Hurricane Center” in Miami teilte mit, dass der Sturm bereits morgen auf das Festland treffen und die Küsten von Alabama und Louisiana verwüsten wird – wie schrecklich.
Zur besten Sendezeit habe ich mir zwei Episoden der mit Preisen überschütteten Fernsehserie “Boardwalk Empire” angeschaut. Im Anschluss lief ausserdem eine aufschlussreiche Dokumentation über die HBO Eigenproduktion und ich lernte, dass das 24teilige Fernsehspiel auf Nelson Johnsons Erfolgsroman “Boardwalk Empire: The Birth, High Times, and Corruption of Atlantic City” (löblich: Boardwalk Empire: Die Geburt, Hochzeiten und Korruption von Atlantic City) basiert. Leider bleibt “Boardwalk Empire” dem deutschen Fernsehzuschauer wieder einmal vorenthalten. An diesem Beispiel sieht man anschaulich, dass das öffentlich- rechtliche Fernsehen in Deutschland an qualitativ hochwertigen Formaten kein Interesse hat. Stattdessen werden die Gebührenmilliarden für lächerliche Sportübertragungen und/oder peinliche Musiksendungen aus dem Fenster geworfen – wie unlöblich.