08.00 Uhr Ich rolle mich zeitig aus dem Bett und komme beim Blick auf meinen Wandkalender zu dem Schluss, dass mein löblicher Neffe in vier Tagen seinen 45. Geburtstag feiern wird – wie aufregend.
08.30 Uhr Nach dem Frühsport nehme ich das Telefon zur Hand und lasse es mir nicht nehmen, im fernen Kanada anzurufen. Bereits nach dem dritten Tuten meldet sich die Ehefrau meines Neffen in der Leitung und begrüsst mich überschwänglich. Ich wünsche Amanda einen guten Morgen und erkundige mich, ob James einen Geburtstagwunsch geäussert hat. Die Maid kommt aus dem Plappern gar nicht mehr heraus und ist sich sicher, dass sich James über das neue Studioalbum von David Crosby freuen würde. Ich notiere mir den Namen auf der aktuellen Ausgabe der Tageszeitung und verspreche, noch heute ein Paket zu schnüren.
09.00 Uhr Nachdem ich dem Kind einen schönen Tag gewünscht habe, ziehe ich mich in die Nasszelle zurück, um die Seele bei einem Wirbelbad baumeln zu lassen. Darüber hinaus kontaktiere ich Edelbert und lade ihn ein, mich in ein Musikgeschäft in der Innenstadt zu begleiten. Der schlaue Mann sagt prompt zu und meint, dass wir vorher im “Cafe Luna” frühstücken könnten – das ist phantastisch.
Mein Zuhause unter Palmen
10.00 Uhr Pünktlich zum Zehnuhrläuten verlasse ich die kleine Villa und treffe Frau Pontecorvo unkrautjätend im Nachbargarten an. Wie es sich gehört, lüfte ich meinen Kuhjungenhut und gebe zu Protokoll, dass ich in die Stadt krusen und mich dort mit dem Professor treffen werde. Bevor ich mich versehe, wirft meine Nachbarin ihre Gartenhandschuhe beiseite und entgegnet, dass sie mich kurzerhand begleiten wird – wie unlöblich.
10.30 Uhr Schlussendlich helfe ich der Dame auf den Beifahrersitz und vergesse auch nicht, Dixon auf die Ladefläche des PS-strotzenden SUV springen zu lassen. Im Anschluss presche ich hupend von dannen und erzähle meiner Bekannten, dass ich nach dem Frühstück ein Geschenk für meinen Neffen besorgen muss.
11.00 Uhr Endlich erreichen wir den Stadtkern und haben das grosse Glück, direkt vor der Gaststätte unseres Vertrauens einen geeigneten Stellplatz für den Chevrolet zu ergattern. Ich parke das Auto fachmännisch ein und eile dann ins Kaffeehaus, um Edelbert die Hand zu reichen.
11.30 Uhr Während wir uns an vitaminreichen Rühreiern, mit Pflaumenmus gefüllten Pfannkuchen und würzigem Kaffee laben, komme ich auf James Wiegenfest zu sprechen und verrate, dass ich mich in Unkosten stürzen und dem Buben eine Kompaktscheibe schenken werde. Frau Pontecorvo reibt sich die Hände und sagt, dass sie entlang der 5th Avenue ebenfalls nach einem Präsent Ausschau halten wird – wie schön.
Wir schoppen im Stadtzentrum
12.15 Uhr Kurz nach dem Mittagsläuten spazieren wir auf Naples Prachtstrasse gen Westen und geniessen die wärmenden Sonnenstrahlen in vollen Zügen. Nach einer halben Meile laufen wir in ein gutsortiertes Tonträgergeschäft und erfahren vom Verkäufer, dass er nur noch ein Exemplar der neuesten David Crosby Veröffentlichung vorrätig hat. Ich atme tief durch und beauftrage den Knecht, die silberne Scheibe augenblicklich in eine Tüte zu stecken. Währenddessen nimmt Prof. Kuhn die Klassikneuerscheinungen ins Visier und setzt mich darüber in Kenntnis, dass die Musikgruppe “The Piano Guys” (löblich: Die Klavierburschen) sämtliche Rekorde brechen. Ich ziehe die Augenbauen hoch und lerne, dass John Schmidt und Steven Sharp Nelson seit 2011 knapp 500.000 Kompaktscheiben weltweit veräussern konnten – das ist ja kaum zu glauben.
David Crosby – Lighthouse
13.00 Uhr Als nächstes statten wir einem Kleidermarkt einen Besuch ab. Frau Pontecorvo flitzt freudig durch die Gänge und vertellt, dass sie für neunzehn Dollars ein schönes T-Hemd mit dem Erkennungszeichen der englischen Radaucombo “Rolling Stones” (löblich: Rollenden Steine) kaufen wird. Ich nicke eifrig und berichte, dass James ein glühender Anhänger (unlöblich: Fan) dieser Kapelle ist.
14.00 Uhr Als der Stundenzeiger meiner wertvollen ROLEX auf 2 Uhr zugeht, schlendern wir in eine US Post Filiale und erkundigen uns, wie viel eine Paketsendung nach Toronto kostet. Der Heini hinter dem Tresen überreicht uns eine Preisliste und meint, dass ein Expressversand mit 19 Dollars zu Buche schlagen wird. Augenrollend zücke ich meine Geldbörse und erwerbe neben lustigen Briefmarken, einer gepolsterten Versandtasche ausserdem eine farbenfrohe Glückwunschkarte.
14.30 Uhr Nachdem wir beste Grüsse auf der Karte notiert und das Päckchen auf die Reise geschickt haben, laufen wir ruckzuck zum Auto zurück. Nebenher tratschen wir angeregt und vereinbaren, dass wir Morgen nach Fort Myers krusen könnten, um im Miromar Outlet Center (löblich: Miromar Auslass Zentrum) abzuschoppen.
15.15 Uhr Zu guter Letzt wünschen wir dem Professor einen geruhsamen Abend und schicken uns dann an, gemächlich nach Hause zu rasen – was kann es schöneres geben.
16.00 Uhr Zurück im Willoughby Drive, verabschiede ich mich von Frau Pontecorvo und werfe die Pforte lautkrachend ins Schloss. Während sich Dixon einen Tennisball schnappt und im Garten spielt, falle ich erschöpft aufs bequeme Kanapee und bald prompt ein.
17.00 Uhr Ich öffne die Augen und verspüre ein flaues Gefühl in der Magengegend. Weil das Mittagessen ausfallen musste, heize ich schnell den Herd vor und verfrachte eine Tiefkühlpizza in den Ofen. Ausserdem schneide ich eine Tomate in mundgerechte Happen und zaubere im Handumdrehen eine vitaminreiche Beilage.
Ich beisse kraftvoll zu
17.45 Uhr Nach der Jause wische ich den Küchenboden durch und trage den Müllbeutel nach draussen. Danach lege ich in der klimatisierten Wohnstube die Beine hoch und freue mich auf einen besinnlichen Fernsehabend. Wie es sich für einen interessierten Rentner gehört, gebe ich mich den FOX Abendnachrichten hin und informiere mich über die politischen Geschehnisse in der Welt.
19.00 Uhr Zur besten Sendezeit schalte ich auf AMC um und fröne dem amerikanischen Drama “Faith of Our Fathers” (auf deutsch: Der Glaube unserer Väter). Die Filmproduktion aus dem letzten Jahr handelt von einem jungen Mann, der die Vergangenheit seines im Vietnamkrieg gefallenen Vaters beleuchten möchte.
21.00 Uhr Nach zweistündiger Spitzenunterhaltung schalte ich die Glotze gähnend ab und lege mich ins Bett. Gute Nacht.