10. Oktober 2012 – Ich nage am Hungertuch – wie furchtbar

07.30 Uhr Ich werde durch das laute Kreischen eines Ajajas geweckt und rolle mich ächzend aus dem Wasserbett. Weil sich Dixon fiepend an der Terrassentüre eingefunden hat, lasse ich ihn kurzerhand in den Garten hinaus und werde Zeuge, wie der Rüde den schreienden Vogel verjagt – da kommt Freude auf.
09.00 Uhr Nach einem löblichen Wirbelbad statte ich Frau Pontecorvo einen Besuch ab und erkläre, dass Admiral a.D. Bürstenbinder gestern Nachmittag nach Deutschland abgeflogen ist. Meine Nachbarin bittet mich zuvorkommend herein und macht sich daran, Rühreier mit Speckstreifen aufzutischen. Während ich kraftvoll zubeisse, deutet die Gute zur Zimmerdecke und sagt, dass sie mit dem Gedanken spielt, einen Maler anzurufen. Ich nicke eifrig und entgegne, dass ein frischer Anstrich nicht schaden kann.
10.30 Uhr Ich verabschiede mich redlichst gestärkt und gebe meinem treuen Haustier zu verstehen, dass unser Eigenheim ebenfalls renovierungsbedürftig ist. Kopfkratzend genehmige ich mir eine Dose Diät Cola aus dem Eiskasten und komme zu dem Schluss, dass es mir nicht möglich sein wird, einen Handwerker zu bemühen. Trotz alledem lasse ich mir die gute Laune nicht verderben und entschliesse mich, zum Baumarkt zu krusen.
11.30 Uhr Voller Elan hüpfe ich in den Chevrolet Suburban und fahre zügig in Richtung Süden davon. Während der kurzweiligen Reise rede ich auf Dixon ein und erkläre ihm, dass wir Farbe kaufen und die Küche verschönern könnten.
11.45 Uhr Im “Home Depot” angekommen, schlendere ich mit Dixon im Schlepptau in die Farbenabteilung und staune angesichts der gesalzenen Preise nicht schlecht. Mit grossen Augen nehme ich die Preisetiketten in Augenschein und lerne, dass 5 Liter Wandfarbe 30 Dollars kosten sollen. Obgleich die feilgebotenen Farben gleichermassen für Gipskarton und Putzwände geeignet sind, ringe ich mich dazu durch, auf eine Renovierung zu verzichten – immerhin habe ich keinen Goldesel im Vorgarten stehen.
12.45 Uhr Kurz nach dem Mittagsläuten verlasse ich den Baumarkt und kehre ins benachbarte “Moravella’s” Italiengasthaus ein. Nachdenklich lasse ich mich an einem Fenstertisch nieder und verzehre eine Portion Langnudeln mit hauchdünn aufgeschnittenem Kalbfleisch (unlöblich: Sedani). Unterdessen mache ich mir meine eigenen Gedanken und registriere, dass meine angespannte Finanzsituation keine grossen Sprünge zulässt. HEUREKA – vielleicht sollte ich doch einen Platz im Armenhaus reservieren.
14.30 Uhr Zurück im Willoughby Drive bette ich mich auf dem Wohnzimmersofa zur Ruhe und träume von meiner nervenaufreibenden Reise quer durch den nordamerikanischen Kontinent – das waren noch bessere Zeiten.
15.30 Uhr Ich erwache ausgeschlafen und sehe mich mit meiner staubwischenden Zugehfrau konfrontiert. Während ich meine Kehle mit einem Schluck Veuve Clicquot Schaumwein durchspüle, lasse ich Frau Gomez wissen, dass ich so gut wie pleite bin. Die Perle nimmt sich meiner Probleme an und sagt, dass ihr Cousin die anfallenden Streicharbeiter preisgünstig übernehmen könnte. Bevor ich antworten kann, zückt die kleinwüchsige Mexikanerin ihr strahlendes Handtelefon und kontaktiert Herrn Miguel, der mir ein unschlagbares Angebot unterbreitet. Der Heini fackelt nicht lange und sichert zu, die komplette Küche für 300 Dollars zu streichen. Da der gute Mann bereits am Donnerstag Morgen mit der Arbeit beginnen kann, stimme ich prompt zu und erwidere, dass ich mich erkenntlich zeigen und eine Brotzeit spendieren werde. HEUREKA – das klappt wieder wie am Schnürchen.
16.30 Uhr Nachdem sich Frau Gomez winkend verabschiedet hat, setze ich mich an den Schreibtisch und komme meinen Pflichten als staatlich anerkannter Anschnurseelsorger nach. Auch heute rufe ich Hilferufe besorgter Heimseitenbesucher ab und helfe in Not geratenen Erziehungsberechtigten.
17.15 Uhr Nach getaner Arbeit schiebe ich eine vitaminreiche TOMBSTONE Tiefkühlpizza ins Ofenrohr und zaubere zudem einen farbenfrohen Beilagensalat mit perfekt aufgeschnittenen Zwiebelringen und Oliven aus dem Glas.
19.00 Uhr Nachdem ich in der Küche für Sauberkeit und Ordnung gesorgt habe, falle ich erschöpft aufs bequeme Kanapee und gebe mich dixonkraulend den Abendnachrichten auf FOX hin. Unter anderem erfahre ich, dass der österreichische Extremsportler Felix Baumgartner morgen aus einer Raumkapsel hüpfen und sich auf die Erde stürzen will – wie aufregend. Danach schalte ich auf den Bezahlsender AMC um und erfreue mich an neuen Episoden des Serienerfolgs “Breaking Bad”.
21.00 Uhr Als der Abspann über die Mattscheibe flimmert, betätige ich den “OFF” (löblich: AUS) Knopf auf der neumodernen Fernbedienung und unternehme einen Spaziergang durch den Garten. Anschliessend lösche ich das Licht und gehe ins Bett. Gute Nacht.


Ajaja: Fliegende Ratten

Foto: Photo by and (C)2007 Derek Ramsey (Ram-Man)