07.30 Uhr Ich werde durch ohrenbetäubendes Telefonläuten geweckt. Zu allem Überfluss meldet sich der Professor und erzählt, dass sein neuer Schreibtafel Heimrechner (unlöblich: Tablet PC) unentwegt piepst. Ich lege meine Stirn in Falten und rate, die Samsung Heissleine (unlöblich: Hotline) zu kontaktieren. Edelbert nimmt sich den Ratschlag zu Herzen und sagt, dass er mich um 10 Uhr in Julies Restaurant erwartet – das werden wir erst noch sehen.
08.00 Uhr Nach der Morgengymnastik verschwinde ich in der Nasszelle, um mich bei einem erfrischenden Wirbelbad zu entspannen. Währenddessen segle ich mit dem iPad durchs Internetz und mache mich über das Bullenreiten schlau. Unter anderem lerne ich, dass jährlich mehrere Millionen Menschen zu den Veranstaltungen pilgern, um Kuhjungen (unlöblich: Cowboys) aus aller Welt anzufeuern. Ich freue mich sehr und kann es gar nicht mehr erwarten, in drei Tagen bei der “PBR: Touring Pro Division” in Estero, FL dabei zu sein – das wird ein Spass.
09.00 Uhr Weil noch etwas Zeit bleibt, rufe ich bei den Kindern an und erkundige mich, ob wir uns zum Frühstück treffen wollen. James windet sich jedoch aus der Verantwortung und sagt, dass er mit seiner Familie einen Ausflug plant. Mein Neffe kommt auf ein Delphinarium in Fort Myers zu sprechen und beteuert, dass wir morgen die wichtigste Mahlzeit des Tages gemeinsam einnehmen können – jaja.
Die Kinder besuchen ein Delfinarium
09.45 Uhr Nachdem ich die Pflanzen mit Wasser versorgt habe, schwinge ich mich hinters Lenkrad des Chevrolets und kruse mit Dixon zur Vanderbilt Beach Road. Nebenbei lausche ich dem Programm von WCKT CAT COUNTRY (löblich: Katze Land) und habe das Vergnügen, ein Lied der Carpenters zu hören – da kommt Freude auf.
10.15 Uhr Mit kurzer Verspätung finde ich mich in Julies Restaurant wieder und treffe Edelbert an unserem Stammtisch an. Ich setze mich verschwitzt dazu und erkläre, dass mich das schwülwarme Wetter bald ins Grab bringen wird. Mein Bekannter nickt eifrig und bittet die Wirtin, zwei grosse Frühstücke zu kredenzen – wie schön.
10.45 Uhr Während ich kraftvoll zubeisse, berichte ich von meinen anstehenden Wochenendaktivitäten. Edelbert staunt Bauklötze und sagt, dass er mich sehr gerne zum Bullenreiten begleiten würde. Ich zucke mit den Schultern und animiere meinen Tischnachbarn, auf ticketmaster.com ein Billett zu kaufen
11.30 Uhr Nachdem wir die Rechnung beglichen haben, vertreten wir uns die Beine. Wir folgen der Vanderbilt Beach Road gen Westen und tratschen über Dies und Das. Mein Begleiter plappert ohne Unterlass und erinnert, dass Sandra in zwei Wochen im Rentnerparadies eintreffen wird. Ich rolle demonstrativ mit den Augen und bin mir sicher, dass der Aufenthalt meiner Mieterin kein Vergnügen werden wird – was muss ich denn noch ertragen.
12.30 Uhr Zurück am Auto, wünsche ich Edelbert einen ruhigen Nachmittag und trete die Heimfahrt an. Ich quäle mich hupend durch den zähfliessenden Mittagsverkehr und ärgere mich über die unvorsichtige Verkehrsteilnehmer. HEUREKA – Rentner sind doch die besseren Fahrer.
13.15 Uhr Während Dixon im Garten bleibt, gönne ich mir in der klimatisierten Stube eine kleine Pause. Nach wenigen Augenblicken döse ich ein und sehe mich im Traum in den grossen Apfel (unlöblich: Big Apple) versetzt.
Ich im grossen Apfel (unlöblich: Big Apple)
14.15 Uhr Just als ich durch den verschneiten Central Park (löblich: Zentralpark) spaziere, wird die Ruhe durch lautes Schreien unterbrochen. Ich eile wildgestikulierend nach draussen und bemerke, dass Familie Connor aus dem Urlaub zurückgekehrt ist. Die vorlauten Nachbarskinder Emily und Francis halten mir ekelerregende Plastikfiguren unter die Nase und behaupten, dass es an Floridas Ostküste sehr schön war – das ist mir Wurst.
15.00 Uhr Nachdem endlich wieder Ruhe und Frieden eingekehrt ist, lasse ich mich im Liegestuhl nieder und öle meine staubtrockene Kehle mit einem kühlen Bier. Ferner studiere ich die Berichte in der Naples Daily News (löblich: Naples tägliche Neuigkeiten) und bringe in Erfahrung, dass Scherriff Bradfort mit der goldenen Ehrennadel des Collier Counties ausgezeichnet wurde.
15.30 Uhr Kurze Zeit später kommt Frau Melody (29) daher und wünscht mir einen schönen Tag. Herrn Booths Nichte wischt sich mit dem Handrücken über die nasse Stirn und sagt, dass sie nun zum Strand fahren und sich in die kühlenden Fluten stürzen wird. Ich versorge das Kind mit Infos und rate, nicht zu weit hinauszuschwimmen. Immerhin gibt es im Golf von Mexiko gefrässige Haie, die es auf unvorsichtige Badegäste abgesehen haben.
16.15 Uhr Nun wird es aber langsam Zeit, die Anschnurarbeit zu erledigen. Auch heute schufte ich hart und helfe verzweifelten Erziehungsberichtigten aus schier ausweglosen Situationen. Frau Elfriede K. aus Chemnitz schreibt, dass sich ihr 19jähriger Sohn ein Tattoo auf den Oberarm hat stechen lassen. Ich schlage die Hände über dem Kopf zusammen und verweise auf meinen diesbezüglichen Anschnurbericht.
17.00 Uhr Zu guter Letzt nehme ich die Einträge im Gästebuch in Augenschein und sehe mich genötigt, Anzeige wegen Beleidigung zu erstatten – als staatlich anerkannter Anschnurseelsorger muss ich mich wirklich nicht als “alten Deppen” beschimpfen lassen.
17.30 Uhr Nach getaner Arbeit gehe ich von der Leine und backe eine TOMBSTONE Fertigpizza im Ofen auf. Weil ausgewogene Ernährung sehr wichtig ist, zaubere ich ausserdem einen farbenfrohen Beilagensalat – das schmeckt.
18.30 Uhr Ein langer Tag neigt sich langsam seinem Ende zu. Um endlich zur Ruhe zu kommen, rufe ich den Rüden ins Haus und schalte den Farbfernseher ein. Ich informiere mich auf FOX über die Geschehnisse in der Welt und höre, dass der Erfinder Thomas Edison just heute vor 136 Jahren die erste Tonaufzeichnung angefertigt hat.
19.00 Uhr Zur besten Sendezeit schalte ich auf HBO um und erfreue mich am Kriminalfilm “Fargo”, der von einer resoluten Polizistin im verschneiten Minneapolis erzählt – da kommt Spannung auf.
21.00 Uhr Nach zweistündiger Spitzenunterhaltung beende ich den Fernsehabend und begleite Dixon ein letztes Mal in den Garten. Anschliessend verschliesse ich die Haustüre und lege mich ins Bett. Gute Nacht.