13. August 2018 – Ein Telefon für David

08.00 Uhr Die 33. Woche des Kalenderjahres beginnt und ich fühle mich wie gerädert. Mit starken Kopfschmerzen rolle ich mich aus dem Wasserbett und erinnere mich, dass ich David (12) versprochen habe, ihn zum WAL MART SUPERCENTER am Juliet Boulevard zu begleiten. Missmutig trinke ich ein Glas Milch und ärgere mich, gestern Abend zu tief ins Glas geschaut zu haben – wo soll das noch hinführen.
08.45 Uhr Nachdem ich Dixons Napf mit Trockenfutter aufgefüllt und die Morgengymnastik absolviert habe, trotte ich in die Nasszelle und lasse die Seele bei einem erfrischenden Wirbelbad baumeln. Ferner rufe ich bei Edelbert an und erkundige mich, ob er sich wohl fühlt. Der schlaue Mann klagt ebenfalls über hämmernde Kopfschmerzen und mutmasst, dass er ein schlechtes Bier erwischt hat. Ich nicke eifrig und stelle klar, dass uns James womöglich heimlich Schnaps in die Hopfenkaltschalen geschüttet hat – was muss ich denn noch alles ertragen.


James hat uns Schnaps ins Bier geschüttet

09.45 Uhr Obgleich mich mein Grossneffe um 10 Uhr erwartet, setze ich mich an den Küchentisch und nehme im Beisein meines braven Haustieres ein kleines Frühstück ein. Ausserdem schlürfe ich brühfrischen Kaffee und vergesse auch nicht, eine weitere ASPIRIN Tablette einzunehmen – das tut gut.
10.30 Uhr Wie nicht anders zu erwarten, bimmelt schon bald das Festnetztelefon und ich sehe mich genötigt, mit David sprechen zu müssen. Der brave Bube kommt auf unsere Verabredung zu sprechen und beteuert, dass ich hoch und heilig versprochen habe, ihm beim Kauf eines neuen Handtelefons zu unterstützen. Laut seufzend bitte ich David um Verzeihung und merke an, dass ich ein vielbeschäftigter Rentner bin, der sehr viel um die Ohren hat. Trotzdem sichere ich dem Knaben zu, in wenigen Minuten loszufahren und alsbald im Lowbank Drive einzutreffen.
11.15 Uhr Um den Stammhalter der Familie Pfaffenberg nicht zu verärgern, komme ich in die Gänge und scheuche den Vierbeiner zum Auto. Im Anschluss kruse ich entnervt von dannen und fröne dem Qualitätsprogramm von WCKT CAT COUNTRY (löblich: Katze Land) – was kann es schöneres geben.


Katze Land – der beste Radiosender

11.45 Uhr Wenig später treffe ich vor dem Feriendomizil ein und werde bereits von David erwartet. Der Heranwachsende nölt in einer Tour und ermutigt mich, unverzüglich loszufahren und ihn zum WAL MART zu bringen. Ich rolle demonstrativ mit den Augen und erkläre dem Buben, dass in der Ruhe die Kraft liegt. Trotz aller Widrigkeiten lasse ich den Wählhebel der Automatikschaltung in der D-Stellung einrasten und fahren davon.
12.30 Uhr Nach 7 zurückgelegten Meilen erreiche ich mein Ziel und gebe dem schwanzwedelnden Vierbeiner zu verstehen, dass er uns nicht in die Markthalle begleiten kann. Da es ziemlich heiss ist, lasse ich kurzerhand den Motor laufen und eile mit David im Schlepptau ins Kaufhaus, um in der gutsortierten Elektronikabteilung nach einem Handtelefon Ausschau zu halten. Während mein kleinwüchsiger Begleiter die sündteuren Apfel (unlöblich: Apple) Produkte ins Visier nimmt, deute ich in Richtung eines preiswerten Blackberry (löblich: Schwarzbeere) Modells und informiere, dass ich selbst ein Telefon aus diesem renommierten Hause mein Eigen nenne. David rümpft desinteressiert die Nase und entgegnet, dass er von seinem Opa 500 amerikanische Dollars erhalten hat und ein Apfel Telefon aus der 5er Reihe kaufen wird – wie unlöblich.


David möchte ein Apfel Telefon

13.00 Uhr Nachdem ich mir für 30 Minuten die Beine in den Bauch stehen musste, fällt der Bube eine Entscheidung und wählt ein schwarzes Handtelefon aus. Ich atme tief durch und begleite meinen Grossneffen zur Kasse, wo wir aufgefordert werden, entweder ein Bündel Geldscheine oder eine Kreditkarte vorzuzeigen.
13.30 Uhr Um nicht Hunger leiden zu müssen, kehren wir nach dem Schoppingvergnügen in das benachbarte “Bob Evans” Gasthaus ein, um köstliche Burger mit Kartoffelstäben zu fressen. Während wir kraftvoll zubeissen, reisst David die Produktverpackung auf und plappert, dass das iPhone 5 prima ist und ihm gute Dienste leisten wird. Ich zucke mit den Schultern und unterbreite, dass strahlende Handtelefone auf Dauer krank machen. Der 12jährige ist jedoch ganz anderer Meinung und wirft ein, dass er stets für seine Freunde erreichbar sein muss – jaja.
14.30 Uhr Schlussendlich begleiche ich die Zeche aus der eigenen Tasche und laufe schnurstracks zum Auto zurück. Nachdem wir Dixon auf die Ladefläche geholfen haben, trete ich das Gaspedal bis zum Anschlag durch und bringe David sicher in den Lowbank Drive zurück.


Mein Zuhause unter Palmen

15.15 Uhr Um nicht den Nachmittag alleine im Willoughby Drive zubringen zu müssen, lade ich mich bei meiner Familie kurzerhand zu Kaffee und Kuchen ein. Während James und David das neue iPhone bestaunen, sitze ich mit Amanda, Maria und Georg in der Küche und öle meine ausgetrocknete Kehle. Nebenbei schimpfe ich auf die junge Generation und lege anschaulich dar, dass die Jungspunde nur noch Handtelefone und Heimrechner im Kopf haben. Amanda lacht laut und sagt, dass die Zukunft nicht mehr aufzuhalten ist – gleich platzt mir der Kragen.
16.00 Uhr Nun wird es aber langsam Zeit, die Zelte im Ferienhaus abzubrechen. Wie es sich gehört, lüfte ich meine NY YANKEES Kappe und wünsche meinen Verwandten einen angenehmen Fernsehabend. Danach kruse ich zügig nach Hause und freue mich auf ruhige Stunden in meinem kultivierten Zuhause – was kann es schöneres geben.
16.45 Uhr Zurück in der kleinen Villa, stelle ich beim Blick auf die Wanduhr fest, dass es mittlerweile Viertel vor Fünf Uhr geschlagen hat. Ruckzuck strebe ich in die Küche, um Bandnudeln mit einem herzhaften Tomatensösschen zu zaubern. Dazu gibt es ein perfekt eingeschenktes Bier mit Schaumkrone – da kommt Freude auf.

18.00 Uhr Nach einem reichhaltigen Nachtmahl strecke ich im Wohnzimmer die Beine aus und erfreue mich auf AMC dem nagelneuen Fernsehspiel “Lodge 49”. Die von der Presse hochgelobte Eigenproduktion erzählt aus dem Leben eines jungen Mannes, der sich einer geheimen Bruderschaft anschliesst – wie unheimlich.
20.00 Uhr Nach zweistündiger Spitzenunterhaltung beende ich den Fernsehabend und begleite Hund Dixon noch einmal in den Garten. Anschliessend reguliere ich die Klimaanlage und falle erschöpft ins Bett. Gute Nacht.