08.00 Uhr Ich werde durch sehr lautes Schreien aus einem schönen Traum gerissen. Als ich nach draussen spähe, werde ich auf einen unbekannten Herren aufmerksam, der aus vollem Hals “Chester” brüllt. Natürlich werfe ich mir sogleich den Bademantel über und laufe nach draussen, um den Deppen zur Rede zu stellen. Der Heini lüftet seine “Tampa Bay Lightning” Kappe und behauptet, dass er am Madison Drive zu Hause ist und seit einer halben Stunde seinen entlaufenen Dobermann Chester sucht. Ich zucke mit den Schultern und entgegne, dass ich keinen fremden Vierbeiner gesehen habe. Auch Dixon rümpft die Nase und zieht es vor, gähnend in die Villa zu traben.
Mein Zuhause unter Palmen
08.45 Uhr Nachdem ich meine eingeschlafenen Glieder gelockert habe, entspanne ich mich bei einem erfrischenden Wirbelbad. Darüber hinaus telefoniere ich mit Edelbert und bringe heraus, dass seine Rückenschmerzen mittlerweile verflogen sind. Der schlaue Mann atmet tief durch und beteuert, dass Frau Pontecorvos Percodan-Tabletten Wunder gewirkt haben. Ich freue mich für meinen Bekannten und lade ihn ein, mit mir das Frühstück im “Bistro 821” einzunehmen. Edelbert fällt mir prompt ins Wort und meint, dass wir uns im “Jane’s Cafe on 3rd” treffen sollten – das hört man gerne.
Georg investiert ein kleines Vermögen in ein Wohnmobil
09.45 Uhr Kurz vor dem Zehnuhrläuten werfe ich mich in Schale und vergesse auch nicht, dem Haustier das schöne Lederhalsband umzulegen. Im Anschluss scheuche ich Dixon zum Chevrolet, um mit durchdrehenden Pneus ins Stadtzentrum zu rasen. Nach wenigen Minuten surrt jedoch die Schwarzbeere (unlöblich: Blackberry) und ich sehe mich genötigt, die Ausfahrt zu unterbrechen. Zu meiner Freude meldet sich mein Bruder und erzählt, dass er seiner Ehefrau zum Weihnachtsfest ein Wohnmobil schenken wird. Ich mache grosse Augen und vernehme, dass Georg 90.000 kanadische Dollars in einen WINNEBAGO TRAVATO investieren möchte. Zudem erfahre ich, dass mein Bruder mit der Idee spielt, den Wohnwagen in Naples abzustellen und in regelmässigen Abständen spannende Ausflüge durch den Süden der USA zu unternehmen. Obgleich ich Einspruch einlege, lässt Georg nicht mit sich reden und versichert, dass er im Laufe dieser Woche den Kauf unter Dach und Fach bringen wird.
10.30 Uhr Endlich bin ich am Ziel und treffe Edelbert in “Jane’s Cafe” an. Eine freundliche Bedienung mit rostbraunen Haaren lotst uns zu einem Tisch mit Ausblick und meint, dass wir uns gerne am Büffet bedienen können – das lasse ich mir natürlich nicht zweimal sagen.
Wir krusen von Toronto nach Naples, FL
11.00 Uhr Als ich kraftvoll zubeisse, komme ich auf Georgs Anruf zu sprechen und weise auf die Tatsache hin, dass mein Bruder den Verstand verloren hat. Edelbert nippt lachend am Kaffeehaferl und meint, dass mein Verwandter viele Millionen besitzt und nicht auf den Taler achten muss. Ferner erinnert der gute Mann an Sandras Idee, Weihnachten in Kanada zu verbringen und anschliessend in einem Mietwagen nach Florida zu krusen. Mein Tischnachbar wischt sich mit der Serviette über den Mund und sagt, dass ich die Gelegenheit am Schopfe packen und mit Georgs WINNEBAGO nach Florida reisen könnte. Ich schnippe mit den Fingern und bitte die Kellnerin, unsere Tassen mit brühfrischen Bohnentrunk aufzufüllen.
12.00 Uhr Nach einer Stunde verlassen wir das Familienrestaurant und schlendern plaudernd zum Naples Pier, um Kieselsteine ins azurblaue Wasser zu schleudern. Nebenher nehme ich einen Öltanker am Horizont in Augenschein und telefoniere erneut mit meinem Bruder. Als ich auf Sandras Wunsch verweise und Georg kurzerhand anbiete, das Wohnmobil nach Florida zu überführen, schnalzt der gute Mann mit der Zunge und verspricht, sich den Vorschlag durch den Kopf gehen zu lassen – wie schön.
Wir blicken aufs Meer
12.45 Uhr Nachdem wir ein Eis geschleckt haben, kehren wir zum Auto zurück. Unterdessen fährt sich Edelbert durchs Haar und kündigt an, dass er morgen zum Frisör gehen und sich einen feschen Schnitt verpassen wird. Ich nicke eifrig und ringe mich dazu durch, den Professor in den “Cool Cuts” Frisörladen zu begleiten.
13.30 Uhr Gegen halb Zwei bin ich wieder zu Hause und fülle Dixons Näpfe mit H²O und gesundem Trockenfutter auf. Anschliessend schlüpfe ich aus den Kuhjungenstiefel und falle übermüdet aufs Kanapee – das tut gut.
14.30 Uhr Ich erwache ausgeruht und greife zum Schnurlostelefon, um Sandra anzurufen. Als sich die unterbeichtete Maid nach dem fünften Tuten meldet, übermittle ich ihr die frohe Botschaft und gebe zu Protokoll, dass Georg mit dem Gedanken spielt, ein Wohnmobil zu kaufen. Als ich die Überführung nach Florida anspreche, juchzt Sandra in einer Tour und sagt, dass sie gleich Morgen nach bezahlbaren Flügen suchen wird – jaja.
15.00 Uhr Als nächstes komme ich meinen Pflichten als staatlich anerkannter Anschnurseelsorger nach. Ich arbeite zu stimmungsvoller WCKT CAT COUNTRY (löblich: Katze Land) Radiountermalung Hilferufe besorgter Heimseitenbesucher ab und helfe, wo ich nur kann.
16.00 Uhr Zum Abschluss der nervenaufreibenden Beratungsstunde schalte ich die neuen Einträge im Gästebuch frei und gehe dann von der Leine, um es mir in der Hollywoodschaukel bequem zu machen. Ich trinke ein kühles Bier und nehme mir das Recht heraus, lesenswerte Artikel in der “Naples Daily News” (löblich: Naples tägliche Neuigkeiten) zu studieren. Unter anderem lerne ich, dass mittlerweile die vierte Zika Virusinfektion im Collier County von den Behörden bestätigt wurde. Aus diesem Grund hat das örtliche Gesundheitsamt alle Bewohner angehalten, Mückensprüh zu verwenden und Spaziergänge durch Waldgebiete zu vermeiden.
17.00 Uhr Nun wird es aber langsam Zeit, das Abendessen vorzubereiten. Da abwechslungsreiche Kost sehr wichtig ist, zaubere ich im Handumdrehen Bratkartoffeln mit Spinat und Spiegeleier – wie gut das duftet.
18.00 Uhr Nachdem ich mich gestärkt und die Küche geputzt habe, beginnt der wohlverdiente Feierabend. Ich lege in der guten Stube die Beine hoch und fröne auf NETFLIX der spannenden Serie “Narcos”, die vom Aufstieg des kolumbianischen Drogenbarons Pablo Escobar erzählt.
21.15 Uhr Nach zwei nervenaufreibenden Episoden schalte ich das Farbfernsehgerät aus und begleite Dixon an die frische Luft. Danach reguliere ich die Klimaanlage und ziehe mich gähnend ins Schlafzimmer zurück. Gute Nacht.