08.00 Uhr Eine neue Woche beginnt und ich kann es kaum fassen, endlich wieder in Florida zu sein. Voller Elan hüpfe ich aus dem Bett und bemerke, dass sich Hund Dixon an der Terrassentüre eingefunden hat. Weil ich ein Tierfreund bin, öffne ich die Pforte und verschaffe dem Vierbeiner etwas Auslauf. Anschliessend absolviere ich im Garten die Morgengymnastik und winke Frau Pontecorvo zu. Meine Nachbarin erwidert den Gruss und lädt mich im Gegenzug zum Frühstück ein – das lasse ich mir natürlich nicht entgehen.
Endlich zurück in Florida
08.30 Uhr Nach dem Frühsport entspanne ich mich bei einem löblichen Wirbelbad. Ich wasche mir gründlich die Haare und mache es mir ausserdem zur Aufgabe, bei meinen Liebsten in Toronto anzurufen. Georg meldet sich nach dem zweiten Tuten und lotet aus, ob ich seinen JEEP ohne Schäden in den Sonnenscheinstaat überführt habe. Weil mir der Schalk im Nacken sitzt, gebe ich kleinlaut zu Protokoll, dass uns das Auto an einem Rastplatz gestohlen wurde. Leider glaubt mir mein Bruder kein Wort und macht mich darauf aufmerksam, dass er mit seiner Ehefrau in drei Wochen nach Naples kommen wird. Darüber hinaus erfahre ich, dass mein Grossneffe David (8) seit heute Schulferien hat – das ist phantastisch.
09.30 Uhr Ich beende das Badevergnügen und eile nach nebenan, um bei Frau Pontecorvo das Frühstück einzunehmen. Obgleich ich gestern ausführlich von meinen Abenteuern in Kanada erzählt habe, komme ich schnell auf das prima Leben in Toronto zu sprechen und berichte, dass die Stadt am Ontariosee stets eine Reise wert ist. Meine Gastgeberin nickt eifrig und erwidert, dass sie bei ihrer Freundin Blanche in Jacksonville ebenfalls ihren Spass hatte – das soll mir Recht sein.
Toronto muss man gesehen haben
10.15 Uhr Kurz nach dem Zehnuhrläuten wische ich mir die Fresse an einer Serviette ab und trinke meinen Kaffee aus. Bei dieser Gelegenheit tippe ich auf meine wertvolle ROLEX und erwähne, dass ich nun zum Supermarkt krusen und Lebensmittel einkaufen werde. Die Pontecorvo wird sogleich hellhörig und sagt, dass sie mich zum WINN DIXIE am Golden Gate Parkway begleiten wird.
11.00 Uhr Obwohl ich zu waghalsigen Überholmanövern ansetze und in regelmässigen Abständen die Hupe betätige, kommen wir wegen des dichten Verkehrs nur langsam voran. Erst nach 45 Minuten finden wir uns auf dem Parkplatz wieder und können einer Seniorin mit rosaroten Haaren einen Einkaufswagen streitig machen.
11.15 Uhr Danach laufen wir plaudernd durch die breiten Gänge und laden tiefgefrorene Hühnerbrüste, frisches Obst, lustige Pretzels (löblich: Brezen), eine Flasche Louana Bratenöl mit Omega 3, süffiges Budweiser, Erdbeeren, Sprühsahne, Powerade Vitaminwasser, Dasani Tafelwasser sowie anderes Zeug in den Einkaufswagen. HEUREKA – diesen Stress hält nicht einmal der stärkste Rentner aus.
12.15 Uhr Nach einer geschlagenen Stunde lotse ich meine Begleiterin nörgelnd zur Kasse und sehe mich genötigt, für die Einkäufe knapp 77 Dollars zu bezahlen. Ich überreiche der Kassenkraft meine praktische Meisterkarte (unlöblich: Master Card) und lasse sie wissen, dass ich bald im Armenhaus landen werde.
Plastikkarten – Nein Danke
13.00 Uhr Zurück am Auto, verstauen wir die Einkäufe auf der Ladefläche und verabreden, dass wir nun ins benachbarte “Paloma Blanca” Restaurant einkehren sollten. Frau Pontecorvo schwärmt in den höchsten Tönen und unterbreitet, dass Rentner in diesem kubanischen Spitzenlokal 50% Rabatt erhalten – wie schön.
13.30 Uhr Hungrig und durstig betreten wir die Wirtschaft und wählen von der Tageskarte “Bistec de Pollo” (löblich: Hühnersteak) mit Reis und angebratenen Bohnen. Dazu gibt es frisch gepressten Orangensaft mit Eiswürfeln und grünen Limonenscheiben – schmeckt nicht schlecht, Herr Specht.
14.15 Uhr Um weitere 20 Dollars erleichtert, kehren wir zum KFZ zurück und treten die Heimfahrt an. Unterdessen fröne ich der wunderschönen Bruce Robison Kompaktscheibe und erkläre meiner Bekannten, dass ich mir diesen Silberling in der Kleinstadt Brunswick in Georgia gekauft habe.
Bruce Robison & Kelly Willis – Our Year
14.45 Uhr Wieder zurück im Willoughby Drive, falle ich erschöpft aufs Kanapee und schliesse die Augen. Nach wenigen Augenblicken döse ich ein und träume von meinem Ausflug nach Niagara-on-the-Lake.
Die Queen Street in Niagara-on-the-Lake
15.45 Uhr Um nicht den ganzen Nachmittag auf der faulen Haut zu liegen, setze ich mich an den Schreibtisch und rufe Hilferufe besorgter Erziehungsberechtigter ab. Die alleinerziehende Mutter Patrizia F. (40) aus Graz klagt mir ihr Leid und schreibt, dass ihre 16jährige Tochter die Sommerferien mit ihren haschgiftrauchenden Freunden auf einer Berghütte verbringen will. Ich ärgere mich sehr und rate der kleinen Frau, noch heute mit dem Jugendamt in Kontakt zu treten – wo kämen wir denn da hin.
16.45 Uhr Nach sechzig Minuten beende ich die Beratungsstunde und mache mich in der Küche nützlich. Weil mein Magen laut knurrt, brate ich vitaminreiche Gemüsestäbe im heissen Fett heraus. Dazu gibt es eine Portion Kartoffelbrei und ein kühles Bier.
17.30 Uhr Nach der Mahlzeit gönne ich mir eine weitere Hopfenkaltschale und setze mich auf die Terrasse, um mit Prof. Kuhn zu telefonieren. Edelbert freut sich über meinen Anruf und sagt, dass er von Frau Brandie Cream zum Mittagessen eingeladen wurde. Ich staune nicht schlecht und höre weiter, dass der schlaue Mann anschliessend in der Barnes & Nobles Buchhandlung etliche Bücher gekauft hat – wie langweilig.
18.30 Uhr Zur besten Sendezeit setze ich mich vor die Glotze und schaue mir auf dem Bezahlsender HBO einige Episoden der preisgekrönten Serie “OZ” an. Ich amüsiere mich köstlich und tauche in das Leben hinterlistiger Gewaltverbrecher ein, die langjährige Haftstrafen in einem fiktiven Gefängnis absitzen müssen – wie aufregend.
21.00 Uhr Nach zweieinhalbstündiger Spitzenunterhaltung schalte ich den neumodernen Flachbildschirm aus und rufe Dixon ins Haus. Danach lösche ich das Licht und gehe zufrieden ins Bett. Gute Nacht.