11. Juli 2018 – Die Verwandten in Savannah

08.00 Uhr Ich werde zu nachtschlafender Zeit durch sehr aggressives Telefonläuten geweckt. Zu allem Überfluss meldet sich meine Schwägerin in der Leitung und plappert, dass sie ihren Ausflug etwas ausdehnen wird. Während ich mir den Schlaf aus den Augen reibe, fährt die gute Dame fort, dass sie heute der schönen Stadt Jacksonville Lebewohl sagen und der Küste gen Norden folgen wird. Natürlich mache ich grosse Augen und bringe weiter heraus, dass meine Verwandten nicht nur Fernandina Beach in Georgia, sondern auch die sogenannte “Perle des Südens” ansteuern wollen. Weil ich Savannah wie meine Westentasche kenne, schnippe ich mit den Fingern und merke an, dass in besagter Gemeinde unter anderem der Filmklassiker “Forrest Gump” entstanden ist


Savannah muss man gesehen haben

08.30 Uhr Nach der Plauderei ziehe ich mich gähnend in die Nasszelle zurück und treffe Sandra splitternackt in der Dusche an. Das Mädchen kreischt wie am Spiess und ruft mich auf, unverzüglich das Bad zu verlassen. Wie es sich gehört, komme ich der Bitte nach und mache es mir zur Aufgabe, die DeLonghi Kaffeemaschine in Betrieb zu setzen. Ferner beschalle ich die kleine Villa mit stimmungsvollen George Strait Klängen und vergesse auch nicht, den Hundenapf mit Trockenfutter aufzufüllen – wie gut das duftet.
09.00 Uhr Dreissig Minuten später präsentiert sich mein Hausgast in einem farbenfrohen Sommerkleid und beteuert, dass das Badezimmertürschloss nicht richtig schliesst. Ich zucke mit den Schultern und lade die Maid ein, mir bei der wichtigsten Mahlzeit des Tages Gesellschaft zu leisten. Nebenher erfahre ich, dass Sandra mit Herrn Booths Nichte verabredet ist und das “Calusa Nature Center & Planetarium” in Fort Myers besuchen wird. Ich nicke eifrig und erwähne, dass Frau Melody sehr nett ist und im “Grossen Apfel” (unlöblich: Big Apple) beheimatet ist.


Sandra bekommt Kleingeld

09.30 Uhr Nachdem ich Sandra etwas Kleingeld für ein Eis zugesteckt habe, verabschiede ich mich ins Bad und läute den elften Tag des Honigmonats Juli mit einem Wirbelbad ein. Ausserdem telefoniere ich mit dem Professor und lerne, dass Edelbert den Tag in der städtischen Bibliothek verbringen wird. Ich werde sogleich hellhörig und vernehme, dass der schlaue Mann das im Jahre 2004 erschienene Buch “The Civil War” (löblich: Der Bürgerkrieg) von Christopher Hughes einsehen möchte. Weil ich nichts zu tun habe, biete ich meinem Bekannten kurzerhand an, ihn in der “Collier County Public Library” zu treffen – immerhin kann etwas Bildung nicht schaden.
10.30 Uhr Frisch in Schale geworfen, scheuche ich den Vierbeiner zum SUV und schicke mich an, zur 12 Meilen entfernten Central Avenue zu rasen. Unterdessen lausche ich dem Qualitätsprogramm von WCKT CAT COUNTRY (löblich: Katze Land) und erfreue mich an handgemachter Musik – das macht Spass.
11.15 Uhr Kurz nach dem Elfuhrläuten treffe ich am Ziel ein und parke den frischaufpolierten Chevrolet Suburban neben Edelberts verstaubtem JEEP. Im Anschluss strebe ich mit Dixon im Schlepptau in den klimatisierten Neubau und freue mich, meinen Bekannten an einem elektronischen Lesegerät anzutreffen. Der Professor schüttelt meine Hand und informiert, dass die Bücherei eine digitale Ausgabe des gewünschten Buches vorrätig hat und es ihm nun möglich ist, mehr über den amerikanischen Fotografen Mathew B. Brady zu erfahren. Da ich mit dem Namen nichts anfangen kann, rückt mein Gegenüber mit Fakten heraus und beteuert, dass Herr Brady ein wichtiger Chronist des Bürgerkrieges war – das hört man gerne.
12.00 Uhr Während Edelbert seine Recherchen vorantreibt, nehme ich die ausgestellten Bücher in Augenschein und stelle fest, dass die Gemeindeverwaltung nicht nur Trivialliteratur sammelt, sondern auch Steuergelder in wunderschöne Bildbände und wissenschaftliche Abhandlungen investiert – da kommt Freude auf.
12.30 Uhr Endlich hat Edelbert alle Informationen zusammengetragen und ruft mich auf, ihn in das benachbarte Starbucks Kaffeehaus zu begleiten. Ruckzuck setze ich mir die NY YANKEES Kappe auf und kann es kaum erwarten, einen grossen Becher Bohnentrunk zu schlürfen und dazu köstliche Sandwiches zu fressen.


Ich beisse kraftvoll zu

13.00 Uhr Während sich Edelbert mit einem Tomate und Mozzarella Panini begnügt, beisse ich kraftvoll in ein Chicken Caprese Sandwich und erkundige mich weiter nach Mathew Bradys Arbeit als Kriegsfotograf. Edelbert ist bestens informiert und erzählt, dass der Mann vor mehr als 170 Jahren wichtige Generäle und sogar Abraham Lincoln mit seiner Photokamera abgelichtet hat – das soll mir auch Recht sein.
14.00 Uhr Nach der Mahlzeit kehren wir zum Auto zurück und wünschen einander schöne Nachmittage. Anschliessend hüpfe ich ins Auto und trete die Heimreise in den Willoughby Drive an. Wie es sich gehört, setze ich zu waghalsigen Überholmanövern an und nehme mir das Recht heraus, ohne Unterlass zu hupen.
15.00 Uhr Zuhause angekommen, bette ich mich auf dem Kanapee zur Ruhe und schliesse die Augen. Dixon tut es mir gleich und döst ebenfalls nach wenigen Augenblicken ein.
16.00 Uhr Um nicht den ganzen Nachmittag auf der faulen Haut zu liegen, rapple ich mich auf und komme meinen Pflichten als Internetzseelsorger nach. Unter anderem sehe ich mich genötigt, einer alleinerziehenden Mutter ins Gewissen zu reden, dessen 15jähriger Sohn sich tätowieren lassen möchte – wo kommen wir denn da hin.
17.00 Uhr Nun wird es aber langsam Zeit, das Abendessen vorzubereiten. Ich lotse das Dixon in die Küche und fülle seinen Napf mit Wasser auf. Danach koche ich italienische Langnudeln auf und zaubere in Minutenschnelle ein leckeres Nudelgericht mit Pesto aus dem Glas.


Das kulinarische Wohl darf nicht zu kurz kommen

18.00 Uhr Nach der schweisstreibenden Hausarbeit beginnt der wohlverdiente Feierabend. Ich verspeise lustige Erdnüsse und schaue mir die Nachrichten auf FOX an – immerhin muss man auf dem Laufenden bleiben.
19.00 Uhr Zur besten Sendezeit schalte ich mich durch die Satellitenprogramme und bleibe auf AMC hängen, wo just im Moment der Spielfilm “Pirates” (auf deutsch: Piraten) anläuft. Ich lehne mich zufrieden zurück und tauche in die Welt des einbeinigen Piratenkapitäns Red ein, der vier Jahre auf einer einsamen Insel verbracht hat.
21.00 Uhr Nach zwei Stunden flimmert der Abspann über die Mattscheibe. Ich drücke erheitert auf den OFF (löblich: AUS) Knopf der Fernbedienung und lösche das Licht. Zu guter Letzt rufe ich Dixon ins Haus und falle übermüdet ins Bett.