29. Dezember 2017 – Kracher, Leuchtfontänen und Römische Lichter

08.00 Uhr Ich werde durch den Gassenhauer “Hotel California” geweckt und komme zu dem Schluss, dass diese Komposition Mitte der 1970er Jahre von den “Eagles” (löblich: Adler) zu einem Welterfolg gemacht wurde. Während der Sänger den Verfall der amerikanischen Ideale anprangert, hüpfe ich aus dem Bett und läute den schwülwarmen Morgen mit dem Frühsport auf der Terrasse ein. Da ich längst nicht zum alten Eisen zähle, rudere ich beherzt mit den Armen und vergesse auch nicht, ein Rad zu schlagen – da kommt besonders grosse Freude auf.

08.30 Uhr Im Anschluss lasse ich die Seele bei einem Wirbelbad baumeln und nutze die Ruhe, um im Ferienhaus meiner Familie anzurufen. Zu meiner Freude meldet sich David im Rohr und erinnert, dass ich ihm versprochen habe, Silvesterknaller einzukaufen. Ich nicke eifrig und entgegne, dass wir nach der wichtigsten Mahlzeit des Tages zum WAL MART krusen und ein kleines Vermögen in Pyrotechnik investieren werden. Der Jungspund juchzt laut und kann es kaum noch erwarten, mich zur besagten Markthalle zu begleiten.
09.30 Uhr Nachdem ich mich angekleidet habe, klatsche ich in die Hände und lasse Dixon wissen, dass wir das Frühstück im Kreise meiner Liebsten einnehmen werden. Der Rüde lässt sich nicht zweimal bitten und rennt wie von Sinnen zum Auto. Dummerweise treffe ich vor der kleinen Villa auf Frau Pontecorvo und Blanche und erfahre, dass die Weiber ins Zentrum fahren wollen. Darüber hinaus bringt die unterbelichtete Freundin meiner Nachbarin ein gemeinsames Mittagessen zur Sprache und meint, dass wir uns in einem angesagten Sushi Gasthaus treffen sollten. Ich komme aus dem Lachen gar nicht mehr heraus und hüpfe schnell in den PS-strotzenden SUV.
10.15 Uhr Kurz nach dem Zehnuhrläuten komme ich vor dem Urlaubsdomizil zum Stehen. Natürlich werde ich von meinen Verwandten herzlich begrüsst und mit brühfrischem Bohnentrunk versorgt. Ich nippe zufrieden am Kaffeehaferl und freue mich, als meine Schwägerin auch noch Rühreier und lustige Bratwürste auffährt.
10.45 Uhr Als die Dame des Hauses eine weitere Portion serviert, erfahre ich von Amanda, dass es sich hierbei gar nicht um echtes Fleisch, sondern um ein Sojaprodukt handelt. Ich mache grosse Augen und bringe weiter heraus, dass James Ehefrau immer noch Vegetarierin ist und sich standhaft weigert, tierische Erzeugnisse zu fressen.


Amanda isst kein Fleisch – wie lächerlich

11.30 Uhr Nachdem ich aufgegessen und mir den Mund an einer Serviette abgewischt habe, spähe ich auf die wertvolle ROLEX und rufe meine Tischnachbarn auf, endlich in die Gänge zu kommen. Leider erteilt mir James eine Absage und kündigt an, dass er gleich mit den Frauen zum Wochenmarkt krusen und Einkäufe tätigen wird. Auch Georg hat wenig Lust, uns zum Supermarkt zu begleiten und steckt sich lieber am Schwimmbecken eine dicke Zigarre an. Trotz alledem lasse ich mir die gute Laune nicht verderben und ziehe es vor, in Davids und Dixons Gesellschaft zum WAL MART Supercenter am Tamiami Trail North zu rasen. Während der kurzweiligen Reise erfreuen wir uns am Radioprogramm von WCKT CAT COUNTRY (löblich: Katze Land) und haben sogar das Vergnügen, ein stimmungsvolles Garth Brooks Lied zu hören – wie aufregend.
12.15 Uhr Pünktlich zur Mittagszeit betreten wir den Gemischtwarenladen und registrieren, dass heute besonders viele Kunden zugegen sind. Ruckzuck mache ich einem Senior (95) einen Einkaufswagen streitig und erkläre David, dass man sich in der heutigen Zeit mit ausgefahrenem Ellenbogen durchs Leben schlagen muss.


Wir schoppen bei WalMart ab

12.45 Uhr Mein Grossneffe nölt in einer Tour und zögert nicht, den Verkaufsbereich im hinteren Teil des Flachbaus anzusteuern. Alsbald stehen vor dem Regal mit den Silvesterartikeln und machen es uns zur Aufgabe, Kracher, Leuchtfontänen, Römische Lichter, Feuervulkane sowie Tischbomben in den klapprigen Wagen zu laden.
13.45 Uhr Zu guter Letzt verfrachten wir farbenfrohe Girlanden, aufblasbare Luftballons sowie Bleigiessutensilien zu den Waren und ringen uns auch noch dazu durch, Softdrinks (löblich: Weichgetränke) für die anstehende Silvestersause zu besorgen. Danach werden wir an der Kasse vorstellig und ich sehe mich genötigt, knapp 200 Dollars für den Krempel bezahlen zu müssen – wo soll das noch hinführen.
14.30 Uhr Endlich treffen wir im Lowbank Drive ein und finden Georg zeitungslesend am Schwimmbecken vor. Während David die Einkäufe ins Haus schleppt, leiste ich meinen Bruder Gesellschaft und erkundige mich, ob lesenswerte Neuigkeiten in der Lektüre zu finden sind. Der gute Mann zuckt mit den Schultern und erwidert, dass am 7. Januar am Vanderbilt Strand ein Triathlon stattfindet – so ein Schmarrn.


Ich beisse kraftvoll zu

15.15 Uhr Nachdem ich einen Kaffee getrunken und ein reichbelegtes Hartwurstbrot (unlöblich: Salamisandwich) verzehrt habe, lüfte ich meine NY YANKEES Kappe und merke an, dass ich nun nach Hause fahren werde. David bedankt sich noch einmal artig für die Silvesterraketen und kündigt an, sich nun vor die Glotze zu setzen und sich die Langeweile mit einem jugendgefährdenden Videospiel zu vertreiben – gleich platzt mir der Kragen.
16.00 Uhr Völlig übermüdet treffe ich zuhause ein und mache mich daran, dem Vierbeiner gesundes Trockenfutter zu servieren. Anschliessend strecke ich auf dem Kanapee die Beine aus und döse prompt ein.
17.00 Uhr Ich öffne die Augen und erkenne beim Blick auf meine Wanduhr, dass es bereits 5 geschlagen hat. Da das kulinarische Wohl nicht zu kurz kommen darf, schlendere ich in die Küche und koche italienische Langnudeln (unlöblich: Spaghetti) im heissen Wasser auf. Dazu zaubere ich eine Pesto Sauce aus dem Glas – wie gut das duftet.


Ein gutes neues Jahr …

18.00 Uhr Zum Abschluss des langen Tages reguliere ich die Klimaanlage und fröne den Nachrichten auf FOX. Um stets auf dem Laufenden zu bleiben, informiere ich mich aus erster Hand und vernehme, dass just heute vor 127 Jahren das blutige Massaker von “Wounded Knee” stattfand. Ich öffne eine Budweiserflasche und lerne weiter, dass amerikanische Soldaten damals mehr als 350 Indianer vom Stamm der Lakota ermordet haben – wie furchtbar.
19.00 Uhr Um auf andere Gedanken zu kommen, wechsle ich auf den Bezahlsender HBO, um mir den preisgekrönten Kriminalfilm “Sicario” anzuschauen – da kommt Spannung auf.
21.00 Uhr Nach zwei nervenaufreibenden Stunden beende ich den Fernsehabend. Zu guter Letzt trinke ich mein Bier aus und lösche sämtliche Lichter. Gute Nacht.