21. Dezember 2015 – David zu Gast im Willoughby Drive

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07.45 Uhr Weil David die Nacht in der kleinen Villa verbracht hat, stehe ich heute etwas früher auf. Auf spitzen Zehen schleiche ich zum Gästezimmer und öffne die Pforte, um meinen Grossneffen im Tiefschlaf anzutreffen. Da es noch nicht einmal 8 Uhr geschlagen hat, ziehe ich die Türe zu und fasse den Entschluss, mich zu duschen.
08.30 Uhr Nach dem Badespass scheuche ich Hund Dixon in die Küche und mache es mir zur Aufgabe, tiefgefrorenes Kartoffelgratin im heissen Fett herauszubraten. Ausserdem zaubere ich im Handumdrehen eine Kanne Kakao und lasse es mir ausserdem nicht nehmen, Rühreier mit köstlichem Virginiaschinken, mehrere Stapel Toast, einen Krug mit Orangensaft sowie vitaminreiche Zimtschnecken auf dem Küchentisch zu platzieren.

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Rührei ist sehr gesund

09.15 Uhr Anschliessend wecke ich David und fordere ihn auf, mir in die Küche zu folgen. Der Zehnjährige kommt dem Aufruf anstandslos nach und staunt angesichts der feinen Speisen nicht schlecht. Anstatt jedoch kraftvoll zuzubeissen, schüttelt der Bube den Kopf und sagt, dass er lieber KELLOGGS Flocken essen möchte.
09.30 Uhr Laut seufzend hole ich eine Packung FROOT LOOPS aus dem Küchenschrank und gebe dem Kleinen zu verstehen, dass er sich noch in der Wachstumsphase befindet und am Morgen eine reichhaltige Mahlzeit zu sich nehmen sollte. Um meiner Aussage Nachdruck zu verleihen, verweise ich auf eine Studie des renommierten Forschungszentrum Kuschmelka (München) und lege anschaulich dar, dass künstliche Geschmacksverstärker, Fette und Glutamate sehr gesund sind.
10.00 Uhr Missmutig mache ich mich über die Mahlzeit her und erinnere David, dass unsere Verwandten den Vormittag ausnutzen wollen, um auf dem Wochenmarkt Lebensmittel einzukaufen. Mein Tischnachbar nickt eifrig und informiert, dass seine Oma am Weihnachtstag ein Festessen plant. Ich schlage in die gleiche Kerbe und gebe zu Protokoll, dass die Meisterköchin einen stattlichen Truthahn auf den Tisch des Hauses bringen wird.

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Meine schicke Küche

10.45 Uhr Redlichst gestärkt, räumen wir den Tisch ab und machen es uns auf der Terrasse bequem. Während David mit dem Haustier spielt, spähe ich nach nebenan und werde Zeuge, wie Frau Pontecorvo das Schlafzimmerfenster öffnet. Selbstverständlich winke ich meiner Nachbarin zu und animiere sie, sich zu uns zu setzen. Die Gute lässt sich nicht zweimal bitten und erkundigt sich bei David, ob er gut geschlafen hat. Mein Grossneffe plappert ohne Unterlass und berichtet, dass er sich gestern Abend auf HBO den spannenden Krimi “True Lies” anschauen durfte. Ich stimme zu und füge an, dass der Streifen äusserst nervenaufreibend war.

11.15 Uhr Just als ich David eine Dose Diät Cola kredenze, wirft mir Frau Pontecorvo skeptische Blicke zu und meint, dass Kinder keine koffeinhaltige Brause trinken sollten – papperlapapp.
12.00 Uhr Pünktlich zum Mittagsläuten fährt der JEEP meines Bruders vor und wir haben das Vergnügen, James, Amanda, Maria und Georg begrüssen zu können. David ist kaum zu bändigen und erzählt, dass der gestrige Abend sehr angenehm war. Ich gebe dem Kleinkind Recht und stelle klar, dass wir eine Familienpizza bei Domino’s bestellt und uns vor dem überdimensionalen Farbfernsehgerät vergnügt haben.

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Auch Pizza ist sehr gesund

12.30 Uhr Um den Gästen etwas Besonderes zu bieten, fahre ich Sandwiches (löblich: belegte Brote) auf und löchere James mit Fragen. Mein löblicher Neffe lässt den gestrigen Ausflug an Floridas Ostküste in allen Einzelheiten Revue passieren und berichtet, dass Miami derzeit von unzähligen Touristen belagert wird. Amanda rollt demonstrativ mit den Augen und setzt mich darüber in Kenntnis, dass es wegen des Andrangs keinen Spass gemacht hat, in der “Dolphin’s Mall” abzuschoppen.
13.30 Uhr Nachdem ich mir den Mund an einer Serviette abgewischt habe, brühe ich echten Bohnentrunk auf und vernehme, dass meine Verwandten am Abend ins Lichtspielhaus gehen wollen. Als ich genauer nachfrage, rückt Maria mit der Wahrheit heraus und unterbreitet, dass vor vier Tagen der neue “Star Wars” (löblich: Krieg der Sterne) Film angelaufen ist. James gibt sich mir als glühender Star Wars Anhänger zu erkennen und meint, dass er die neuen Abenteuer von Han Solo und Luke Skywalker natürlich nicht verpassen darf – welch ein Unsinn.
14.30 Uhr Während des Kaffeekränzchens erfahre ich ausserdem, dass Maria am 24. Dezember Herrn Wang samt Tochter sowie Familie Porello zu einem kleinen Umtrunk eingeladen hat. Ich werde augenblicklich hellhörig und bringe heraus, dass uns Georgs Ehefrau mit gegrilltem Red Snapper (löblich: Roter Schnapper) und Saisongemüse verwöhnen wird – das ist phantastisch.
15.00 Uhr Als der Stundenzeiger meiner ROLEX auf 3 zugeht, erhebt sich Amanda vom Terrassentisch und sagt, dass nun die Zeit gekommen ist, um in den Lowbank Drive zurückzukehren. Ich begleite die lieben Menschen zum Auto und kneife David zum Abschied in die Backe. Ferner verspreche ich, morgen zum Frühstück zu erscheinen.
15.30 Uhr Nachdem endlich Ruhe Einzug gehalten hat, falle ich aufs Kanapee und schliesse die Augen. Bereits nach wenigen Sekunden döse ich ein und träume vom anstehenden Weihnachtsfest im Kreise meiner Liebsten.

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16.30 Uhr Nach der wohlverdienten Pause mache ich mich in der Küche nützlich und koche Schmetterlingsnudeln auf. Dazu gibt es eine feine Tomatensauce sowie einen farbenfrohen Beilagensalat – das schmeckt.
17.30 Uhr Im Anschluss sorge ich in der Küche für Sauberkeit und telefoniere mit Prof. Kuhn. Natürlich erzähle ich dem schlauen Mann von meinen Tageserlebnissen und verrate, dass es kein leichtes Unterfangen war, meinen aufgedrehten Grossneffen zu hüten.
18.15 Uhr Nachdem wir ausgiebig geplaudert haben, rufe ich Dixon ins Haus und schalte die Glotze ein. Ich informiere mich auf FOX über die Geschehnisse in der Welt und bin überrascht, ausnahmsweise keine Schreckensmeldungen aus der arabischen Welt zu hören.
19.00 Uhr Zur besten Sendezeit wechsle ich auf CBS und gebe mich der sehenswerten Komödie “Planes, Traines and Automobiles” (auf deutsch: Ein Ticket für Zwei) aus dem Jahre 1987 hin. Die Erfolgsproduktion erzählt von einem gestressten Angestellten, der das Erntedankfest im Kreise seiner Familie feiern möchte. Dummerweise gerät die penibel geplante Heimreise zu einem heillosen Durcheinander – da kommt Freude auf.
21.00 Uhr Um keine viereckigen Augen zu bekommen, beenden ich den Fernsehabend und lösche die Lichter am Christbaum. Anschliessend reguliere ich die Klimaanlage und lege mich ins Bett. Gute Nacht.