08.00 Uhr Ein neuer Tag beginnt und aus dem Radiowecker dröhnt das Martina McBride Weihnachtslied “Winter Wonderland” (löblich: Winter Wunderland). Ausserdem lerne ich, dass das mittlerweile dritte Weihnachtsalbum der aus Kansas stammenden Ausnahmekünstlerin derzeit Platz 1 der Landmusikhitparaden einnimmt und sämtliche Rekorde bricht – das ist die beste Nachricht des ganzen Tages.
Martina McBride – It’s The Holiday Season
08.30 Uhr Nach den anstrengenden Leibesübungen verabschiede ich mich ins Bad, um mich ordentlich zu waschen. Darüber hinaus telefoniere ich mit Georg und erhalte die Auskunft, dass meine Verwandten gegen 12 Uhr nach Miami krusen und am frühen Nachmittag einen DELTA AIRLINES Stahlvogel besteigen werden. Mein Bruder plappert ohne Unterlass und sagt, dass er mit Maria pünktlich um 10 Uhr in Julies Restaurant sein und sich ein opulentes Frühstück munden lassen wird – das hört man gerne.
09.15 Uhr Voller Vorfreude beende ich die Morgenwäsche und schlüpfe zur Feier des Tages in meinen cremefarbigen Sommeranzug. Dazu trage ich ein violettes Hemd auf und vergesse auch nicht, mit einen hellgrünen Schlips umzubinden – immerhin muss man stets mit der aktuellen Mode gehen.
09.30 Uhr Nachdem ich in die frischaufpolierten Lackschuhe geschlüpft bin, klatsche ich in die Hände und fordere den Vierbeiner auf, mich zum Chevrolet zu begleiten. Der Rüde folgt mir aufs Wort und kann es kaum noch erwarten, im Frühstücksgasthaus unseres Vertrauens einzutreffen
10.15 Uhr Mit einigen Minuten Verspätung erreiche ich mein Ziel und treffe meine Verwandten an unserem Stammtisch am Fenster an. Maria macht grosse Augen und lotet aus, ob ich farbenblind bin. Die Perle deutet auf mein schönes Hemd und beteuert, dass ich mich in diesem lächerlichen Aufzug jederzeit einem Wanderzirkus anschliessen könnte – gleich platzt mir der Kragen.
11.00 Uhr Trotz aller Widrigkeiten lasse ich mir die wichtigste Mahlzeit des Tages in vollen Zügen munden und bringe auf Anfrage heraus, dass die lieben Menschen alsbald nach Miami krusen werden. Georg seufzt laut und wirft ein, dass es kein Vergnügen werden wird, die kommenden drei Wochen im kalten Toronto zu verbringen. Ich nicke eifrig und entgegne, dass wir uns Gott sei Dank bald wiedersehen werden.
In Toronto ist es kalt
12.00 Uhr Nachdem Georg die Rechnung beglichen hat, schütteln wir Hände und kommen überein, dass wir heute Abend telefonieren sollten. Im Anschluss begleite ich meine Verwandten zum JEEP und wünsche ihnen eine sichere Reise. Winkend nehme ich den Rüden an die Leine und nutze die Gelegenheit, um einen kleinen Spaziergang zu unternehmen. Nebenher werfe ich prüfende Blicke in die weihnachtlich ausstaffierten Schaufenster und bemerke, dass ich langsam in die Gänge kommen und Präsente für das Fest einkaufen sollte – wie schrecklich.
13.00 Uhr Um keine Hitzeschlag zu bekommen, hüpfe ich ins Auto und schicke mich an, die Heimreise in den Willoughby Drive anzutreten. Unterdessen drehe ich am Frequenzrad des Radios und lausche handgemachten Landmusikschlägen (unlöblich: Country Hits) angesagter Interpreten – was kann es schöneres geben.
13.45 Uhr Zuhause angekommen, versorge ich den Vierbeiner mit frischem Wasser und falle dann aufs Kanapee. Bereits nach wenigen Augenblicken döse ich ein und träume vom letztjährigen Weihnachtsfest in Kanada.
14.45 Uhr Ich erwache ausgeruht und fülle meine Hahn und Henne Tasse mit Bohnentrunk auf. Zudem setze ich mich an den Schreibtisch und ärgere mich, weil der leistungsstarke Heimrechner wieder einmal eine Aktualisierungsdatei einspielen muss. Ich rolle demonstrativ mit den Augen und hole mir ein süffiges Budweiser aus dem Eiskasten – das tut gut.
15.45 Uhr Fünfundvierzig Minuten später kehre ich an den Schreibtisch zurück und mache es mir zur Aufgabe, der Anschnurseelsorge nachzukommen. Unter anderem lese ich eine elektronische Depesche eines arbeitslosen Albaners (18), der vor wenigen Tagen seine Führerscheinprüfung bestanden hat. Herr Enver gibt sich deprimiert und möchte wissen, ob er sich nun einen BMW der 3er Reihe oder gleich einem Mercedes kaufen soll. Ich fahre mir entnervt durchs Haar und drücke die Nachricht schnell weg – wo soll das noch alles hinführen.
16.45 Uhr Nun wird es aber Zeit, eine Tiefkühlpizza ins Backrohr zu schieben und für ein prima Abendessen zu sorgen. Ferner schneide ich eine Tomate auf und zaubere im Handumdrehen einen bunten Beilagensalat.
17.30 Uhr Zum Abschluss des langen Tages telefoniere ich mit dem Professor und vernehme, dass er heute einen Frisörsalon aufgesucht hat. Ich freue mich sehr und lasse meinen Bekannten wissen, dass ich mir vor Weihnachten auch die Haare schneiden lassen sollte.
18.00 Uhr Endlich kann ich es mir in der klimatisierten Stube bequem machen und den FOX Abendnachrichten frönen. Der Moderator berichtet von den aktuellen Geschehnissen in der Welt und meldet, dass der weltgrösste Kreuzfahrtdampfer in seiner Heimatwerft in Port Hollywood, FL eingetroffen sind. Ich reibe mir die Augen und lerne, dass das Luxusschiff ab Dezember Touristen aus aller Welt durch die Karibik schippern wird – wie unlöblich.
19.00 Uhr Um etwas Abwechslung zu bekommen, nehme ich mit dem NETFLIX Angebot Vorlieb und gebe mich der Serieneigenproduktion “The Kominsky Method” (löblich: Die Kominsky Methode) hin. Mit Vergnügen folge ich dem Abenteuern des Schauspielers Sandy und dessen langjährigen Agenten Norman, die gemeinsam versuchen, im von Jugendwahn dominierten Los Angeles zu überleben – da kommt Freude auf.
21.00 Uhr Nach zwei heiteren Stunden schalte ich die Glotz ab und unternehme mit Dixon einen Spaziergang durch den Garten. Danach verriegle ich die Haustüre und lege mich ins Bett. Gute Nacht.