08.00 Uhr Die 43. Woche bricht an und ich erinnere mich, dass in der kommenden Woche Allerheiligen gefeiert wird. Ich seufze laut und nehme mir das Recht heraus, zum Telefon zu greifen und bei meiner Mieterin anzurufen. Als sich das Kind nach dem dritten Tuten meldet, gebe ich ihr zu verstehen, dass es im Laufe der Woche zum Friedhof krusen und das Grab meiner Eltern auf Vordermann bringen muss. Ferner gebe ich zu Protokoll, dass es sich anbieten würde, farbenfrohe Chrysanthemen und Hornfeilchen zu pflanzen. Anstatt sich Notizen zu machen, nölt Sandra plötzlich los und meint, dass sie ganz bestimmt nicht der Depp vom Dienst ist. Darüber hinaus legt mir die Maid nahe, bei der Gärtnerei Mooser anzurufen – gleich platzt mir der Kragen.
Bald ist Allerheiligen
08.30 Uhr Nachdem ich den Frühsport absolviert habe, kehre ich in die klimatisierte Stube zurück und mache es mir zur Aufgabe, im Internetz nach der Telefonnummer der Gärtnerei zu suchen. Alsbald werde ich fündig und rufe erneut in der alten Heimat an. Prompt habe ich den Geschäftsinhaber am Rohr und lasse ihn wissen, dass es mir leider nicht möglich ist, das Familiengrab zu pflegen. Der Heini nimmt sich meinen Problemen an und verspricht, für 300 Euros eine neue Bepflanzung anzulegen – dieses Angebot kann ich unmöglich ausschlagen.
09.00 Uhr Schlussendlich überweise ich den Obolus auf Herrn Moosers Konto und ziehe mich in die Nasszelle zurück. Während ich mich ordentlich wasche und rasiere, fällt mir ein, dass in der nächsten Woche auch das unlöbliche Halloweenfest ansteht – das kann ja heiter werden.
10.00 Uhr Nachdenklich steige ich aus der Wanne und bin überrascht, Frau Pontecorvo vor meinem Zuhause anzutreffen. Meine Nachbarin präsentiert sich in einem schicken Kleid und plappert, dass das “Village on Venetian Bay” Einkaufszentrum derzeit mit sagenhaften Rabatten lockt. Die Frau reibt sich die Hände und sagt, dass sie sich nicht lumpen lassen und neue Schuhe kaufen wird. Weil ich nichts besseres zu tun habe, fasse ich den Entschluss, kurzerhand mitzukommen.
10.30 Uhr Nach einem kleinen Frühstück lotse ich meine Nachbarin und Hund Dixon zum Chevrolet und merke an, dass wir nach dem Schoppingvergnügen in der “Bayside” Wirtschaft zu Mittag essen könnten – wie aufregend.
Mein lustiges Haustier
11.15 Uhr Beschwingt durch stimmungsvolle Clint Black Musik erreichen wir unser Ziel und parken das Auto auf dem Kundenparkplatz. Danach schlendern wir mit dem Vierbeiner im Schlepptau an den Geschäften vorbei und suchen als erstes “Pratt’s Shoe Salon” auf, um modische Strand- sowie Stöckelschuhe in Augenschein zu nehmen. Ferner nimmt meine Begleiterin auch die feilgebotenen Umhängetaschen ins Visier und beteuert, dass es ein Traum wäre, eine “Dooney & Bourke” Tasche zu besitzen. Ich spähe spornstreichs auf das Preisetikett und lese, dass das gute Stück knapp 700 Dollars kosten soll – gleich platzt mir der Kragen.
12.00 Uhr Pünktlich zur Mittagszeit finden wir uns im gutbesuchten “Bayside” Restaurant wieder und ordern bei einem hochnäsigen Kellner gesunde Porterhouse Steaks mit Folienkartoffeln und Saisongemüse. Während ich kraftvoll zubeisse, berichte ich vom anstehenden Besuch meiner Familie und erwähne, dass auch mein Grosscousin Robert im November nach Florida kommen wird – das wird eine Gaudi.
13.00 Uhr Nach der Jause spazieren wir weiter durch das Kaufhaus und bemerken, dass von sensationellen Rabatten kaum die Rede sein kann. Trotz alledem streben wir als nächstes in “Sperrys Boutique” und geben uns der aktuellen Herbstmode hin. Frau Pontecorvo bekommt prompt grosse Augen und probiert ein Paar “Cole Haan” Stöckelschuhe an. Obgleich ich der Perle rate, zu flachen Turnschuhen zu greifen, lässt sie sich nicht beirren und flitzt mit gezückter Meisterkarte (unlöblich: Master Card) zur Kasse – wo soll das noch hinführen.
Ich sage nein zu Bezahlkarten
14.00 Uhr Eine Stunde später kehren wir zum Parkplatz zurück und helfen Dixon auf die Ladefläche des SUVs. Während der Heimreise lauschen wir dem Qualitätsprogramm von WCKT CAT COUNTRY (löblich: Katze Land) und kommen überein, dass wir Morgen gemeinsam frühstücken sollten.
14.45 Uhr Nachdem ich meine Nachbarin per Handkuss verabschiedet habe, stosse ich die Haustüre auf und falle erschöpft aufs Kanapee. Der Rüde macht es sich währenddessen neben der Klimaanlage bequem und quietscht ausgelassen mit einem Spielzeug – gleich platzt mir der Kragen.
15.45 Uhr Ich erwache ausgeruht und werde beim Blick aus dem Fenster auf die vorlauten Nachbarskinder Emily und Francis aufmerksam. Natürlich beobachte ich die Dreikäsehochs argwöhnisch und sehe, wie sie dem künstlich angelegten Teich zu nahe kommen. Um schlimmeres Unheil abzuwenden, laufe ich geschwind nach draussen und erinnere, dass im Tümpel die handzahme Echse Billy lebt. Francis legt den Zeigefinger an die Unterlippe und zieht es vor, mit seiner Schwester ins Nachbarhaus zurückzukehren.
16.15 Uhr Erleichtert rufe ich nach Dixon und breche zu einem Spaziergang durch das Wohngebiet auf. Unter anderem passiere ich auch das Zuhause der ehemaligen Olympiateilnehmerin Frau Crane und stelle wohlwollend fest, dass die netten Leute ihre Fassade neu gestrichen haben – wie schön.
Mein Zuhause unter Palmen
17.00 Uhr Zurück in der kleinen Villa, mache ich mich in der Küche nützlich und schwenke köstliches Grillfleisch in einer Pfanne. Ausserdem backe ich Kartoffelspalten im Ofen auf und vergesse auch nicht, Dixons Napf mit gesundem Trockenfutter und etwas Schinken aufzufüllen.
18.00 Uhr Nachdem ich mir den Mund an einer Serviette abgewischt habe, lege ich im Wohnzimmer die Beine hoch. Wie es sich gehört, folge ich den FOX Nachrichten und mache mich über die Geschehnisse in der Welt schlau.
19.00 Uhr Zur Hauptfernsehzeit wechsle ich auf NETFLIX und erfreue mich am Serienspiel “Stranger Things” (löblich: Seltsame Dinge). Währenddessen erfahre ich, dass in der kommenden Woche die zweite Staffel dieses Fernseherfolgs ausgestrahlt werden wird – das wird spannend.
21.00 Uhr Nach zwei Episoden schalte ich den neumodernen Farbfernseher ab und ziehe mich gähnend ins Schlafzimmer zurück. Gute Nacht.