30. November 2016 – Seit 1977 hat es nicht mehr geschneit

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08.00 Uhr Der letzte Tag des Wind- und Wintermonats November bricht an und ich fühle mich blendend. Wie es sich gehört, ziehe ich die Vorhänge beiseite und stelle wohlwollend fest, dass von Winter keine Rede sein kann. Ich reibe mir die Hände und kläre Hund Dixon über die Tatsache auf, dass es in Südwestflorida zum letzten Mal im Januar 1977 geschneit hat. Zudem verweise ich auf meine unterbelichtete Mieterin und mutmasse, dass Sandra wegen der unerträglichen Kälte in Bayern aus dem Schlottern gar nicht mehr herauskommt – wie lustig.
08.30 Uhr Nachdem ich bei angenehmen 68°F (20°C) die Morgengymnastik absolviert habe, nehme ich die DeLonghi Kaffeemaschine in Betrieb und werde beim Blick aus dem Fenster Zeuge, wie Frau Gomez verrosteter Kleinwagen vor meinem Zuhause zum Stehen kommt. Wenig später stösst die Reinigungsfachfrau die Haustüre auf und plappert davon, dass sie schon heute die kleine Villa auf Vordermann bringen muss. Als ich genauer nachfrage, erzählt die kleine Frau, dass sie morgen einen Arzttermin wahrnehmen muss – das soll mir auch Recht sein.

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Mein Zuhause unter Palmen

08.45 Uhr Während die Dame mit dem Staubwedel hantiert, verabschiede ich mich in die Nasszelle und entspanne mich bei einem Wirbelbad. Zudem telefoniere ich mit dem Professor und schlage vor, dass wir uns gleich im PUBLIX Supermarkt zum Schoppen treffen könnten. Leider windet sich mein Bekannter aus der Verantwortung und meint, dass er neue Schuhe benötigt und einschlägige Fachgeschäfte im Zentrum aufsuchen möchte – wie schade.
09.45 Uhr Kurz vor dem Zehnuhrläuten werfe ich mich in Schale und mache es mir zur Aufgabe, köstliche Rühreier mit Speck zuzubereiten. Nebenbei tratsche ich mit Frau Gomez und erfahre, dass ich nicht nur Waschpulver, sondern auch Regeneriersalz für die Geschirrspülmaschine besorgen muss – wie unlöblich.
10.30 Uhr Nach der wichtigsten Mahlzeit des Tages statte ich Frau Pontecorvo einen Besuch ab und ermutige meine Nachbarin, mich zum Supermarkt zu begleiten. Die Alte nickt eifrig und sagt, dass sie französischen Schaumwein kaufen muss. Ich lecke mir die Lippen und gebe zu Protokoll, dass wir anschliessend ins “New York Pizza & Pasta” Gasthaus einkehren und uns stärken könnten – da kommt besonders grosse Freude auf.
11.00 Uhr Wenig später sitzen wir im geräumigen Chevrolet Suburban und gleiten auf der Airport Pulling Road gen Süden. Bei dieser Gelegenheit kommt Frau Pontecorvo auf Weihnachten zu sprechen und meint, dass sie das Fest bei ihrer Freundin Blanche in Jacksonville feiern wird. Ich freue mich und entgegne, dass ich gestern bei Macy’s lustige Weihnachtspullover für die Kinder gekauft habe.
11.30 Uhr Endlich sind wir am Ziel und können einem tattrigen Rentner (90) mit Halbglatze einen Einkaufswagen streitig machen. Anschliessend laufen wir durch die breiten Gänge und laden allerhand Waren des täglichen Bedarfs ein. Meine Begleiterin lässt sich am Alkoholregal besonders viel Zeit und ringt sich nach langem Zögern dazu durch, vier Flaschen Kerbel Champagner zu den anderen Lebensmitteln zu legen – wie schön.

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Schaumwein ist sehr gesund

12.15 Uhr Nachdem wir der Mitarbeiterin an Kassen Nummer 7 knapp 120 Dollars überlassen haben, kehren wir zum Auto zurück, um schnurstracks zum Italiengasthaus unsers Vertrauens weiterzufahren. Weil Dixon unentwegt fiept, wirke ich beruhigend auf den Rüden ein und verspreche ihm, dass er auch mit einer Brotzeit rechnen kann.
12.45 Uhr Hungrig und durstig betreten wir die Wirtschaft und sind überrascht, die einzigen Gäste zu sein. Trotzdem begrüsst uns die Inhaberin herzlich und weist uns einen Tisch mit Ausblick auf das Riverchase Plaza Schoppingparadies zu. Ferner werfen wir prüfende Blicke in die Tageskarten und ordern hausgemachte Linguine mit Pesto alla Genovese. Dazu gibt es einen Schoppen Rotwein – schmeckt gar nicht schlecht.
13.30 Uhr Da ich heute die Spendierhosen angezogen habe, zücke ich nach der Mahlzeit meine prall gefüllte Geldbörse und lasse es mir nicht nehmen, Frau Pontecorvo zu Speis und Trank einzuladen. Die Wirtin präsentiert prompt die Rechnung und ich zeige mich mit einem stattlichen Trinkgeld erkenntlich

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Ich gebe ein stattliches Trinkgeld

14.15 Uhr Endlich bin ich wieder zuhause und kann die Lebensmittel in den Eiskasten räumen. Während sich Dixon im Garten tummelt, stelle ich ausserdem das Waschpulver neben die Waschmaschine und vergesse auch nicht, etwas Salz in die Spülmaschine zu schütten.
15.00 Uhr Nach getaner Arbeit bette ich mich auf dem Sofa zur Ruhe und schliesse die Augen. Bereits nach wenigen Sekunden döse ich ein und träume von einem besinnlichen Weihnachtsfest im fernen Kanada.
16.00 Uhr Ich erwache ausgeschlafen und nehme am Schreibtisch platz, um Hilferufe besorgter Erziehungsberechtigter abzurufen. Natürlich quillt der elektronische Postkasten wieder einmal über und ich sehe mich gezwungen, verzweifelten Heimseitenbesuchern bei schwerwiegenden Problemen zur Seite zu stehen.
16.30 Uhr Just als ich die Depesche eines 61jährigen Frührentners überfliege, kommt Hund Dixon von seinem Ausflug an den Teich zurück. Ich mache grosse Augen und ärgere mich, weil der Vierbeiner seine Pfoten im kühlen Nass gebadet hat. Da mir Hygiene sehr am Herzen liegt, hole ich sogleich den Wischmopp aus der Abstellkammer und sorge im Handumdrehen für einen sauberen Fussboden – gleich platzt mir der Kragen.

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Sauberkeit und Hygiene sind mir sehr wichtig

17.00 Uhr Nachdem ich die Anschnurseelsorge erledigt habe, bereite ich das Abendessen vor. Fachmännisch schwenke ich gesunde Butter in einer Pfanne und lasse Dixon wissen, dass wir uns ein vitaminreiches T-Bone Steak (löblich: T Knochen Schnitzel) mit Buttergemüse schmecken lassen werde.
18.30 Uhr Nach dem Abendessen mache ich es mir im Wohnzimmer bequem und fröne in Gesellschaft des Haustieres den Nachrichten auf FOX. Unter anderem lerne ich, dass heute vor 20 Jahren der Schauspieler Gary Grant an den Folgen eines Schlaganfalls gestorben ist.

19.00 Uhr Zur Hauptsendezeit nehme ich mit dem Amazon Angebot Vorlieb und schaue mir den Krimi “North by Northwest” (auf deutsch: Der unsichtbare Dritte) an. Wie jeder Filmliebhaber weiss, brilliert in diesem Klassiker Gary Grant in der Rolle eines New Yorker Werbefachmanns, der es mit schwerbewaffneten Ganoven zu tun bekommt.
21.00 Uhr Als die preisgekrönte Hollywoodproduktion nach zwei Stunden zu Ende geht, unternehme ich mit Dixon einen kleinen Rundgang durch den Garten. Danach lösche ich das Licht und gehe müde zu Bett. Gute Nacht.