22. Dezember 2014 – Im Aufnahmestudio

pfaffenbergkl

08.45 Uhr Ich öffne die Augen und friere wie ein Schneider. Auch Dixon schlottert vor Kälte und zögert nicht, ins warme Bett zu hüpfen. Erst nach wenigen Augenblicken fällt mir wieder ein, dass ich mich seit zwei Tagen im verschneiten Kanada aufhalte – das ist ja allerhand.

kanada
Hurra – ich bin in Kanada

09.15 Uhr Nachdem ich die Morgengymnastik absolviert habe, laufe ich nach unten und freue mich, Haushälterin Grace und meine Schwägerin in der Küche anzutreffen. Maria späht auf ihre Armbanduhr und möchte wissen, ob ich jeden Tag so spät aufstehe. Natürlich schüttle ich den Kopf und entgegne, dass ich mich in Florida gewöhnlich um halb Sechs aus dem Wasserbett rolle. Um weiteren Diskussionen aus dem Weg zu gehen, nehme ich am Küchentisch platz und erkundige mich nach Georg und Edelbert. Meine Verwandte giesst brühfrischen Kaffee in meine Tasse und sagt, dass die Beiden in die Stadt gekrust sind, um eine Lichterkette für den Christbaum zu kaufen. Ferner bittet mich Maria, nach der Mahlzeit David (9) vom Schwimmbad abzuholen und ihn anschliessend zu seinem Vater ins “Orange Lounge” Aufnahmestudio zu bringen. Als ich grosse Augen mache, händigt mir die Perle einen Zettel aus und beteuert, dass sie mir die Adressen notiert hat.
09.45 Uhr Während ich in ein Honigbrot beisse, nörgelt Maria ohne Unterlass und setzt mich darüber in Kenntnis, dass sie zur Weihnachtszeit besonders viel Arbeit hat. Ich schiebe mir ein Vanillekipferl in den Mund und antworte, dass ich die “staade Zeit” nicht missen möchte. Die kleine Frau seufzt laut und meint, dass ich langsam losfahren sollte. Ich nicke eifrig und nehme freudestrahlend den Schlüssel für den GRAND CHEROKEE entgegen. Danach streichle ich dem Vierbeiner über den Kopf und animiere ihn, während meiner Abwesenheit brav zu sein.
10.30 Uhr Wenig später sitze ich im JEEP und lese auf dem Zettel, dass ich als erstes zum “Alderwood Pool” am Orianna Drive krusen muss. Fachmännisch gebe ich die Adresse ins Navigationssystem ein und bringe heraus, dass das Schwimmbad 30 Kilometer entfernt liegt. Weil Davids Schwimmunterricht in einer Stunde endet, trete ich das Gaspedal bis zum Anschlag durch und fröne prima Weihnachtsmusik auf Kanal “KX96 New Country FM”.

schwarzbeere
Meine Schwarzbeere

11.00 Uhr Da ich wegen des Schneetreibens nur langsam vorankomme, zücke ich die Schwarzbeere (unlöblich: Blackberry) und telefoniere mit Frau Pontecorvo. Unter anderem bestätigt meine Nachbarin, dass sie am Samstag Abend sicher in Jacksonville angekommen ist und sich dort sehr wohl fühlt – wie beruhigend.
11.30 Uhr Dreissig Minuten später erreiche ich mein Ziel und stelle das Auto vor dem Schwimmbadeingang ab. Um nicht noch mehr Zeit zu vertrödeln, eile ich in den Flachbau und halte nach David Ausschau. Nach wenigen Augenblicken treffe ich den Dreikäsehoch am Süssigkeitenautomat an und begrüsse ihn herzlich. Der Neunjährige strahlt wie ein Honigkuchenpferd und plappert, dass wir nun seinem Vater einen Besuch abstatten werden – jaja.
12.00 Uhr Nachdem ich David im Kindersitz festgegurtet habe, lasse ich den Motor aufheulen und presche mit quietschenden Pneus von dannen. David versorgt mich währenddessen mit Infos und meint, dass seine Mutter am Morgen nach Gilford Beach gefahren ist, um das Ferienhaus zu putzen. Ich schlage in die gleiche Kerbe und antworte, dass wir am Montag zum Lake Simcoe reisen werden – wie aufregend.
13.00 Uhr Endlich erblicke ich am Strassenrand ein Hinweisschild mit “ORANGE LOUNGE” Aufschrift. David klatscht in seine Hände und erzählt, dass sein Vater bald eine neue Kompaktscheibe veröffentlichen wird. Ich hieve den Buben aus dem Sitz und mache es mir zur Aufgabe, die Klingel am Eingang zu betätigen. Schon bald öffnet sich die Pforte und ein Handlanger führt uns zum Aufnahmestudio 7, wo wir nicht nur James, sondern auch Herrn Sam Dietz antreffen. Ich reiche den jungen Männern die Hand und gebe zu Protokoll, dass mein knurrender Magen nach einer Jause verlangt. Mein Neffe gibt mir Recht und lotst mich in den studioeigenen Aufenthaltsraum.

sandwich
Ich lasse mir etliche Wurstbrote schmecken

13.30 Uhr Wir lassen uns hungrig an einem Tisch nieder und verzehren Wurstbrote vom Büfett. Nebenher gewähren mir die Musikanten Einblick in ihre Arbeit und behaupten, dass sie mittlerweile 16 Lieder für das neue NORTHSTAR Studioalbum aufgenommen haben. Herr Dietz schnalzt mit der Zunge und unterbreitet, dass er das Rohmaterial Ende Januar zur THROB Plattenfirma nach New York bringen wird – da kommt besonders grosse Freude auf.
14.15 Uhr Nach dem Brotzeit kehren wir redlichst gestärkt ins Tonstudio zurück und führen uns einige Kompositionen zu Gemüte. Mein löblicher Neffe betätigt Knöpfe auf dem überdimensionalen Mischpult und präsentiert ein Lied mit dem Titel “Wrong Number” (löblich: Falsche Nummer). Ich wippe mit dem Fuss und registriere, dass die Melodie sofort ins Ohr geht. Auch David ist sichtlich angetan und nimmt am Schlagzeug platz, um mit voller Wucht auf das Becken zu dreschen – gleich platzt mir das Trommelfell.
15.00 Uhr Als der Stundenzeiger meiner wertvollen ROLEX auf 3 zugeht, stösst Amanda die Türe auf. James Ehefrau wischt sich demonstrativ über die Stirn und sagt, dass sie während der Vormittagsstunden das Ferienhaus geputzt und ausserdem Lebensmittel in Lake Gilford besorgt hat. Ferner schenkt mir die Maid ein Lächeln und meint, dass ich von der neuen Sauna begeistert sein werde – das hört man gerne.
15.30 Uhr Nun wird es aber langsam Zeit, nach Hause zu fahren. Ich wünsche James viel Erfolg und gebe das Versprechen ab, dass wir uns Morgen wiedersehen werden. Anschliessend folge ich Amanda und David nach draussen und hüpfe winkend in den JEEP.

georghaus3
Das Haus meines Bruders im Stadtteil York

16.30 Uhr Zurück im Stadthaus, leiste ich meiner Familie und Prof. Kuhn in der guten Stube Gesellschaft. Während ein Feuer im Kamin knistert, lasse ich meinen Ausflug Revue passieren und merke an, dass es mir Freude bereitet hat, James im Studio zu besuchen. Ich nippe genüsslich an der Teetasse und unke, dass dem Buben mit dem neuen Album ein grosser Wurf gelungen ist. Mein Bruder gibt mir Recht und sagt, dass sein Sohn im kommenden Jahr womöglich einen Grammy gewinnen wird – das wäre ein Spass.
17.15 Uhr Kurze Zeit später ruft uns Maria ins Esszimmer und verwöhnt uns mit vitaminreichen Schnitzeln. Dazu gibt es lustige Bandnudeln sowie einen süffigen Portwein aus Chile – schmeckt gar nicht schlecht.
18.00 Uhr Während Dixon im Garten spielt, helfe ich Maria beim Abwasch und erwähne, dass ich mich vor Müdigkeit kaum noch auf den Beinen halten kann. Meine Schwägerin winkt prompt ab und erwidert, dass Georg gerade eine Früchtebowle ansetzt und einen Filmabend plant – das kann ja heiter werden.

19.00 Uhr Nach der Hausarbeit versammeln wir uns im Wohnzimmer und beschliessen den langen Tag bei einem schönen Film. Mein Bruder verfrachtet eine DVD ins Abspielgerät und kündigt an, dass wir uns die kanadische Produktion “The Young and Prodigious T.S. Spivet” anschauen werden. Darüber hinaus überreicht mir Georg ein Glas Bowle und plappert, dass der Streifen aus dem Leben eines 12jährigen Jungen erzählt – wie schön.
21.00 Uhr Nach zweistündiger Spitzenunterhaltung streichle ich Hund Dixon über den Kopf und ziehe es vor, mich ins Gästezimmer zu verabschieden. Maria wünscht mir süsse Träume und sagt, dass wir morgen zum “Distillery District” krusen und einen Braten für das Weihnachtsessen einkaufen müssen – das werden wir erst noch sehen.
21.30 Uhr Zu guter Letzt schlüpfe ich in den Frotteeschlafanzug und falle gähnend ins Bett. Gute Nacht.