21. August 2013 – 270 Dollars für Tschienshosen und Schuhe

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07.45 Uhr Der Radiowecker springt an und ich habe das Titellied des aktuellen George Strait Studioalbums im Ohr. Während der 61jährige “Love Is Everything” (löblich: Liebe ist alles) trällert, stehe ich auf und eile ruckzuck auf die Terrasse. Zu allem Überfluss stellt sich mir Sandra in den Weg und präsentiert vier Eintrittskarten für das “Hippiefest” in Clearwater, FL. Das Kind ist ganz aus dem Häuschen und behauptet, dass wir am Samstag Ten Years After, Canned Heat, Rick Derringer, Edgar Winter und Pat Travers zujubeln werden. Ich gebe mich skeptisch und unke, dass uns die langhaarigen Konzertbesucher ausrauben und verprügeln werden.

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Das Hippiefest in Clearwater, FL

08.30 Uhr Just als Frau Gomez die Haustüre aufstösst, mache ich kehrt und verschwinde im Badezimmer. Ich nehme ein löbliches Wirbelbad und informiere mich über die besagten Künstler, die in drei Tagen auf dem Hippiefest auftreten werden. Gekonnt rufe ich mit dem iPad relevante Heimseiten auf und lerne, dass “Ten Years After” bereits auf dem legendären Woodstock Festival aufgespielt hat.
09.30 Uhr Nach dem Badespass leiste ich Sandra bei der wichtigsten Mahlzeit des Tages Gesellschaft. Ausserdem tratsche ich mit meiner Zugehfrau und animiere sie, nicht nur die Nasszelle, sondern auch das Gästezimmer zu säubern – Ordnung und Hygiene sind in der heutigen Zeit besonders wichtig.
10.15 Uhr Kurz nach dem Zehnuhrläuten werfe ich prüfende Blicke in den Eiskasten und bemerke, dass Sandra einen Grossteil der Lebensmittel aufgegessen hat. Um nicht verhungern zu müssen, rufe ich nach Hund Dixon und erkläre ihm, dass wir zum Einkaufen fahren müssen. Meine Mieterin wird sogleich hellhörig und kündigt an, mich in den Supermarkt meines Vertrauens begleiten zu wollen – das hat gerade noch gefehlt.
11.00 Uhr Nach einer dreissigminütigen Hochgeschwindigkeitsfahrt komme ich mit quietschenden Bremsen vor dem PUBLIX am Tamiami Trail zum Halten. Da Hunde in der Markthalle nicht gerne gesehen sind, lasse ich kurzerhand den Motor laufen und fordere Sandra auf, mir in den Flachbau zu folgen. Die Maid meldet jedoch Bedenken an und mutmasst, dass jemand das Auto stehlen könnte. Ich klopfe mir lachend auf die Schenkel und erinnere, dass wir hier in den Vereinigten Staaten und nicht in Deutschland sind.
11.15 Uhr Im Anschluss schlendern wir durch die breiten Gänge und verladen Waren des täglichen Bedarfs in den Einkaufswagen. Sandra legt mehrere Gläser mit vitaminreicher Guacamole Sauce dazu und sagt, dass dieses mexikanische Zeug hervorragend schmeckt.

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Guacamole – ein schmackhaftes Zeug / Bild: stu_spivack

12.00 Uhr Pünktlich zur Mittagszeit stehen wir an der Kasse. Ich krame meine Geldbörse aus der Hosentasche und werde während des Bezahlvorgangs durch das Klingeln der Schwarzbeere (unlöblich: Blackberry) gestört. Zu allem Überfluss meldet sich Edelbert und moniert, dass es viel zu heiss ist, um etwas zu unternehmen. Ich gebe dem schlauen Mann Recht und entgegne, dass ich froh bin, den Einkauf bald hinter mir zu haben.
13.00 Uhr Nachdem wir ein Mittagessen im benachbarten “Dairy Queen” (löblich: Molkerei Königin) Schnellessgasthaus eingenommen haben, treten wir die Heimfahrt an. Ich steuere den PS-strotzenden SUV sicher in Richtung Willoughby Drive und lasse Sandra wissen, dass ich am Nachmittag eine ruhige Kugel schieben werde. Meine Beifahrerin fällt mir prompt ins Wort und meint, dass sie nach Fort Myers fahren und sich im Miromar Outlet Store (löblich: Miromar Auslassgeschäft) vergnügen wird.
13.30 Uhr Während sich das Mädchen winkend verabschiedet, scheuche ich den Vierbeiner ins Haus und verstaue die Einkäufe im Eiskasten. Bei dieser Gelegenheit plaudere ich mit meiner mexikanischen Putzfrau und erkläre, dass Sandra in 9 Tagen nach München zurückfliegen wird.
14.15 Uhr Endlich kann ich mich auf dem Kanapee niederlassen und die Beine ausstrecken. Bereits nach wenigen Augenblicken falle ich in einen tiefen Traum und sehe mich aufs Münchner Oktoberfest versetzt.
15.15 Uhr Um nicht den ganzen Nachmittag auf dem Sofa zu liegen, rapple ich mich auf und gehe Anschnur. Mit flinken Fingern navigiere ich durchs Internetz und zögere nicht, mich um Hilferufe besorgter Heimseitenbesucher zu kümmern. Ich gebe hilfreiche Ratschläge und fordere einen 57jährigen Frührentner aus Dresden auf, seinen Sommerurlaub nicht an der Ostsee, sondern in der Pension Waldblick zu verbringen.

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Die Pension Waldblick im Waldweg 11

16.00 Uhr Zum Abschluss der Anschnurseelsorge schalte ich die neuen Einträge im beliebten Gästebuch frei und gehe von der Leine. Da mein ausgetrockneter Hals nach einem Kaffee verlangt, stelle ich die futuristische DeLonghi Maschine ein und gönne mir ausserdem einen vitaminreichen Donut – das schmeckt.
17.00 Uhr Während Dixon im künstlich angelegten Teich badet, bereite ich ein nahrhaftes Abendessen zu. Da Sandra eine Kurzdepesche (unlöblich: SMS) geschickt und ihr Kommen für 22 Uhr angekündigt hat, schwenke ich Butter in der Pfanne und brate ein Schnitzel heraus – wie gut das duftet.
17.45 Uhr Ich lasse mir die Mahlzeit in der klimatisierten Stube schmecken und gebe Dixon zu verstehen, dass Sandra bekanntlich kein Fleisch isst. Als der Rüde seinen Kopf schief legt, tippe ich mir an die Schläfe und fahre fort, dass Fleisch sehr gesund ist und viele Nährstoffe wie Kalzium, Magnesium, Vitamin A, B und C enthält.
18.15 Uhr Ein langer Tag neigt sich seinem Ende zu und ich mache es mir vor dem Flachbildschirm bequem. Um auf den neuesten Stand zu kommen, folge ich den FOX Abendnachrichten und schlürfe gesundes Budweiser Bier.
19.00 Uhr Zur Hauptsendezeit wähle ich den Bezahlsender AMC aus und erfreue mich am Kriminalfilm “Lethal Weapon”. Ich lehne mich zufrieden zurück und tauche in das Leben der Polizisten Murtaugh und Riggs ein, die den Mord an einer Prostituierten aufklären müssen – da kommt Spannung auf.

21.00 Uhr Nach zwei nervenaufreibenden Stunden schalte ich die Glotze aus und begleite Dixon in den Garten. Dummerweise kommt just in diesem Augenblick Sandra von ihrem Ausflug zurück. Das unterbelichtete Kind schleppt mehrere Einkaufstüten in die Villa und sagt, dass es 270 Dollars für Schuhe und Tschienshosen ausgegeben hat. Ich winke entnervt ab und lege mich ins Bett. Gute Nacht.