07.30 Uhr Ich werde durch lautes Dröhnen aus einem schönen Traum gerissen. Um dem Krach auf den Grund zu gehen, schaue ich durchs Schlafzimmerfenster und werde Zeuge, wie Herr Booth einen röhrenden Rasenmäher über das satte Grün schiebt – das ist wieder typisch.
08.00 Uhr Als ich in der Nasszelle verschwinden möchte, werde ich auf ein langhaariges Mädchen aufmerksam, das sich mittlerweile im Nachbarsgarten eingefunden hat. Ich spähe neugierig nach nebenan und erinnere mich, dass Herr Booth Besuch von einer Nichte aus New York erwartet. Da ich mich nicht um alles kümmern kann, gebe ich etwas Eukalyptusöl ins Badewasser und entspanne mich redlichst – das tut gut.
09.00 Uhr Im Anschluss decke ich den Terrassentisch und führe mir eine reichhaltige Mahlzeit zu Gemüte. Nebenbei beobachte ich die Unbekannte argwöhnisch und sehe, wie sie mit Fingermalfarben hantiert – wie merkwürdig.
Mein Petersilienbeet
09.30 Uhr Nun wird es mir zu bunt. Ich leere den Kaffeebecher und nehme mir das Recht heraus, das Petersilienbeet zu bewässern. Bei dieser Gelegenheit komme ich mit der kleinen Frau ins Gespräch und erfahre, dass sie Melody heisst und die Tochter von Herrn Booths Schwester ist. Die 29jährige präsentiert voller Stolz ein selbstgemaltes Bild und sagt, dass sie für das “The New Yorker” Stadtmagazin als Karikaturistin arbeitet.
10.00 Uhr Weil ich mich für die junge Generation sehr interessiere, lade ich das Kind zu einem Kaffee ein. Das Mädchen folgt mir brav in die gute Stube und freut sich, als Dixon schwanzwedelnd daherkommt. Frau Melody streichelt den Rüden ausgiebig und erzählt, dass sie aktives Mitglied des “New Yorker Centers for Animal Care and Control” (löblich: New Yorker Zentrum für Tierschutz und -kontrolle) ist – wie schön.
10.45 Uhr Nachdem wir uns über das Leben in der 8 Millionen Einwohner zählenden Metropole am Hudson River ausgetauscht haben, verabschiede ich die hübsche Maid per Handkuss. Die Schönheit schenkt mir ein Lächeln und sagt, dass sie sich irgendwann für die nette Einladung revanchieren wird – das soll mir Recht sein.
Den grossen Apfel (unlöblich: Big Apple) finde ich prima
11.30 Uhr Als endlich Ruhe eingekehrt ist, spähe ich in den Eiskasten und registriere, dass kaum noch Lebensmittel vorhanden sind. Ich fackle nicht lange und entschliesse mich, das Mittagessen auswärts einzunehmen. Ruckzuck scheuche ich Dixon zum Auto und steuere das “New York Pizza and Pasta” Gasthaus am Tamiami Trail an.
12.00 Uhr Pünktlich zur Mittagszeit nehme ich an einem Fenstertisch Platz und ordere einen “Caesar Salad” (löblich: Cäsar Salat) sowie eine vitaminreiche “Meat Lover’s” (löblich: Fleischliebhaber) Pizza. Während ich auf das Essen warte, telefoniere ich mit James und höre, dass die Kinder nach Fort Myers gefahren sind, um im Miromar Outlet Store (löblich: Miromar Auslassgeschäft) einen schönen Nachmittag zu verbringen. Ich wünsche James viel Vergnügen und lasse ihn wissen, dass wir am Samstag in Estero sein und uns am Bullenreiten erfreuen werden. Mein löblicher Neffe ist begeistert und entgegnet, dass David von nichts anderem spricht.
13.00 Uhr Redlichst gestärkt verlasse ich die Wirtschaft und ziehe es vor, in Gesellschaft meines Haustieres ans Meer zu krusen. Ich stelle die Klimaanlage wegen der grossen Hitze etwas höher und fröne dem Radioprogramm von WCKT CAT COUNTRY (löblich: Katze Land) – was kann es schöneres geben.
13.30 Uhr Zufrieden fahre ich auf dem Park Drive gen Norden und berichte meinem tierischen Begleiter, dass vor wenigen Tagen im “Delnor Wiggins State Park” ein Rucksacktourist von einem Alligator in Fetzen gerissen wurde.
14.15 Uhr Da etwas Bewegung nicht schaden kann, parke ich den SUV direkt am Golf und vertrete mir die Beine. Dixon hüpft aufgeregt auf und ab und nimmt sich das Recht heraus, kreischende Möwen zu verjagen. Unterdessen lasse ich mich unter einer schattenspendenden Palme nieder und schaue auf das azurblaue Wasser. HEUREKA – diese Idylle muss man erlebt haben.
Diese Idylle muss man erlebt haben
15.00 Uhr Just als mir die Augen zufallen, klingelt die Schwarzbeere (unlöblich: Blackberry). Edelbert wünscht mir einen guten Tag und behauptet, dass er es endlich geschafft hat, das Samsung Galaxy Tab in Betrieb zu setzen. Der schlaue Mann lobt die neue Technik über den Schellenkönig und sagt, dass er bereits einige Applikationen heruntergeladen hat und nun in der Lage ist, die Anschnurausgaben diverser deutscher Tageszeitungen im Rentnerparadies zu lesen – wie aufregend.
16.00 Uhr Um keinen Hitzeschlag zu bekommen, laufe ich zum Auto und schicke mich an, nach Hause zu rasen. Ich beschleunige das KFZ auf schwindelerregende 35 Meilen pro Stunde und denke an die leidgeprüften Rentner in Deutschland, denen es nicht vergönnt ist, ein unbeschwertes Leben unter Palmen zu führen.
16.30 Uhr Zurück im Willoughby Drive falle ich erschöpft aufs Kanapee und döse bald ein, um von meinem ersten Floridabesuch im November 2003 zu träumen – das waren noch Zeiten.
17.30 Uhr Weil der Nachmittag fast vorüber ist, lasse ich die Anschnurseelsorge ausnahmsweise sausen. Stattdessen mache ich mich in der Küche nützlich und zaubere aus den letzten 4 Eiern ein nahrhaftes Omelette mit Käse und Pilzen. Dazu gibt es einen farbenfrohen Salat mit würzigem Balsamico – das schmeckt.
18.15 Uhr Zum Abschluss des Tages schalte ich die Geschirrspülmaschine ein und freue mich auf den Fernsehabend. Ich fröne den FOX Nachrichten und informiere mich über die Geschehnisse in der Welt.
19.00 Uhr Um etwas Abwechslung zu bekommen, schalte ich zeitnah auf den Filmkanal AMC um, wo gerade der Vorspann zum Hollywoodklassiker “The Outsiders” über die Mattscheibe flimmert. Ich lehne mich budweisertrinkend zurück und tauche in das Leben halbstarker Jugendlicher ein – da kommt Spannung auf.
21.00 Uhr Ein schöner Tag neigt sich seinem Ende zu und ich unternehme mit Hund Dixon einen kleinen Rundgang durch den Garten. Danach reguliere ich die Klimaanlage und lege mich schlafen. Gute Nacht.