18. September 2017 – Ich wähle

08.00 Uhr Eine neue Woche bricht an und ich fühle mich blendend. Als plötzlich Dixon anschlägt und kläffend zur Pforte rennt, werfe ich mir den Morgenmantel über und sehe selbst nach dem Rechten. Zu meiner Freude finde ich die Unterlagen für die anstehende Bundestagswahl im Briefkasten vor und erkläre dem Vierbeiner, dass ich nun meinen Bürgerpflichten nachkommen und der AfD mein Vertrauen aussprechen werde. Während Dixon hechelnd nach draussen läuft, eile ich in die gute Stube und mache es mir zur Aufgabe, die Briefwahlunterlagen ganz genau in Augenschein zu nehmen. Ich überfliege das Merkblatt eingehend und lerne, dass ich den amtlichen Stimmzettel mit zwei Kreuzen versehen und diesen dann in den blauen Briefumschlag stecken muss – wie aufregend.


Wählen ist gar nicht so einfach

08.30 Uhr Nachdem ich meine Stimmen abgegeben und den blauen Umschlag zugeklebt habe, nehme mir das Recht heraus, den Wahlschein in das rote Kuvert zu stecken. Nebenher rolle ich entnervt mit den Augen und komme zu dem Schluss, dass wählen gar nicht so einfach ist.
09.00 Uhr Schlussendlich atme ich tief durch und vergesse auch nicht, den Wahlbrief mit Postwertzeichen zu bekleben. Im Anschluss verabschiede ich mich in die Nasszelle und nehme mit einem Wirbelbad Vorlieb.
10.00 Uhr Just als ich aus der Wanne hüpfe und mich mit einem Frotteehandtuch abtrockne, pocht Frau Pontecorvo an die Terrassentüre und schimpft, weil Dixon ein Loch im Garten gegraben hat. Ich schlüpfe geschwind in modische Freizeitkleidung und entgegne, dass ich mich nicht um alles kümmern kann.


Dixon ist frech

10.30 Uhr Da ich keine grosse Lust verspüre, alleine zu frühstücken, nehme ich den Autoschlüssel zur Hand und scheuche Dixon zum Chevrolet. In einer nervenaufreibenden Hochgeschwindigkeitsfahrt presche ich in Richtung Zentrum davon und rufe kurzerhand beim Professor an, um ihn ins “The Cafe” an der 5th Avenue einzuladen. Edelbert erteilt mir jedoch eine Absage und sagt, dass das besagte Restaurant wegen Sturmschäden bis auf weiteres geschlossen bleibt. Stattdessen bringt mein Bekannter eine Einkehr ins “Bistro 821” zur Sprache und sichert zu, dass er sich augenblicklich auf den Weg machen wird – das hört man gerne.
11.00 Uhr Hungrig und durstig betrete ich das Familiengasthaus und freue mich, den Professor an einem Fenstertisch mit Ausblick anzutreffen. Selbstverständlich setze ich mich sogleich dazu und ordere bei einem hochnäsigen Kellner ein vitaminreiches “Western Omelette” sowie “Oven Roasted Potatoes” (löblich: Ofengeröstete Kartoffel). Dazu gibt es eine Kanne Kaffee und frischgepressten O-Saft – das schmeckt.
11.30 Uhr Während wir kraftvoll zubeisse, präsentiere ich den Wahlbrief und merke an, dass wir im Anschluss zu einer Postfiliale spazieren sollten. Edelbert schlägt in die gleiche Kerbe und kann es kaum noch erwarten, am kommenden Sonntag die ARD Wahlsendung im Internetz zu verfolgen – das wird eine Gaudi.


Oktoberfest – Ich sage Nein

12.15 Uhr Als die Sonne ihren Höchststand erreicht hat, verlassen wir die Wirtschaft und schlendern mit Dixon zur Poststelle an der 6. Strasse. Unterdessen tratschen wir angeregt und der Professor erzählt, dass Admiral a.D. Bürstenbinder gestern das Oktoberfest besucht hat. Ich lache laut und mutmasse, dass der ehemalige Seefahrer mindestens sechs Mass gestemmt und eine Saalschlacht angezettelt hat. Edelbert nickt eifrig und beteuert, dass der gute Mann auch heute nach München fahren und abermals abfeiern wird – das ist ja allerhand.
13.00 Uhr Nachdem ich den Brief per Expresszustellung aufgegeben habe, kehren wir zum Chevrolet zurück. Mein Begleiter wischt sich mit der Hand über die nasse Stirn und kündigt an, dass er den Nachmittag lesend in seiner schicken Stadtwohnung verbringen wird. Ich wünsche dem schlauen Mann viel Vergnügen und ziehe es vor, schnell ins Auto einzusteigen und in Richtung Willoughby Drive davonzurasen.
13.30 Uhr Ich treffe fix und foxi zuhause ein und fülle Dixons Napf mit Trockenfutter auf. Anschliessend bette ich mich auf dem Kanapee zur Ruhe und döse prompt ein – das tut gut.
14.30 Uhr Um nicht den ganzen Nachmittag zu vertrödeln, schwinge ich mich vom Sofa und eile mit einem scharfen Messer im Anschlag in den Garten. Mit einer schönen Melodie auf den Lippen, schneide ich die Petersilie ab und bemerke, dass die diesjährige Ernte besonders mickrig ausfällt. Ich balle meine Fäuste und lasse Dixon wissen, dass Hurrikan Irma zahlreiche Doldenblütlergewächse entwurzelt hat – wie schade.


Die Ernte ist futsch – SAPPERLOTT

15.15 Uhr Nach getaner Arbeit kehre ich ins Haus zurück und setze mich an den Schreibtisch. Wie es sich gehört, gebe ich im Rahmen der Anschnurseelsorger Ratschläge zum Umgang mit frechen Jugendlichen ab.
16.15 Uhr Nach einer Stunde fahre ich den Heimrechner mausdrückend herunter und stelle mir grosser Sorge fest, dass Dixons Pfoten verdreckt sind. Augenrollend scheuche ich den Lausbuben an die frische Luft und spritze ihn mit dem Gartenschlauch ab – was muss ich denn noch alles ertragen.
17.00 Uhr Nachdem ich den Rasensprenger in Betrieb genommen habe, mache ich mich in der Küche nützlich und erwärme ein tiefgefrorenes Nudelschichtgericht im Kleinwellenofen. Dazu gibt es einen Tomatensalat mit perfekt aufgeschnittenen Zwiebelringen und Oliven aus dem Glas – das keusche Augen isst schliesslich mit.
18.00 Uhr Zum Abschluss des langen Tages lege ich im Wohnzimmer die Beine hoch und schalte die Glotze ein, um mich auf FOX über die tagesaktuellen Geschehnisse in der Welt zu informieren. Unter anderem höre ich, dass sich auf dem Atlantik ein weiterer Tropensturm zusammengebraut und Kurs auf die Bahamas nimmt – wie schrecklich.

19.00 Uhr Zur Prime Time (unlöblich: Hauptfernsehzeit) wechsle ich auf den Bezahlsender HBO und gebe mich dem Krimi “Kill Your Darlings” (löblich: Ermorde deine Lieben) hin. Obgleich ich ganz genau aufpasse, fällt es mir ausserordentlich schwer, der haarsträubenden Handlung zu folgen. Achselzuckend genehmige ich mir ein Bier aus dem Eiskasten und fasse den Entschluss, mir mit dem Musikprogramm von CMT den Abend zu versüssen.
21.00 Uhr Nach zwei heiteren Stunden beende ich den Fernsehabend und unternehme mit Dixon einen kleinen Rundgang durch den Garten. Zu guter Letzt lösche ich das Licht und lege mich schlafen. Gute Nacht.