08.00 Uhr Der WCKT CAT COUNTRY (löblich: Katze Land) Morgenmoderator überrascht mich mit einer nagelneuen Don Henley Komposition. Ich hüpfe spornstreichs aus dem Bett und vernehme, dass der 68jährige Musikant ein neues Studioalbum herausgebracht und sogar ein Lied mit Dolly Parton eingesungen hat – das ist phantastisch.
08.30 Uhr Nach dem Frühsport verabschiede ich mich ins Badezimmer und entspanne mich bei einem Wirbelbad. Ferner telefoniere ich mit meinen Verwandten und schlage vor, dass wir in Julies Restaurant frühstücken könnten. Mein Bruder freut sich und verspricht, auch Edelbert Bescheid zu geben – wie schön.
09.30 Uhr Gutgelaunt beende ich die Morgenwäsche und werfe mich spornstreichs in Schale. Während ich legere Freizeitkleidung aus dem Schrank hole, fällt mein Blick auf den Smoking. Ich lege meine Stirn in Falten und komme zu dem Schluss, dass ich den edlen Anzug am kommenden Samstag beim Frankie Valli Konzert in Atlantic City tragen könnte. Ruckzuck hole ich die feine Garderobe hervor und erkläre dem Vierbeiner, dass ich den Smoking in einer Reinigung aufbügeln lassen werde. Der Rüde gähnt gleichgültig und folgt mir brav zum Chevrolet.
Mein edler Smoking
10.15 Uhr Kurz nach dem Zehnuhrläuten finde ich mich in der Wirtschaft meines Vertrauens wieder und habe das Vergnügen, Georg, Maria sowie Edelbert begrüssen zu können. Die netten Menschen rücken mir einen Stuhl zurecht und unterbreiten, dass sie bereits vier Frühstücke bestellt haben. Wenig später kommt Wirtin Julie daher und erfreut uns mit stattlichen Portionen. Ich nehme zungeschnalzend das Besteck zur Hand und erwähne, dass ich im Anschluss eine der benachbarten Reinigungen aufsuchen und meinen Smoking abgeben werde. Edelbert reibt sich die Hände und sagt, dass er es kaum noch erwarten kann, am Freitag Nachmittag in Atlantic City anzukommen.
Am Freitag bin ich in Atlantic City, NJ
11.00 Uhr Nachdem wir unsere Kaffeetassen geleert und Frau Julie ein stattliches Trinkgeld beschert haben, verlassen wir die Gaststätte und holen den Smoking aus dem Auto. Plaudernd schlendern wir gen Osten und halten nach einer seriösen Reinigung Ausschau. Selbstverständlich lasse ich die Geschäfte, die unter chinesischer Leitung stehen, links liegen und ziehe es vor, meinen Anzug in die Obhut eines koreanischen Fachmanns zu geben. Herr Lim (59) fährt mir der Hand über das Seidenjackett und sagt, dass er eine schonende Dampfreinigung für 59 Dollars empfiehlt. Ich nehme das Angebot sofort an und sichere dem Heini zu, morgen wieder zu kommen.
11.45 Uhr Weil die Sonne unbarmherzig vom Himmel strahlt, kehren wir zu den Autos zurück und vereinbaren, dass ein Abstecher ans Meer nicht schaden kann. Ich nicke eifrig und steuere den SUV zum Delnor Wiggins Staatspark.
12.30 Uhr Nach einer Hochgeschwindigkeitsfahrt erreiche ich den schönsten Strandabschnitt im Collier County und kann das Auto auf einem kostenpflichtigen Parkplatz abstellen. Danach folgen wir dem Strandweg und staunen nicht schlecht, als wir plötzlich lustige Delphine im Wasser entdecken. Mein Bruder zückt prompt seine Kamera und macht es sich zur Aufgabe, Photos am laufenden Band zu knipsen. Ich winke gelangweilt ab und erkläre meiner Schwägerin, dass man in Südflorida fast überall Delphine sehen kann.
13.00 Uhr Um nicht aus den Latschen zu kippen, kehren wir kurzerhand in eine Strandwirtschaft ein und ordern bei einer brünetten Schönheit namens Cheyenne (22) süffige Leichtbiere. Der Professor macht grosse Augen und mutmasst, dass die Barfrau indianische Wurzeln haben könnte. Ich nippe genüsslich an der Hopfenkaltschale und entgegne, dass die Maid ausserdem mit barocken Formen aufwartet.
14.00 Uhr Redlichst abgekühlt bezahlen wir die Zeche in Bar und kehren zum Strand zurück, um Dixon Stöckchen zuzuwerfen. Bei dieser Gelegenheit erfahre ich von meinen Verwandten, dass sie am Abend bei neu zugezogenen Nachbarn zum Dinner (löblich: Abendessen) eingeladen sind. Maria erhebt den Zeigefinger und informiert, dass Herr und Frau Smith (70 und 68) eine Modelagentur in Fort Myers leiten – das ist mir Wurst.
14.30 Uhr Zurück am Auto, wünsche ich meinen Begleitern einen schönen Abend. Im Anschluss schwinge ich mich winkend auf den Fahrersitz und rase zügig nach Hause. Nebenher fröne ich dem Programm von WCKT CAT COUNTRY und singe zu den angesagten Schlägen laut mit – was kann es schöneres geben.
15.15 Uhr Zurück im Willoughby Drive, falle ich erschöpft aufs Kanapee und döse prompt ein – das tut gut.
Mein Zuhause unter Palmen
15.45 Uhr Leider wird die himmlische Ruhe bald durch das freche Haustier gestört. Dixon leckt mir aufgeregt über die Hand und animiert mich, die Terrassentüre zu öffnen. Ich komme augenblicklich in die Gänge und bitte den Vierbeiner, in der Nähe der kleinen Villa zu bleiben und der handzahmen Echse Billy nicht zu nahe zu kommen.
16.30 Uhr Während Dixon mit einem Ball spielt, hole ich den Gartenschlauch hervor und versorge die hochgewachsene Petersilie mit frischem Wasser. Darüber hinaus zupfe ich Radieschen von den Stauden und nehme mir das Recht heraus, mit Frau Pontecorvo zu tratschen. Meine Nachbarin legt beste Laune an den Tag und erinnert daran, dass wir bereits in drei Tagen in Atlantic City sein werden – wie aufregend.
17.15 Uhr Nun wird es aber langsam Zeit, das Abendessen vorzubereiten. Ich verabschiede mich von Frau Pontecorvo per Handkuss und kehre schnurstracks ins Haus zurück. Fachmännisch gebe ich Butter in eine Pfanne und brate vitaminreiche Fischstäbe heraus. Dazu gibt es im Ofen aufgebackene Kartoffelspalten – wie gut das duftet.
18.00 Uhr Nach der Hausarbeit gehe ich zum gemütlichen Teil des langen Tages über und schaue mir die FOX Nachrichten an. Unter anderem lerne ich, dass vor 14 Jahren amerikanische Streitkräfte damit begannen, Afghanistan von den Taliban zu befreien.
19.00 Uhr Um auf andere Gedanken zu kommen, wähle ich zur besten Sendezeit den Filmkanal HBO aus und entspanne mich beim preisgekrönten Drama “Cry Freedom” (auf deutsch: Schrei nach Freiheit). Die Erfolgsproduktion aus dem Jahre 1987 erzählt die Lebens- und Leidensgeschichte des südafrikanischen Bürgerrechtlers Steve Biko, der anno 1977 zu Tode gefoltert wurde – wie schrecklich.
21.30 Uhr Nach 150 Minuten flimmert endlich der Abspann über den Bildschirm. Ich betätige nachdenklich den “OFF” (löblich: AUS) Knopf auf der Fernbedienung und reguliere die Klimaanlage. Danach verschliesse ich die Haustüre sorgsam und falle erschöpft ins Bett. Gute Nacht.