29. Juli 2014 – Grosses Talent und Abschied von den Kindern

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08.00 Uhr Ich hüpfe kraftstrotzend aus dem Bett und schaue mir die Aquarellzeichnung an, die ich gestern gemalt habe. Während ich die Pinselstriche mustere, fällt mir auf, dass das Werk noch keinen Namen hat. Ich lege meine Stirn in Falten und entschliesse mich, das Aquarell “Beach #1” (löblich: Strand Nummer 1) zu nennen.

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Mein erstes Werk – Beach #1

08.45 Uhr Nachdem ich die Morgengymnastik absolviert habe, verschwinde ich im Bad, um mich bei einem Wirbelbad zu entspannen. Nebenbei telefoniere ich mit Georg und bringe heraus, dass uns die Kinder am Abend in ein Restaurant ausführen wollen. Mein Bruder erinnert an den Heimflug der jungen Leute am Mittwoch und sagt, dass James ein Abendessen im “Lemonia” Gasthaus spendieren will – wie aufregend.
09.45 Uhr Ich beende den Badespass und schlüpfe in modische Freizeitkleidung. Im Anschluss lasse ich Hund Dixon in den Garten hinaus und nehme am Küchentisch Platz, um KELLOGGS Flocken mit frischer Muh zu verzehren. Unterdessen segle ich mit dem iPad durchs Internetz und lerne auf einer Künstlerheimseite, dass man Aquarelle mit einem Fixierspray (löblich: Fixiersprüh) für die Ewigkeit konservieren kann.
10.15 Uhr Weil es viel zu heiss ist, um nach draussen zu gehen, setze ich mich kurzerhand an den Wohnzimmertisch und mache es mir zur Aufgabe, ein neues Bild zu malen. Auch diesmal bringe ich eine romantische Strandidylle zu Papier und schaffe es sogar, ein kleines Fischerboot in die Brandung zu setzen.

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Noch ein Meisterwerk: Beach #2

11.00 Uhr Just als ich das Gemälde zum Trocknen auf die Fensterbank lege, fährt Edelberts JEEP vor. Ich eile hinaus und gebe dem Professor zu verstehen, dass ältere Menschen bei brütender Hitze viel trinken müssen. Der schlaue Mann gibt mir Recht und sagt, dass eine kühle Halbe nicht schaden kann. Ich nicke eifrig und serviere meinem Bekannten ein Paulaner Helles. Bei dieser Gelegenheit zeige ich Edelbert die Aquarelle und gebe zu Protokoll, dass ich zeitnah in einer örtlichen Kunstgalerie vorsprechen und die Meisterwerke zum Kauf anbieten werde.
11.30 Uhr Während wir im Wohnzimmer sitzen und unsere Kehlen mit Hopfentrunk spülen, lobt mich der Professor über den Schellenkönig und behauptet, dass ich grosses Talent mitbringe. Darüber hinaus vergleicht mich der gute Mann mit dem Expressionisten August Macke und meint, dass die Farbverläufe perfekt gelungen sind – wie wahr.
12.00 Uhr Pünktlich zur Mittagszeit pocht Frau Pontecorvo an die Terrassentüre und überrascht uns mit hausgemachten Ravioli. Da die italienischen Teigtaschen noch heiss sind, hole ich drei Teller aus dem Schrank und kredenze meiner Nachbarin auch ein kühles Bier. Danach reibe ich Parmesan über die Nudeln und komme auf die Einladung der Kinder zu sprechen. Die Gäste werden augenblicklich hellhörig und kündigen an, den jungen Leuten ebenfalls die Ehre zu erweisen und mich zu begleiten – das soll mir Recht sein.

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Hausgemachte Ravioli – das schmeckt

13.00 Uhr Nachdem Ruhe im Willoughby Drive eingekehrt ist, rufe ich Dixon ins Haus und verschliesse die Terrassentüre sicher. Anschliessend falle ich erschöpft aufs Kanapee und schlummere prompt ein.
14.00 Uhr Um die Nachmittagsstunden nicht ungenutzt verstreichen zu lassen, schalte ich den Heimrechner ein und kümmere mich um Hilferufe verzweifelter Erziehungsberechtigter. In meiner Funktion als staatlich anerkannter Anschnurseelsorger gehe ich mit der jungen Generation hart ins Gericht und rate den Eltern, sich nicht alles gefallen zu lassen – wo kämen wir denn da hin.
15.00 Uhr Nach getaner Arbeit breche ich mit dem Vierbeiner zu einem Spaziergang auf. Leider winkt mir Frau Pontecorvo zu und lotet aus, ob sie am Abend ihr schwarzes Kleid anziehen soll. Ich zucke mit den Schultern und entgegne, dass wir pünktlich um halb Sechs losfahren müssen – immerhin will ich mich nicht verspäten.
15.45 Uhr Endlich erreichen wir den La Playa Golfplatz und werden Zeugen, wie ein zigaretterauchender Handlanger den Zaun repariert. Weil ich über alles informiert sein muss, spreche ich den Heini an und höre, dass marodierende Halbstarke den Maschendrahtzaun beschädigt haben – das ist wieder typisch.
16.30 Uhr Völlig verschwitzt treffe ich zuhause ein und genehmige mir eine Dose Coca Cola aus dem Eiskasten. Ferner fülle ich Dixons Napf mit Trockenfutter auf und flitze dann ins Badezimmer, um mich frisch zu machen.
17.30 Uhr Wenig später klingelt Frau Pontecorvo an der Haustüre und präsentiert sich in farbenfroher Abendgarderobe. Ich beäuge die kleine Frau skeptisch und stelle fest, dass sie sich sogar die Fingernägel lackiert hat. Trotz aller Widrigkeiten lasse ich mir die gute Laune nicht verderben und scheuche Dixon zum Auto.
18.00 Uhr Nach einer nervenaufreibenden Hochgeschwindigkeitsfahrt treffen wir vor dem Restaurant ein und überreichen einem Parkwächter die Autoschlüssel für den PS-strotzenden Chevrolet.
18.30 Uhr Danach schlendern wir in die Wirtschaft und freuen uns, nicht nur meine Familie, sondern auch Edelbert an einem Tisch anzutreffen. Wir setzen uns spornstreichs dazu und werden von einem Kellner mit süffigem Eiswasser sowie den Speisekarten versorgt. Weil mein Magen knurrt, fackle ich nicht lange und beauftrage den Knecht, einen kleinen Vorspeisenteller und als Hauptgericht ein NY Strip Steak (löblich: NY Streifenschnitzel) aufzutischen.

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Ich speise wie ein Kaiser

19.00 Uhr Als die Speisen serviert werden, löchere ich Amanda mit Fragen und vernehme, dass die Kinder morgen Mittag ab Miami fliegen werden. James schlägt in die gleiche Kerbe und berichtet, dass sich seine Eltern bereiterklärt haben, an die Ostküste mitzukommen. Mein Bruder wischt sich mit der Serviette über den Mund und unterbreitet, dass er seine Frau am Nachmittag in die “Dolphin Mall” begleiten wird – das wird teuer.
20.00 Uhr Während ich über das noble Ambiente staune, kommt der Ober mit dem Dessertwagen daher. Ich reibe mir die Wampe und wähle ein Zitronensorbet mit frischen Früchten aus. David folgt meinem Beispiel und plappert davon, dass er es kaum noch erwarten kann, morgen wieder mit seinem besten Freund Jayden zu spielen. Ich blicke traurig drein und verspreche dem Buben, dass wir uns spätestens zur Weihnachtszeit in Toronto wiedersehen werden.
20.45 Uhr Ein schöner Abend geht zu Ende und ich schliesse Amanda, James und David zum Abschied in meine Arme. Mein Neffe zwinkert mir redlichst zu und sagt, dass er mich über sein neues Musikprojekt auf dem Laufenden halten wird – das ist phantastisch.
21.30 Uhr Zuhause angekommen, verabschiede ich mich von Frau Pontecorvo und lasse die Haustüre krachend ins Schloss fallen. Zu guter Letzt reguliere ich die Klimaanlage und wünsche dem Vierbeiner angenehme Träume. Gute Nacht.