27. November 2018 – Lustige Drehpyramiden

08.00 Uhr Ich erwache ausgeschlafen und verspüre grossen Hunger. Um nicht vom Fleisch zu fallen, rolle ich mich aus dem Wasserbett und nehme die futuristische DeLonghi Kaffeemaschine in Betrieb. Ausserdem hole ich fünf Eier aus dem Eiskasten und erkläre dem Vierbeiner, dass wir zum Frühstück ein leckeres Omelette mit Käse fressen werden. Zuvor führe ich jedoch auf der schattigen Terrasse die Morgengymnastik durch und plaudere angeregt mit Herrn Booth. Der hochdekorierte Vietnamveteran kommt auf Weihnachten zu sprechen und erinnert, dass am Sonntag der 1. Advent gefeiert wird. Ich nicke eifrig und ringe mich dazu durch, den Tag zu nutzen, um die kleine Villa weihnachtlich zu schmücken – wie aufregend.


Ich zaubere eine Omelette

08.30 Uhr Nachdem ich den Karton mit den Dekorationsartikeln aus der Garage geholt habe, ziehe ich mich ins Badezimmer zurück und gönne mir ein erfrischendes Wirbelbad. Nebenher rufe ich bei Edelbert an und fordere ihn auf, mir beim Dekorieren zu helfen. Der Professor ist hellauf begeistert und sagt, dass er gegen halb Zehn vorbeikommen wird – das hört man gerne.
09.30 Just als ich den Waschvorgang beende und in farbenfrohe Freizeitkleidung schlüpfe, klingelt der schlaue Mann an der Pforte und überrascht mich mit einer Schmankerlschachtel aus der Biscotti Farrugia Italienbäckerei. Ferner merkt mein Bekannter an, dass wir vor der schweisstreibenden Arbeit frühstücken und unsere Kehlen mit brühfrischem Bohnentrunk ölen sollten. Ich schlage in die gleiche Kerbe und mache es mir zur Aufgabe, leckere Eierkuchen zu zaubern und die Backkreationen auf einem Porzellanteller anzurichten – wie gut das duftet.
10.00 Uhr Während wir gemütlich zusammensitzen und kraftvoll zubeissen, erkundigt sich der Professor nach meinen Weihnachtseinkäufen und beteuert, dass er mittlerweile sämtliche Präsente besorgt hat. Ich gebe mich entnervt und stelle klar, dass mir der Schoppingwahnsinn gestohlen bleiben kann – wo kämen wir denn da hin.
10.30 Uhr Nach der wichtigsten Mahlzeit des Tages machen wir uns ans Werk und staffieren die gute Stube mit dekorativen Weihnachtspyramiden aus dem Erzgebirge aus. Edelbert pfeift unterdessen die Melodie von der “Stillen und heiligen Nacht” und schreckt auch nicht davor zurück, künstlichen Schnee an die Fenster zu sprühen.


Es weihnachtet sehr …

11.00 Uhr Alsbald stattet uns Frau Pontecorvo einen Besuch ab und freut sich, das Wohnzimmer weihnachtlich geschmückt vorzufinden. Ich deute mit stolzgeschwellter Brust in Richtung der Pyramiden und gebe zu Protokoll, dass diese aus Echtholz gefertigten Gestelle aus Ostdeutschland stammen. In diesem Zusammenhang merke ich an, dass Weihnachtspyramiden bereits seit vielen Hunderten Jahren feste Bestandteile in den ostdeutschen Wohnstuben sind – da kommt besonders grosse Freude auf.
11.45 Uhr Zu guter Letzt stellen wir einen überdimensionalen Plastikschneemann im Vorgarten auf und kommen überein, dass nun ein reichhaltiges Mittagessen nicht schaden kann. Ich flitze wie der Wind ins klimatisierte Haus und schwinge mit dem Kochlöffel. Während sich Edelbert mit meiner Nachbarin ein Gläschen Schaumwein gönnt, koche ich Langnudeln auf und bereite eine leckere Pestosauce zu. Darüber hinaus schneide ich etliche Tomaten auf und überrasche die Gäste mit einem vitaminreichen Beilagensalat.


Wir beissen kraftvoll zu

12.30 Uhr Während wir es uns schmecken lassen und mit den Bierflaschen anstossen, verweise ich auf meine Verwandten und rechne vor, dass ich Georg und Maria in 17 Tagen wiedersehen werde. Zudem informiere ich, dass wenig später auch die Kinder in Florida eintreffen und die “staade Zeit” unter Palmen erleben werden.
13.30 Uhr Nachdem sich Edelbert verabschiedet hat, räume ich den Tisch ab und nehme die leistungsstarke Geschirrspülmaschine in Betrieb. Danach strecke ich auf dem Kanapee die Beine aus und döse prompt ein.
14.30 Uhr Nach der Pause sehe ich im Garten nach dem Rechten und stelle fest, dass die Wiese hinter meinem kultivierten Zuhause braune Stellen aufweist. Weil es seit mehreren Wochen nicht mehr geregnet hat, nehme ich den Rasensprenger in Betrieb und sammle ausserdem die abgefallene Palmwedel auf.
15.15 Uhr Fix und foxi kehre ich ins Wohnzimmer zurück und setze mich an den Schreibtisch, um meinen Pflichten als staatlich anerkannter Anschnurseelsorger nachzukommen. Ich arbeite Hilferufe besorgter Heimseitenbesucher ab und empfehle verzweifelten Eltern, frechen Jugendlichen nichts unter den Christbaum zu legen.


Freche Kinder bekommen keine Geschenke

16.15 Uhr Zum Abschluss der Beratungsstunde schalte ich die neuen Einträge im Gästebuch frei und gehe dann von der Leine, um ein süffiges Bier zu trinken und dazu einen Schokoriegel zu verzehren.
16.45 Uhr Nachdem ich mich in der Hollywoodschaukel entspannt und prüfende Blicke in die Tageszeitung geworfen habe, klatsche ich in die Hände und bereite das Nachtmahl vor. Da ich vom Mittagessen noch immer gesättigt bin, nehme ich mir einer kleinen Portion Bratkartoffeln mit Schinken Vorlieb – schmeckt gar nicht schlecht.
17.45 Uhr Nachdem ich die Geschirrspülmaschine ausgeräumt und neu bestückt habe, bette ich mich im Wohnzimmer zur Ruhe und fröne den Nachrichten auf FOX. Ich informiere mich aus erster Hand über die Geschehnisse in der Welt und lerne, dass der Durchschnitts-Amerikaner in diesem Jahr knapp 400 Dollars in Weihnachtsgeschenke investieren wird – das ist ja kaum zu glauben.

18.45 Uhr Kurz vor dem Siebenuhrläuten wechsle ich auf NETFLIX und erfreue mich an der bitterbösen Satire “The Other Side of the Wind”. Ich gebe mich mit grossem Vergnügen diesem Meierwerk hin und erfahre, dass Orson Welles bereits Anfang der 1970er Jahre mit den Dreharbeiten begann. Fast 40 Jahre später entschloss sich NETFLIX, sich die Rechte am Rohmaterial zu sichern und den Film fertigzustellen – wie schön.
21.00 Uhr Nach zwei unterhaltsamen Stunden schalte ich das Farbfernsehgerät ab und begleite Dixon noch einmal an die frische Luft. Danach reguliere ich die Klimaanlage und ziehe mich gähnend ins Schlafzimmer zurück. Gute Nacht.