08.00 Uhr Auch heute läuft ein schönes “Old Dominion” Lied auf der Frequenz von WCKT CAT COUNTRY (löblich: Katze Land). Ich rolle mich aus dem Bett und bemerke beim Blick auf den Wandkalender, dass Edelbert in zehn Tagen Geburtstag feiern wird. Weil sich am Himmel dunkle Wolken zusammengebraut haben, fasse ich den Entschluss, ein Schoppingzentrum anzusteuern und nach einem Geschenk Ausschau zu halten.
08.45 Uhr Während ich mich bei einem erfrischenden Wirbelbad entspanne, bimmelt plötzlich die Schwarzbeere (unlöblich: Blackberry). Zu meiner Freude meldet sich der Professor im Rohr und lädt mich ein, ihm beim Frühstück in Julies Restaurant Gesellschaft zu leisten. Natürlich sage ich sofort zu und gebe zu Protokoll, dass ich gegen 10 Uhr vor Ort sein werde – darauf freue ich mich jetzt schon.
Meine praktische Schwarzbeere
09.30 Uhr Ruckzuck beende ich das Badevergnügen und hole farbenfrohe Freizeitkleidung aus dem begehbaren Schrank. Danach werfe ich mich in Schale und halte Dixon an, mir zum Chevrolet Suburban zu folgen.
10.00 Uhr Pünktlich auf die Minute erreiche ich mein Ziel und bin überrascht, nicht nur Edelbert, sondern auch Herrn Wang im Gasthaus anzutreffen. Der Motelbesitzer begrüsst mich herzlich und berichtet, dass er Prof. Kuhn nach der Mahlzeit in einen Massagesalon begleiten wird. Der schlaue Mann nickt eifrig und ermutigt mich, kurzerhand mitzukommen und mich ebenfalls verwöhnen zu lassen. Weil ich nach einem Geburtstagsgeschenk suchen wollte, schüttle ich den Kopf und entgegne, dass ich wichtigen Terminen in der Stadt nachkommen muss.
10.30 Uhr Als ich kraftvoll zubeisse und meine staubtrockne Kehle mit Kaffee öle, kommt Herr Wang auf sein Motel in Naples-Manor zu sprechen und erzählt, dass während des Hurrikans Irma etliche Fensterscheiben zu Bruch gegangen sind. Der gute Mann reibt den Daumen am Zeigefinger und rechnet vor, dass er mittlerweile eine Fachfirma verständigt hat und mindestens 6.000 Dollars verlieren wird. Edelbert gibt sich deprimiert und erörtert, dass Präsident Trump am gestrigen Tag Fort Myers besucht und mit einem Hubschrauber auch über Naples geflogen ist. Ferner vernehmen wir, dass der weitsichtige Staatsmann allen Helfern herzlich gedankt und Florida Hilfszahlungen in Milliardenhöhe versprochen hat – das ist prima.
Präsident Trump war in Fort Myers
11.30 Uhr Nachdem ich aufgegessen habe, trommle ich mit den Fingern auf die Tischplatte und erwähne, dass nun die Zeit gekommen ist, um das Weite zu suchen. Meine Bekannten geben mir Recht und wünschen mir einen schönen Tag. Ich fackle nicht lange und scheuche Dixon zum SUV, um zur fünf Meilen entfernten Central Avenue zu rasen. Nebenher erzähle ich dem Haustier, dass in der erst heute wiedereröffneten “Treasure Island Mall” ein grosses Antiquariat zu finden ist. Während die aus Texas stammende Sängerin RaeLynn auf WCKT CAT COUNTRY ein belangloses Lied trällert, drücke ich das Gaspedal bis zum Anschlag durch und stelle wohlwollend fest, dass überall städtische Angestellte unter Hochdruck die Hinterlassenschaften des Tropensturms Irma beseitigen.
Irma wütete über Florida
12.00 Uhr Mit Dixon im Schlepptau schlendere ich in das Kaufhaus und komme wegen der grossen Anzahl an antiquarischen Romanen aus den Staunen nicht mehr heraus. Da Edelbert ein Bücherwurm ist, ziehe ich einen in Leder gebundenen Wälzer aus dem Regal und erfahre, dass es sich hierbei um die Erstausgabe des Hemingway Klassikers “To Have and Have Not” (auf deutsch: Haben und Nichthaben) aus dem Jahre 1937 handelt.
12.30 Uhr Kurze Zeit später gesellt sich ein Verkäufer an meine Seite und bietet mir seine Hilfe an. Ich bringe Edelberts Geburtstag ins Spiel und merke an, dass mein Bekannter die amerikanische Belletristik sehr schätzt. Mein Gegenüber überlegt nicht lange und rät, zu Philip Roths Geschichtensammlung “Goodbye Columbus” zu greifen.
13.00 Uhr Um nicht noch mehr Zeit zu vertrödeln, gehe ich auf den Handel ein und überreiche dem Knecht zwei Geldscheine mit dem Konterfei des siebten Präsidenten der Vereinigten Staaten.
Eine Erstausgabe für Edelbert
14.00 Uhr Just als Petrus die Himmelspforten öffnet und es regnen lässt, treffe ich zu Hause ein. Mit letzter Kraft schleppe ich mich ins Haus und bereite mir unter Dixons fordernden Blicken ein Sandwich (löblich: Wurstbrot) zu. Dazu genehmige ich mir vitaminreiche LAYS Kartoffelchips sowie ein kühles Budweiser – das tut gut.
14.45 Uhr Während der Vierbeiner einen Kauknochen knabbert, bette ich mich auf dem Kanapee zur Ruhe und spiele mit der Idee, Edelbert auch mit einer kleinen Grillfeier zu überraschen – das wird ein Spass.
15.45 Uhr Ich öffne die Augen und registriere, dass es immer noch wie aus Kübeln schüttet. Weil man bei diesem Sauwetter nicht aus dem Haus gehen kann, setze ich mich an den Schreibtisch und komme meinen Pflichten als Anschnurseelsorger nach. Unter anderem überfliege ich die Depesche einer HARTZ IV Empfängerin aus Jena und lese, dass es sich der Trampel derzeit zur Aufgabe macht, AfD Wahlplakate in der Innenstadt der ostdeutschen Gemeinde zu zerstören. Ich klopfe mir auf die Schenkel und lasse die Frau in meinem Antwortschreiben wissen, dass die “Alternative für Deutschland” bei der Bundestagswahl mindestens 35% der Stimmen einheimsen wird.
Die Alternative für Deutschland bekommt 35%
16.45 Uhr Nach getaner Arbeit nehme ich das Telefon zur Hand und rufe in der alten Heimat an. Als sich Sandra nach dem dritten Tuten endlich meldet, erkundige ich mich nach meiner Wahlbenachrichtigung und bitte die Maid, in meinem Namen die Briefwahlunterlagen zu beantragen. Sandra hält Maulaffen feil und beteuert, dass ich die Papiere selbst Anschnur anfordern kann. Nörgelnd werfe ich den Hörer auf die Gabel und setze mich erneut an den Heimrechner, um einen elektronischen Brief an das Rathaus in meiner weissblauen Heimat zu senden.
17.30 Uhr Da mein Magen knurrt, begebe ich mich in die Küche und koche italienische Langnudeln auf. Dazu zaubere ich ein leckeres Tomatensösschen – wie gut das duftet.
Ich beisse kraftvoll zu
18.30 Uhr Redlichst gestärkt verabschiede ich mich in den Feierabend und mache es mir in der klimatisierten Wohnstube bequem. Während die Nachrichten laufen, telefoniere ich mit Edelbert und gebe vor, dass ich gerade die Briefwahlunterlagen für die Bundestagswahl geordert habe. Der Professor schmunzelt in einer Tour und unterbreitet, dass er die Unterlagen schon vor Wochen ausgefüllt und nach Deutschland zurückgeschickt hat.
19.30 Uhr Nach den Nachrichten gebe ich mich auf FOX einer Sondersendung hin und lerne, dass die amerikanische Regierung dem Bundesstaat Florida mehrere Milliarden Dollars zur Verfügung stellen und armen Menschen beim Wiederaufbau ihrer Häuser helfen wird – das hört man gerne.
21.00 Uhr Als die Nummer einer Spendenhotline (löblich: Spendenheissleine) eingeblendet wird, betätige ich den “OFF” (löblich: AUS) Knopf auf der Fernbedienung und lösche sämtliche Lichter. Zu guter Letzt streichle ich Dixon über den Kopf und lege mich schlafen. Gute Nacht.