07.45 Uhr Weil David (bald 11) die Nacht im Willoughby Drive verbracht hat, stehe ich heute etwas früher auf. Danach schleiche ich zum Gästezimmer und finde das Bett verlassen vor. Natürlich mache ich schnell kehrt und strebe mit schnellen Schritten in die gute Stube, um David bleistiftschwingend am Wohnzimmertisch anzutreffen. Der gute Junge tippt auf seine Quarzuhr und sagt, dass er schon seit eineinhalb Stunden auf den Beinen ist und für die Schule gelernt hat. Ich mache grosse Augen und erwidere, dass derzeit Ferien sind und er keine Hausaufgaben erledigen muss. David schüttelt jedoch den Kopf und erinnert, dass er eine “Class for gifted Children” (löblich: Schulklasse für Hochbegabte) besucht – das ist ja allerhand.
Eine schwierige Aufgabe
08.15 Uhr Nachdem ich Davids Rechenaufgaben beeindruckt überflogen habe, verabschiede ich mich in die Küche und berichte dem Buben, dass seine Eltern gestern mit seinen Grosseltern das “Seminole Casino” besucht und dort auch übernachtet haben. David nickt eifrig und kündigt an, dass die lieben Leute gegen 11 Uhr vorbeikommen werden. Ich stimme zu und mache es mir zur Aufgabe, Kakao aufzukochen und schmackhafte Rühreier mit Speck zu zaubern. Danach serviere ich meinem Hausgast ein prima Frühstück und stelle klar, dass wir uns nun die Wampen vollschlagen werden.
09.00 Uhr Wenig später pocht Frau Pontecorvo an die Terrassentüre und möchte wissen, ob wir eine schönen Abend hatten. Ich wische mir den Mund an einer Serviette ab und antworte, dass wir uns den spannenden Boxerfilm “Rocky IV” auf HBO angeschaut haben. David legt beste Laune an den Tag und plappert, dass Rocky Balboa ins eisige Sibirien reisen musste und den russischen Boxer Ivan Drago vermöbelt hat – wie wahr.
10.00 Uhr Da ich mich noch immer nicht frisch gemacht habe, spendiere ich meiner Nachbarin eine Tasse heisse Schokolade und beauftrage sie, ein Auge auf David zu werfen. Im Anschluss ziehe ich mich in die Nasszelle zurück und entspanne mich bei einem Wirbelbad mit Eukalyptusöl – wie gut das duftet.
11.00 Uhr Als ich aus der Wanne steige, klingelt es an der Pforte. Ich kleide mich spornstreichs an und habe das Vergnügen, meine Verwandten begrüssen zu können. Wie es sich gehört, versorge ich die Gäste mit kalten Getränken und erkundige mich nach dem Rechten. Mein löblicher Neffe steht mit artig Rede und Antwort und gibt zu Protokoll, dass der Abstecher nach Immokalee sehr schön war. Amanda schlägt in die gleiche Kerbe und berichtet, dass es ein grosser Spass war, im Outdoor Pool (löblich: Aussenschwimmbecken) zu planschen und Langgetränke (unlöblich: Longdrinks) zu schlürfen – das hört sich verlockend an.
11.30 Uhr Da das kulinarische Wohl nicht zu kurz kommen darf, komme ich auf das Mittagessen zu sprechen und rege an, dass wir ein schönes Restaurant ansteuern könnten. Meine Verwandten zeigen sich einverstanden und drängen zur sofortigen Abreise – wie schön.
12.15 Uhr Kurz nach dem Mittagsläuten betreten wir mit Hund Dixon im Schlepptau das “New York Pizza & Pasta” Gasthaus am Riverchase Plaza und werden von einem gestriegelten Kellner mit Schnurrbart herzlich begrüsst. Der Knecht führt uns zu einem Tisch mit Ausblick und legt uns nahe, als Vorspeise mit Lachs gefüllte Paninis und als Hauptgerichte vitaminreiche Schinkenpizzas zu ordern – dagegen ist nichts einzuwenden.
Pizza – Hmmm, lecker …
12.45 Uhr Während wir kraftvoll zubeissen, lasse ich den gestrigen Abend mit David Revue passieren und erzähle, dass wir Edelbert in der kleinen Villa zu Gast hatten. Mein Grossneffe strahlt wie ein Honigkuchenpferd und sagt, dass wir Steaks gegrillt und einen tollen Film im Fernsehen gesehen haben. Amanda nimmt mich skeptisch ins Visier uns mutmasst, dass ihr Sohn viele Süssigkeiten gegessen hat. Selbstverständlich belehre ich Amanda eines Besseren und beteuere, dass ich dem Dreikäsehoch lediglich gesunde Weintrauben vorgesetzt habe.
13.30 Uhr Nach der Jause überqueren wir den Tamiami Trail und nehmen uns das Recht heraus, uns im klimatisierten Walmart Supercenter etwas abzukühlen. Redlichst gesättigt schlendern wir durch die breiten Gänge und finden uns bald in der “Home Electronics” Abteilung wieder. Mein Bruder beäugt die feilgebotenen Fernsehgeräte ganz genau und meint, dass es eine Gaudi wäre, ein Glotze mit 4K Ultra HDTV Technik zu kaufen.
14.00 Uhr Nachdem wir Innenraumfiltereinsätze für Georgs Zentralklimaanlage sowie zwei DVD Filme in den Einkaufswagen verfrachtet haben, begeben wir uns zur Kasse. Nebenbei tratsche ich mit James und bringe heraus, dass ihm die Glücksgöttin Fortuna im Spielcasino beigestanden hat. Der gute Junge präsentiert seine prallgefüllte Geldbörse und rechnet vor, dass er insgesamt 200 Dollars gewonnen hat – das hört man gerne.
James gewinnt 200 Dollars
15.00 Uhr Zu guter Letzt endet unser Ausflug in einer menschenüberlaufenen STARBUCKS Filiale. Bei Kaffee und Schokoladenkeksen planen wir die anstehende Woche und kommen überein, dass wir am Mittwoch die westlichen Ausläufer der Everglades besuchen könnten – darauf freue ich mich jetzt schon.
16.00 Uhr Endlich bin ich wieder dahoam und helfe Frau Pontecorvo als Kavalier der alten Schule aus dem Chevrolet. Während Dixon zum Teich rennt, plaudere ich noch etwas mit meiner Nachbarin und lade mich für Morgen zum Frühstück ein. Anschliessend stosse ich die Pforte auf und falle fix und foxi aufs Kanapee – das tut gut.
17.00 Uhr Leider wird die Ruhe bald durch ohrenbetäubendes Telefonschellen unterbrochen. Zu allem Überfluss meldet sich Edelbert im Rohr und erkundigt sich nach meinen Tagesaktivitäten. Ich gähne ausgiebig und erkläre dem schlauen Mann, dass ich den Nachmittag mit meinen Verwandten und Frau Pontecorvo im Walmart verbracht habe. Edelbert fällt mir prompt ins Wort und sagt, dass er den Tag genutzt hat, um Reisepläne zu schmieden. Ich freue mich und verspreche, dass wir noch in dieser Woche unsere Reise nach Minnesota buchen werden.
17.30 Uhr Nach dem Gespräch mache ich mich in der Küche nützlich und bereite italienische Schmetterlingsnudeln (unlöblich: Farfalle) mit Pesto zu. Ausserdem giesse ich mir ein Erdinger Weissbier ein und vergesse auch nicht, Dixons Napf mit ROYAL CANIN Trockenfutter aufzufüllen.
18.30 Uhr Als die leistungsstarke Geschirrspülmaschine endlich läuft, lasse ich mich in den Wohnzimmersessel fallen und folge interessiert den FOX Abendnachrichten. Unter anderem berichtet der Sprecher vom amerikanischen Industriellen George Eastman, der morgen seinen 162. Geburtstag feiern würde.
19.00 Uhr Um auf andere Gedanken zu kommen, wechsle ich zur Hauptfernsehzeit auf den Bezahlsender AMC und gebe mich der Serie “Preacher” hin, die von einem Prediger in einer kleinen texanischen Ortschaft erzählt.
21.00 Uhr Nach zwei langweiligen Episoden beende ich den Fernsehabend und rufe Dixon ins Haus. Zu guter Letzt reguliere ich die Klimaanlage und falle übermüdet ins Bett. Gute Nacht.