26. Dezember 2014 – Sodbrennen und Little Italy

pfaffenbergkl

08.00 Uhr Der Reisewecker schellt und ich fühle mich wie gerädert. Weil ich gestern viel zu viel gegessen habe, ziehe ich mir die Bettdecke über den Kopf und schliesse die Augen. Leider fiept Hund Dixon ohne Unterlass und fordert mich auf, endlich aufzustehen – was muss ich denn noch alles ertragen.

dixon
Hund Dixon fiept

08.15 Uhr Missmutig schlüpfe ich in die Josef Seibel Hausschuhe und verabschiede mich ins Bad, um mich abzuduschen. Ausserdem pflege ich mein Haupthaar mit einer Glanzlotion aus dem Hause “Schwarzkopf” und vergesse auch nicht, mir die Ohren auszuwaschen – Sauberkeit ist mir nämlich besonders wichtig.
09.00 Uhr Nachdem ich mich in Schale geworfen habe, eile ich mit dem Vierbeiner nach unten und freue mich, Edelbert, Georg, Maria sowie die Kinder am Frühstückstisch anzutreffen. Mein Bruder rückt mir einen Stuhl zurecht und plappert, dass wir gleich nach Little Italy (löblich: kleines Italien) krusen werden. Ich nippe nachdenklich am Kaffeehaferl und erkläre den Anwesenden, dass ich Sodbrennen habe und nicht mitkommen werde. Maria winkt demonstrativ ab und macht es sich zur Aufgabe, mir ein Fläschchen Ingwerextrakt zu überreichen. Ferner erfahre ich, dass Ingwer nicht nur den Magen beruhigt, sondern auch Sodbrennen lindert.

ingwer
Ingwer beruhigt den Magen

10.00 Uhr Nach der Jause zerrt mich David an der Strickjacke und kann es kaum noch erwarten, in die Stadt zu krusen. Ich zwicke den Dreikäsehoch in die Nase und verspreche, dass wir in Little Italy nach Silvesterraketen Ausschau halten werden.
10.30 Uhr Wenig später helfe ich Dixon in den GRAND CHEROKEE und mache es mir neben dem Professor auf dem Rücksitz bequem. Mein Bruder lässt den Wählhebel der Automatikschaltung in der D-Stellung einrasten und meint, dass es eine Gaudi werden wird, durch das italienische Viertel zu spazieren – das hört sich nicht schlecht an.
11.00 Uhr Während der kurzweiligen Reise passieren wir unter anderem die “Central Technical School” (löblich: Zentrale Technikschule) und meine Schwägerin berichtet, dass die Hochschule um das Jahr 1900 gegründet wurde und Schauplatz vieler Spielfilme war. Ich mache grosse Augen und lerne, dass am Campus sogar der oscarprämierte Hollywoodstreifen “Good Will Hunting” gedreht wurde – wie aufregend.
11.30 Uhr Kurz vor der Mittagszeit parken wir die Autos an der College Strasse und bestaunen die jahrhundertealte Häuserfront. Mein Bruder versorgt mich mit Fakten und erzählt, dass zum Anfang des 20. Jahrhunderts knapp 300.000 Italiener nach Kanada kamen, um sich ihren Lebensunterhalt als Tagelöhner zu verdienen.

collegestreet
College Strasse / Bild: Xavier Snelgrove / CC BY-SA 2.5

12.15 Uhr Nach wenigen Metern hält Maria vor einem gelben Haus inne und informiert, dass hier der bekannte Musikant Johnny Lombardi Anno 1966 den ersten multikulturelle Radiosender der Stadt ins Leben rief und die Zuwanderer mit Liedern aus der alten Heimat verwöhnte. Ich nicke eifrig und lasse es mir nicht nehmen, in der benachbarten Bäckerei ein vitaminreiches Ciabatta Brot einzukaufen – wie das duftet.
13.00 Uhr Danach vertreten wir uns weiter die Beine und stehen bald vor dem “Royal Cinema”. Während David die bunten Bilder im Schaukasten beäugt, redet Maria weiter auf mich ein und sagt, dass dieses im Jahre 1939 eröffnete Lichtspielhaus wegen seiner wunderschönen Fassade unter Denkmalschutz steht – jaja.
13.30 Uhr Nachdem Amanda in einem Obstgeschäft Datteln eingekauft hat, lotst uns Georg ins “Vivoli Ristorante”. Wir lassen uns an einem einladenden Tisch nieder und fassen den Entschluss, sechs Pizzas ala Roberto (löblich: Nach Robertos Art) sowie eine Flasche San Pellegrino Tafelwasser zu ordern.

dominopizza
Eine Pizza kommt jetzt gerade Recht

14.00 Uhr Während wir es uns schmecken lasse, wende ich mich David zu und frage, ob er bereits das spannende Jugendbuch “Greenglass House” aus Kate Milfords Feder angeschaut hat. Der Neunjährige strahlt wie ein Honigkuchenpferd und unterbreitet, dass er sich sehr über den Roman gefreut hat – wie schön.
15.00 Uhr Als die Glocken der “Saint Francis of Assisi” (löblich: Heiliger Franziskus von Assisi) Kirche dreimal schlagen, verlassen wir die Gaststätte und laufen bei einsetzendem Schneefall zu den Autos. Unterdessen tratsche ich angeregt mit Amanda und bringe heraus, dass Morgen James Schwester Laura mitsamt ihrem Sohn Paul und Lebensgefährten Herrn William zu Besuch kommen wird – das hört man gerne.
15.45 Uhr Zuhause angekommen, schlüpfe ich aus den Mundstiefel (unlöblich: Moonboots) und genehmige mir ein vitaminreiches Labatt Blau Bier. Edelbert und Georg folgen meinem Beispiel und nehmen sich das Recht heraus, in der guten Stube eine Partie Schach zu spielen. Weil ich mich vor Müdigkeit kaum noch auf den Beinen halten kann, lege ich die Füsse hoch und döse bald ein.
16.45 Uhr Kurze Zeit später ruft uns Maria ins Esszimmer und fährt das Nachtmahl auf. Ich setze mich neben David und labe mich an einer italienischen Gemüsesuppe. Nebenher frönen wir der wunderschönen Joni Mitchell Kompaktscheibe, die mir James zum Weihnachtsfest überreicht hat – da kommt Freude auf.
17.45 Uhr Nachdem wir das Abendessen beendet und die Kinder verabschiedet haben, machen wir es uns in der guten Stube bequem. Maria serviert heissen Glühwein und schlägt vor, dass wir uns den Abend mit einem Familienfilm versüssen könnten. Mein Bruder ist hellauf begeistert und schiebt prompt eine DVD ins Abspielgerät.
18.30 Uhr Zuerst folgen wir jedoch den Abendnachrichten auf CBC und bringen in Erfahrung, dass die Kanadier just heute den “Boxing Day” (löblich: Geschenkschachtel Tag) feiern. Georg klopft sich auf die Schenkel und sagt, dass am sogenannten “Geschenkschachtel Tag” Bedienstete Präsente erhalten – das ist mir Wurst.

19.00 Uhr Anschliessend lehne mich zufrieden zurück und komme in den Genuss, “Stand By Me” (auf deutsch: Geheimnis eines Sommers) zu sehen. Wir amüsieren uns köstlich und werden Zeugen, wie sich vier unerschrockene Buben in die Wildnis wagen, um ein verschwundenes Kind zu suchen.
21.00 Uhr Nach zweistündiger Spitzenunterhaltung schiebe ich mir ein letztes Plätzchen in den Mund uns lege mich dann ins Bett. Gute Nacht.