08.00 Uhr Ich werde durch ein lautes Klingeln geweckt. Da Frau Gomez im Urlaub ist und von einer Freundin vertreten wird, eile ich zur Pforte und sehe mich mit einer bildhübschen Maid konfrontiert. Das brünette Mädchen reicht mir die Hand und sagt, dass sie Conchata heisst und die kleine Villa auf Vordermann bringen wird. Ich winke die Frau spornstreichs herein und gebe zu Protokoll, dass nicht nur das Wohnzimmer geputzt und das Bett bezogen, sondern auch das Gästezimmer auf Hochglanz gebracht werden muss. Bei dieser Gelegenheit verweise ich auf Sandra und stelle klar, das ich ab Freitag einen Gast aus dem alten Europa haben werde.
Mein Zuhause unter Palmen
08.30 Uhr Während Frau Conchata Staub wischt, leiste ich Dixon auf dem Kanapee Gesellschaft und telefoniere mit Edelbert. Ich erzähle dem Professor von der rassigen Aushilfe und erwähne beiläufig, dass Conchata ein sauberer Hase ist. Mein Bekannter ist begeistert und sagt, dass er in dreissig Minuten auf der Matte stehen wird.
09.00 Uhr Wenig später fährt Edelberts schneeweisser JEEP vor. Ich begrüsse den guten Mann herzlich und führe ihn in die Küche, um Kaffee sowie vitaminreiche Muffins aus dem PUBLIX zu spendieren. Bei dieser Gelegenheit beäugen wir die Putzfrau ganz genau und kommen zu dem Schluss, dass Conchata mit dem Staubwedel umzugehen weiss. Edelbert geht noch weiter und behauptet, dass die 29jährige ausserdem mit barocken Formen und einer stattlichen Oberweite aufwartet.
Ein lustiger Muffin
09.30 Uhr Weil es sich nicht ziert, eine junge Dame zu begaffen, trinke ich den Kaffee aus und verschwinde im Badezimmer. Ruckzuck lege ich den Bademantel ab und entspanne mich bei einem Wirbelbad.
10.30 Uhr Nachdem ich legere Freizeitkleidung angezogen habe, kehre ich ins Wohnzimmer zurück und werde Zeuge, wie Edelbert mit der Putzfrau tratscht. Ich erhebe mahnend den Zeigefinger und erkläre Frl. Conchata, dass sie ganz bestimmt nicht fürs Faulenzen bezahlt wird. Anstatt in Tränen auszubrechen, zuckt das junge Ding mit den Schultern und entgegnet, dass sie mittlerweile alle Arbeiten erledigt hat. Der Professor schlägt in die gleiche Kerbe und unterbreitet, dass die Reinigungsfachfrau sogar die Waschmaschine eingestellt hat.
11.00 Uhr Letztendlich stecke ich dem Fräulein ihren Lohn zu und bitte sie, am kommenden Mittwoch wieder zu kommen. Anschliessend tippe ich auf meine wertvolle ROLEX und lasse Edelbert wissen, dass ich nun zum Einkaufen fahren muss. Der Professor wünscht mir viel Vergnügen und kündigt an, dass er zum Strand krusen und sich die Sonne auf den Kopf scheinen lassen wird – das ist wieder typisch.
11.30 Uhr Kurz vor dem Mittagsläuten steuere ich den PS strotzenden SUV auf den PUBLIX Parkplatz und mache Dixon darauf aufmerksam, dass er mich nicht in den Supermarkt begleiten kann. Um dem Vierbeiner etwas Gutes zu tun, lasse ich wegen der grossen Hitze den Motor laufen. Danach mache ich einer Rentnerin (88) einen Einkaufswagen streitig und eile pfeifend in die Markthalle, um Produkte des täglichen Bedarfs auszuwählen.
12.30 Uhr Nach einer geschlagenen Stunde schiebe ich den voll beladenen Wagen zur Kasse und händige einer Kassenkraft mit platinblonden Haaren meine praktische Meisterkarte (unlöblich: Mastercard) aus.
Bezahlkarten – Ich sage Nein
12.30 Uhr Nachdem ich die Einkaufstüten ins Auto verladen haben, nehme ich den Vierbeiner an die Leine und kehre in die benachbarte Chick A Fill Gaststätte ein. Hungrig lasse ich mich an einem Tisch nieder und nehme mit einem deftigen Club Sandwich (löblich: belegtes Vereins Brot) und einem Becher Rootbeer (löblich: Wurzelbier) Vorlieb – das tut gut.
13.45 Uhr Nach der Jause trete ich die Heimfahrt an und setze bei prima WCKT CAT COUNTRY (löblich: Katze Land) Radiomusik zu waghalsigen Überholmanövern an – was kann es schöneres geben.
14.15 Uhr Zurück in der kleinen Villa, räume ich die Lebensmittel in den Eiskasten und denke daran, dass in zwei Tagen die Ruhe vorbei sein wird. Immerhin kommt am Freitag Sandra im Sonnenscheinstaat an und wird mir für zwei lange Wochen Gesellschaft leisten – wie unlöblich.
15.00 Uhr Trotz aller Widrigkeiten lasse ich mir die gute Laune nicht verderben und bette mich im Wohnzimmer zur Ruhe. Schon bald döse ich ein und träume von meiner Wanderung entlang des Appalachian Trails – wie aufregend.
Appalachian Trail 2013
16.00 Uhr Um nicht den ganzen Nachmittag zu vertrödeln, schwinge ich mich vom Sofa und nehme am Schreibtisch Platz. Während der Rüde am Teich spielt, studiere ich Depeschen besorgter Heimseitenbesucher und stelle mit grosser Sorge fest, dass es die Jugend derzeit besonders bunt treibt. Natürlich stehe ich den Eltern mit hilfreichen Ratschlägen bei und fordere sie auf, den Heranwachsenden nicht alles durchgehen zu lassen.
17.00 Uhr Nach getaner Arbeit gehe ich von der Leine und sorge in der Küche für ein nahrhaftes Abendessen. Weil ich auf meine schlanke Linie achten muss, verzehre ich lediglich zwei Wurstbrote sowie Gewürzgurken aus dem Glas.
18.00 Uhr Just als ich das schmutzige Geschirr in die Spüle stelle, klopft Frau Pontecorvo an die Terrassentüre und lotet aus, ob wir uns einen Film auf der Grossbildleinwand anschauen wollen. Da im Fernsehen sowieso nichts interessantes läuft, stimme ich zu und entkorke eine Flasche Schaumwein – man gönnt sich ja sonst nichts.
18.30 Uhr Bei angenehmen Temperaturen machen wir es uns auf der fliegenvergitterten Terrasse bequem und frönen dem Filmklassiker “The Longest Day” (auf deutsch: Der längste Tag) aus dem Jahre 1962. Nebenbei plaudere ich angeregt mit meinem Gast und erwähne, dass am Vormittag Frau Conchata mein Eigenheim geputzt hat.
21.30 Uhr Nachdem der spannende Streifen über die Landung der Alliierten in der Normandie zu Ende gegangen ist, verabschiede ich meine Nachbarin per Handkuss. Danach rufe ich Dixon ins Haus und ziehe mich gähnend ins Schlafzimmer zurück. Gute Nacht.