07.45 Uhr Eine neue Woche beginnt und ich fühle mich prima. Weil Herr Töpfer heute seinen 82. Geburtstag feiert, nehme ich die Schwarzbeere (unlöblich: Blackberry) zur Hand und rufe in der alten Heimat an. Ich treffe Harald im “Wilden Esel” an und erfahre, dass er etliche Freunde zu einem Mittagessen eingeladen hat. Natürlich übermittle ich die besten Wünsche und erinnere, dass wir uns in 19 Tagen wiedersehen werden.
Der Wilde Esel
08.15 Uhr Nachdem ich den Frühsport auf der Terrasse absolviert habe, nehme ich den Kalender in Augenschein und lerne, dass in 5 Tagen auch meine Schwester Hildegard ihr Wiegenfest feiern wird. Um der Guten eine kleine Freude zu bereiten, nehme ich den Heimrechner in Betrieb und mache mich daran, auf Fleurop einen sündteuren Blumenstrauss zu ordern. Darüber hinaus fülle ich Anschnur eine Glückwunschkarte aus und gebe das Versprechen ab, dass ich ihr während meines Heimaturlaubs einen Besuch abstatten werde.
09.00 Uhr Endlich kann ich die Wirbelbadewanne mit Wasser befüllen und mich redlichst entspannen. Nebenher telefoniere ich mit Edelbert und bringe für halb 11 Uhr ein gemeinsames Frühstück zur Sprache. Der schlaue Mann freut sich und lotet aus, ob wir am heutigen „Labor Day“ ins “Mangrove Cafe” gehen wollen – das soll mir Recht sein.
Labor Day
10.00 Uhr Wenig später scheuche ich den Vierbeiner zum Auto und presche hupend aus dem Wohngebiet. Ich beschleunige den SUV auf 35 Meilen und fröne stimmungsvollen Jimmy Buffett Klängen – da kommt Freude auf.
10.30 Uhr Ich treffe Prof. Kuhn in der klimatisierten Gaststätte an und ordere ein Frühstück mit englischen Bohnen, Rühreiern, Speck und Kartoffelspalten. Dazu gibt es brühfrischen Bohnenkaffee sowie vitaminreichen O-Saft. Als ich kraftvoll zubeisse, löchert mich Edelbert mit Fragen und möchte wissen, ob ich Sandra vermisse. Ich klopfe mir lachend auf die Schenkel und erwidere, dass es kein Vergnügen war, das vorlaute Mädchen drei Wochen lang in der Villa zu haben. Edelbert nickt verständnisvoll und wirft ein, dass die junge Generation ganz anders tickt – wie wahr.
11.15 Uhr Im Anschluss unternehmen wir mit Dixon einen Spaziergang entlang der 5th Avenue. Wir plaudern über dies und das und werden nebenbei auf mehrere Jugendliche aufmerksam, die auf ihren Rollbrettern (unlöblich: Skateboards) waghalsige Kunststücke vorführen. Ich mache grosse Augen und unke, dass die Rabauken bald hinfallen und sich sämtliche Zähne ausschlagen werden.
12.15 Uhr Zurück am Auto, schüttle ich Edelberts Hand und wünsche ihm einen angenehmen Feiertag. Danach lasse ich den Motor aufheulen und kruse zufrieden nach Hause.
13.00 Uhr Ich komme mit quietschenden Bremsen vor meinem Eigenheim zum stehen und sehe mich mit Frau Pontecorvo konfrontiert. Die Dame von nebenan winkt mir aufgeregt zu und plappert davon, dass ihr Müllzerkleinerer defekt ist. Obgleich ich handwerklich sehr geschickt bin und den Makel im Handumdrehen beheben könnte, zucke ich mit den Schultern und rate, einen erfahrenen Fachmann anzurufen. Anschliessend werfe ich die Pforte ins Schloss und lege auf dem Kanapee eine wohlverdiente Pause ein – das tut gut.
Hund Dixon
14.00 Uhr Während Dixon im Garten mit Nachbarshund Joey herumtollt, gehe ich Anschnur und rufe Depeschen besorgter Heimseitenbesucher ab. Ich gebe hilfreiche Ratschläge am laufenden Band und animiere eine alleinerziehende Mutter aus Troisdorf, ihrer 16jährigen Tochter Nadja den Gang ins Tätowierstudio zu untersagen. Immerhin kann es nicht sein, dass sich eine Minderjährige die Buchstaben H A S S auf die Finger tätowieren lässt.
15.00 Uhr Zu guter Letzt schalte ich die neuesten Einträge im Gästebuch frei und vergesse auch nicht, den Warenbestand im beliebten Andenkenladen zu überprüfen.
15.30 Uhr Nachdem alles abgearbeitet ist, gehe ich von der Leine und trinke auf der schattigen Terrasse ein kühles Budweiser. Bei dieser Gelegenheit tratsche ich mit Herrn Booth und höre, dass sein benzinbetriebener Rasenmäher Öl verliert. Mein Nachbar fuchtelt mit einem Schraubenzieher vor meiner Nase herum und kündigt an, den Motor auseinander bauen zu wollen. Ich wirke beruhigend auf den hochdekorierten Kriegsveteranen ein und gebe zu Protokoll, dass es schlauer wäre, einen neuen Elektromäher im Baumarkt zu kaufen. Herr Booth schüttelt jedoch den Kopf und meint, dass er mit dem neumodernen Zeug nichts anfangen kann.
16.15 Uhr Kopfschüttelnd lege ich Dixon das Lederhalsband um und breche zu einer erquickenden Wanderung auf. Pfeifend schlendere ich zum Haupteingang der “La Playa” Golfanlage und werde plötzlich Zeuge, wie eine luxuriöse Limousine mit getönten Scheiben an mir vorbei gleitet. Ich schüttle demonstrativ den Kopf und lasse den Rüden wissen, dass sich immer mehr neureiche Schnösel in Florida niederlassen – wo soll das noch hinführen.
17.00 Uhr Wieder zurück in der kleinen Villa, mache ich mich in der Küche nützlich und zaubere ein Abendessen der Spitzenklasse. Zur Feier des Tages koche ich Langnudeln und verfeinere die Teigwaren mit deftiger Sauce aus dem Glas. Dixon weicht währenddessen nicht von meiner Seite und fordert ebenfalls eine Brotzeit heraus.
18.00 Uhr Nach dem Abendessen lege ich im Wohnzimmer die Beine hoch und folge den Nachrichten auf FOX. Da ausnahmsweise keine brechenden Neuigkeiten (unlöblich: Breaking News) vorliegen, schalte ich auf NBC um, wo mehrere Folgen der beliebten Kriminalserie “Grimm” gezeigt werden. Ich amüsiere mich köstlich und tauche in das Leben des Polizisten Nick ein, der ein Nachfahre der Gebrüder Grimm ist und Kreaturen sehen kann, die andere Menschen nur aus Märchen kennen. Fortan macht es sich der Ordnungshüter zur Aufgabe, die Menschheit vor furchteinflössenden Bestien zu beschützen – wie aufregend.
21.00 Uhr Ein anstrengender Tag geht zu Ende und ich schalte die Glotze gähnend aus. Wie es sich gehört, begleite ich Dixon noch einmal vor die Türe und lösche dann das Licht. Danach lege ich mich schlafen. Gute Nacht.