08.00 Uhr Beschwingt durch ein besonders schönes Lied hüpfe ich aus dem warmen Bett und lerne, dass der englische Gesangsstern Rod Stewart vor wenigen Tagen ein neues Studioalbum veröffentlicht hat. Darüber hinaus meldet der WCKT CAT COUNTRY (löblich: Katze Land) Sprecher, dass sich das besagte Werk in den Vereinigten Staaten wie geschnittenes Brot verkauft und sich bald auf Platz 1 der nationalen Hitparade wiederfinden wird.
08.30 Uhr Nach der schweisstreibenden Morgengymnastik verabschiede ich mich in die Nasszelle und fälle die Entscheidung, etwas Geld locker zu machen und mir den Silberling “Blood Red Roses” (löblich: Blutrote Rosen) zu kaufen. Ruckzuck lasse ich die Wirbelbadewanne mit lauwarmen Wasser volllaufen und erinnere mich, dass Frau Pontecorvo heute nach Jacksonville krusen und dort ihre Freundin Blanche besuchen wird. Um die Abreise nicht zu verpassen, greife ich augenblicklich zum Schwamm und wasche mich ordentlich heraus.
09.15 Uhr Kurz nach dem Neunuhrläuten werde ich am Nachbarhaus vorstellig und betätige beherzt die Klingel. Meine Nachbarin öffnet prompt die Pforte und gibt vor, gegen halb Elf losfahren zu wollen. Weil noch etwas Zeit bleibt, winkt mich die kleine Frau in die Küche und zögert nicht, brühfrischen Bohnenkaffee sowie hausgemachte Pfannkuchen aufzutischen. Während ich kraftvoll zubeisse, berichtet Frau Pontecorvo, dass sie ihren Aufenthalt in der 880.000 Einwohner zählenden Gemeinde nutzen wird, um den weltbekannten “Fort Clinch State Park” sowie den “Jacksonville Zoo” zu besuchen. Ferner schwärmt meine Tischnachbarin in den höchsten Tönen und freut sich, auch einen Ausflug nach “Amelia Island” unternehmen zu können – das hört sich langweilig an.
10.15 Uhr Nachdem ich mir die Wampe vollgeschlagen habe, ziehe ich mir die NY YANKEES Kappe tief ins Gesicht und wünsche meiner Bekannten eine sichere Reise. Im Anschluss stosse ich die Haustüre auf und halte Hund Dixon an, mir zum SUV zu folgen. Voller Elan klemme ich mich hinters Lenkrad und schicke mich an, der Airport Pulling Road gen Süden zu folgen und die “Galleria Mall” an der Vanderbilt Beach Road anzufahren – wie schön.
Meine praktische Schwarzbeere
11.00 Uhr Am Ziel angekommen, laufe ich zielstrebig in ein Musikgeschäft und lote aus, ob das aktuelle Rod Stewart Album vorrätig ist. Der hochnäsige Heini hinter dem Verkaufstresen nickt eifrig und beteuert, dass er heute bereits siebzehn Exemplare verkaufen konnte. Ich mache grosse Augen und überreicht dem Knecht 14 Dollars in Bar. Anschliessend schlendere ich an den anderen Geschäften vorbei und nutze die Gelegenheit, um Georgs Handtelefonnummer in die Schwarzbeere (unlöblich: Blackberry) einzutippen. Mein Bruder meldet sich nach dem zweiten Tuten und gib mir zu verstehen, dass er sich mit Herrn Wang auf dem Golfplatz vergnügt. Als ich nach Maria frage, erhalte ich die Auskunft, dass seine Ehefrau nach Fort Myers gekrust ist, um einen neuen DeLonghi Kaffeevollautomaten zu kaufen – das wird teuer.
12.00 Uhr Pünktlich zum Mittagsläuten kehre ich in die gutbesuchte “Philly Pretzel Factory” (löblich: Philadelphia Brezen Fabrik) ein und nehme mit drei “Pretzel Dogs” Vorlieb. Dazu gibt es Kartoffelstäbe sowie eine durstlöschende Pfirsich Limonade – schmeckt gar nicht schlecht.
12.45 Uhr Nun wird es aber langsam Zeit, die Heimfahrt anzutreten und in der Villa eine kleine Pause einzulegen. Mit letzter Kraft schleppe ich mich zum Chevrolet und bringe das Fahrzeug sicher in den Willoughby Drive zurück. Ausserdem fröne ich dem neuen Rod Stewart Album und registriere, dass dem 73jährigen mit “Blood Red Rose” ein wahres Meisterwerk gelungen ist.
13.30 Uhr Zurück im kultivierten Zuhause, schlüpfe ich aus den Schuhen und bette mich im klimatisierten Wohnzimmer zur Ruhe. Bereits nach wenigen Augenblicken döse ich ein und träume von meiner spannenden Wanderschaft entlang des Appalachian Trails – das waren noch bessere Zeiten.
14.30 Uhr Ich erwache ausgeschlafen und setze mich an den Schreibtisch, um mit der Anschnurseelsorge zu beginnen. Während Rod Stewart das schöne Lied “Who Designed the Snowflake” (löblich: Wer erschuf die Schneeflocke) trällert, warne ich besorgte Erziehungsberechtigte vor gefährlichen Handtelefonen und stelle klar, dass besagte Schnurlosgeräte krank machen können – wie furchtbar.
15.15 Uhr Zu guter Letzt schalte ich die neuen Einträge im Gästebuch frei und vergesse auch nicht, den Warenbestand im beliebten Andenkenladen zu überprüfen. Da die T-Hemden mit meinem Konterfei vergriffen sind, verfasse ich sogleich einen elektronischen Brief an meinen indonesischen Grosshändler Bambang und gebe eine Grossbestellung auf – das macht Spass.
16.00 Uhr Nach der Arbeit genehmige ich mir im Garten ein kühles Bier und tratsche angeregt mit Herrn Booth. Natürlich erzähle ich meinem Nachbarn von Frau Pontecorvos Ausflug nach Jacksonville und gebe zu Protokoll, dass die Dame erst in der kommenden Woche zurück kommen wird.
Ich beisse kraftvoll zu
17.00 Uhr Nach einer Stunde kehre ich ins Haus zurück und kümmere mich um ein gesundes Abendessen. Unter den fordernden Blicken meines Haustieres, schwenke ich Butterschmalz in einer Pfanne und brate ein Minutenschnitzel an. Dazu gibt es Bohnen sowie im Ofen aufgebackene Kartoffelstäbe – wie gut das duftet.
18.00 Uhr Nach dem Essen lege ich im Wohnzimmer die Beine hoch und folge den Nachrichten auf FOX. Weil keine brechenden Neuigkeiten (unlöblich: Breaking News) vorliegen, schalte ich auf AMC um, wo gerade der Krimi “Dirty Harry” anläuft. Um endlich zur Ruhe zu kommen, lehne ich mich bierschlürfend zurück und tauche in das Leben eines Polizisten ein, der in San Franzisko nach einem gefährlichen Massenmörder fahndet – wie aufregend.
21.00 Uhr Ein nervenaufreibender Tag neigt sich langsam seinem Ende zu und ich begleite Dixon noch einmal in den Garten. Nachdem der Rüde sein Beinchen gehoben hat, lösche ich sämtliche Lichter und lege mich schlafen. Gute Nacht.