6. Juni 2018 – Vermisst!

08.00 Uhr Der Radiowecker springt an und ich lausche einem Lied aus Trace Adkins Feder. Der WCKT CAT COUNTRY (löblich: Katze Land) Radiomoderator versorgt mich mit wissenswerten Fakten und meldet, dass der aus Louisiana stammende Sangeskünstler derzeit mit Hochdruck an einem neuen Studiowerk feilt und seine Anhänger alsbald mit brandneuen Kompositionen verwöhnen wird – da kommt besonders grosse Freude auf.


Katze Land – der bestze Radiosender

08.45 Uhr Nachdem ich die Morgengymnastik absolviert und mit Frau Pontecorvo getratscht habe, gönne ich mir ein prima Wirbelbad und wasch mich ordentlich heraus. Ferner tippe ich die Nummer meines Bruders in die Schwarzbeere (unlöblich: Blackberry) ein und stelle fest, dass Georgs Telefon nicht erreichbar ist – wie eigenartig.
09.45 Uhr Nach sechzig Minuten steige ich aus der Wanne und versuche meine Schwägerin zu erreichen. Weil die gute Seele das Gespräch auch nach dem achtzehnten Tuten nicht annimmt, drücke ich auf die Beenden-Taste und mache mir die grössten Sorgen. Spornstreichs kontaktiere ich Prof. Kuhn und erkläre dem schlauen Mann, dass meine Verwandten nicht erreichbar sind. In diesem Zusammenhang verrate ich ausserdem, dass die lieben Menschen gestern den “Apalachicola National Forest” besucht haben und seitdem verschollen sind. Anstatt sich Gedanken zu machen, wirkt Edelbert beruhigend auf mich ein und beteuert, dass ich tief durchatmen sollte.
10.30 Uhr Missmutig stapfe ich durch die kleine Villa und komme schnell zu dem Schluss, dass es schlauer wäre, Scherriff Bradfort über das ominöse Verschwinden meiner Verwandten zu informieren. Um nicht noch mehr Zeit zu vertrödeln, scheuche ich den Vierbeiner zum PS-strotzenden SUV und schicke mich an, mit eingeschalteter Warnblinkanlage zum Scherriffbüro am Tamiami Trail zu rasen. Unterdessen rufe ich erneut bei meinem Bruder an und vernehme die Ansage “The Person you have called is temporarily not available” (löblich: Die Person, die Sie angerufen haben, ist vorübergehend nicht verfügbar) – gleich platzt mir der Kragen.


Ich kann Georg nicht erreichen – wie schrecklich

11.00 Uhr Als der Stundenzeiger meiner wertvollen ROLEX auf 11 zugeht, betrete ich die Polizeihauptdirektion des Collier Counties und habe das Vergnügen, den Leiter der hiesigen Polizeibehörde persönlich in der Schreibstube anzutreffen. Natürlich komme ich augenblicklich auf den Grund meines Kommens zu sprechen und lasse den donutverzehrenden Beamten wissen, dass meine Verwandten spurlos verschwunden sind. Darüber hinaus unke ich, dass Georg und Maria womöglich von unterbelichteten Hinterwäldlern entführt wurden. Scherriff Bradfort lacht laut und zögert nicht, mich in sein Büro zu bitten. Ich komme dem Aufruf anstandslos nach und berichte, dass die freundlichen Leute am 2. Juni mit dem Wohnmobil auf grosse Fahrt gegangen sind.
11.45 Uhr Während ich einen Kaffee trinke und weiter auf den Scherriff einrede, surrt plötzlich mein neumodernes Handtelefon und ich sehe auf der Anzeige die Rufnummer meines Bruders aufleuchten. Natürlich nehme ich das Telefonat ohne zu Zögern an und bringe auf Anfrage heraus, dass die Beiden die letzte Nacht in der Kleinstadt Saint Marks verbracht haben und erst morgen in Naples zurück sein werden – nun schlägt es aber Dreizehn.
12.15 Uhr Nachdem ich mich von Scherriff Bradfort verabschiedet habe, kehre ich kopfschüttelnd zum Chevrolet zurück und trete die Heimreise an. Da mein Bauch eigenartige Knurrlaute von sich gibt, fahre ich kurzerhand ein Denny’s Restaurant an und stärke mich mit einem deftigen “Bacon Gouda Burger” (löblich: Schinken Gouda Burger). Dazu gibt es rösche Kartoffelspalten sowie ein grosses Glas Eistee – das tut gut.
13.15 Uhr Mit vollem Magen setze ich die Heimfahrt fort und lausche schönen Liedern auf der Frequenz meines Lieblingsradiosenders. Zudem telefoniere ich mich dem Professor und informiere, dass Georg und Maria nun doch nicht entführt wurden.
14.00 Uhr Zurück in der kleinen Villa, schlüpfe ich aus den schweren Kuhjungenstiefeln (unlöblich: Cowboyboots) und falle erschöpft aufs Wohnzimmerkanapee. Bereits nach wenigen Atemzügen döse ich ein und träume von meiner aufregenden Reise an die amerikanische Westküste.


Ich träume von Berkeley

15.00 Uhr Um die Nachmittagsstunden nicht sinnlos verstreichen zu lassen, nehme ich nach der Pause am Schreibtisch Platz und rufe Depeschen besorgter Erziehungsberechtigter ab. Trotz aller Widrigkeiten schufte ich hart und registriere, dass bei der jungen Generation Hopfen und Malz verloren sind – wie traurig.
16.00 Uhr Nachdem ich einer alleinerziehenden Mutter (38) aus Dresden geraten habe, ihren frechen Sohn ins Erziehungsheim zu stecken, gehe ich von der Leine und unternehme mit dem Vierbeiner einen Spaziergang durchs Wohngebiet. Unter anderem schlendere ich am Zuhause der ehemaligen Olympiateilnehmerin Frau Crane vorbei und erzähle der Perle, dass mich das schwülwarme Wetter bald ins Grab bringen wird. Die lebenslustige Dame nickt zustimmend und rät, viel zu trinken und auf ausgewogene Ernährung zu achten – wie wahr.
17.00 Uhr Wieder zurück in meinem bescheidenen Heim, mache ich mich in der Küche nützlich und bereite vitaminreiche Bratkartoffeln mit Ei zu. Ausserdem versorge ich Dixon mit ROYAL CANIN Trockenfutter und H²O.
18.00 Uhr Endlich beginnt der ruhige Teil des langen Tages. Ich mache es mir weissweinschlürfend vor der Glotze bequem und informiere mich auf FOX über die politischen Geschehnisse in der Welt.

19.00 Uhr Zur Hauptfernsehzeit nehme ich mit dem NETFLIX Programm Vorlieb und gebe mich dem achtteiligen Serienspiel “The Sinner” (löblich: Der Sünder) hin. Die Eigenproduktion erzählt die mysteriöse Lebensgeschichte einer Frau, die aus heiterem Himmel einen ihr völlig unbekannten Mann am Strand ersticht – wie schrecklich.
21.00 Uhr Als nach der dritten Episode der Abspann über den Flachbildschirm flimmert, schalte ich das Farbfernsehgerät ab und rufe Dixon ins Haus. Anschliessend lösche ich das Licht und gehe ins Bett. Gute Nacht.