08.00 Uhr Ich werde durch ohrenbetäubendes Telefonläuten geweckt. Zu allem Überfluss meldet sich Edelbert in der Leitung und lädt mich ein, ihm beim Frühstück Gesellschaft zu leisten. Als ich mir den Schlaf aus den Augen reibe, erfahre ich von meinem Bekannten, dass wir uns gegen halb Elf im “Bistro 821” treffen sollten. Ich zucke mit den Schultern und entgegne, dass ich pünktlich vor Ort sein werde.
08.15 Uhr Nach dem Telefonat werfe ich mir den Bademantel über und lasse es mir nicht nehmen, bei Frau Pontecorvo vorstellig zu werden und nachzufragen, ob sie mich begleiten möchte. Meine Nachbarin ist hellauf begeistert und beteuert, dass wir um 10 Uhr losfahren sollten – jaja.
09.00 Uhr Schlussendlich absolviere ich die Morgengymnastik an der frischen Luft und nehme mir das Recht heraus, einen kreischenden Pelikan von meinem Grundstück zu scheuchen. Anschliessend lasse ich die Seele bei einem Wirbelbad baumeln und wasche mich ordentlich heraus – da kommt Freude auf.
Eine fliegende Ratte
09.45 Uhr Nach Rosenblüten duftend, scheuche ich den Vierbeiner zum Chevrolet und freue mich, auch die Perle von Nebenan per Handkuss begrüssen zu können. Wie es sich gehört, helfe ich den Vierbeiner auf die Ladefläche und vergesse auch nicht, meiner Begleiterin die Beifahrertüre zu öffnen. Danach lasse ich den Wählhebel der Automatikschaltung in der “D” Stellung einrasten und brettere ruckzuck in Richtung Stadtmitte davon.
10.30 Uhr Pünktlich auf die Minute betreten wir das Familienrestaurant an der 5th Avenue und nehmen an Prof. Kuhns Tisch an der Glasfassade platz. Der schlaue Mann legt beste Laune an den Tag und winkt einen schneidigen Kellner herbei, um zwei weitere Frühstücke mit Kaffee und O-Saft zu ordern – wie aufregend.
11.00 Uhr Als ich mich über die Jause hermache, erzählt Frau Pontecorvo von ihrem gestrigen Ausflug nach Fort Myers und rechnet vor, dass sie ein kleines Vermögen im “Miromar Outlet Store” (löblich: Miromar Auslassgeschäft) gelassen hat. Unter anderem vernehme ich, dass sich die kleine Frau einen hellblauen Body (löblich: Körperanzug) für knapp 200 Dollars geleistet hat. Ich werfe Edelbert skeptische Blicke zu und merke an, dass ich mir solch kostspieligen Klamotten kaum leisten kann – immerhin habe ich keinen Goldesel im Vorgarten stehen.
11.30 Uhr Nach der Mahlzeit kehren wir zu den Autos zurück und kommen überein, dass wir nun zum Strand krusen und Dixon etwas Auslauf bescheren sollten. Ich reibe mir die Hände und klemme mich ruckzuck hinters Lenkrad des PS-strotzenden SUVs. Edelbert tut es mir gleich und gleitet hupend vom Kundenparkplatz.
Ich blicke auf den blauen Golf
12.15 Uhr Als die Sonne ihren Höchststand erreicht hat, stellen wir die Autos auf einem gebührenpflichtigen Stellplatz in Strandnähe ab und nehmen Dixon an die Leine. Im Anschluss streben wir tratschend zum azurblauen Ozean und zögern nicht, aus den Schuhen zu schlüpfen und unsere Füsse im kühlen Nass zu baden.
13.00 Uhr Während der Wanderung entlang des Golfs kommt Edelbert auf das Oktoberfest zu sprechen und meint, dass es ein Vergnügen wäre, Ende September nach Deutschland auszufliegen. Ich winke demonstrativ ab und stelle klar, dass das weltgrösste Bierfest längst seinen Reiz verloren hat. Um meinen Aussagen Nachdruck zu verleihen, verweise ich auf die Probleme in unserer alten Heimat und lege anschaulich dar, dass die staatlichen Organe angesichts drohender Terroranschläge genötigt sind, die Theresienwiese im Herzen Münchens hermetisch abzuriegeln – wo soll das noch hinführen.
Das Oktoberfest bei Nacht
13.45 Uhr Weil der Vierbeiner unentwegt hechelt, schlendern wir kurzerhand ins “Vanderbilt Beach Resort” und genehmigen uns an der “Poolbar” süffiges Budweiser. Da auch das kulinarische Wohl nicht zu kurz kommen darf, nehme ich die Tageskarte zur Hand und bestelle drei Cheeseburger with Fries (löblich: Käseburger mit Kartoffelstäben). Darüber hinaus plaudern wir angeregt über den anstehenden Floridaurlaub meiner Verwandten und ich verrate, dass Georg und Maria womöglich bereits in der kommenden Woche im Rentnerparadies eintreffen werden. Frau Pontecorvo wird augenblicklich hellhörig und sagt, dass wir die lieben Leute mit einer Willkommensfeier überraschen sollten – das ist gar keine schlechte Idee.
14.45 Uhr Nach einer Stunde spüle ich meinen Hals mit einem letzten Schluck Hopfensaft durch und bemerke, dass wir langsam die Heimfahrt antreten sollten. Meine Nachbarin gibt mir Recht und unterbreitet, dass sie am Abend eine Freundin im Lichtspielhaus treffen wird – das soll mir auch Recht sein.
15.30 Uhr Nachdem ich mich von Edelbert verabschiedet habe, bringe ich Frau Pontecorvo sicher nach Hause und wünsche ihr einen angenehmen Abend. Anschliessend stosse ich die Haustüre auf und falle gähnend aufs Kanapee. Im Handumdrehen döse ich ein und sehe mich im Traum nach San Franzisko versetzt.
Fisherman’s Wharf, San Francisco, CA
16.30 Uhr Nach der Pause sehe ich im Garten nach dem Rechten und stelle mit grosser Sorge fest, dass die Wiese hinter meinem Zuhause braune Stellen aufweist. Da es seit einigen Tagen nicht mehr geregnet hat, nehme ich den Rasensprenger in Betrieb und mache es mir ausserdem zur Aufgabe, abgefallene Palmwedel aufzusammeln.
17.15 Uhr Fix und foxi kehre ich in die klimatisierte Stube zurück und koche Tortellini auf. Zudem schütte ich eine fertige Tomatensauce aus dem Glas in einen Kochtopf und verfeinere die Pampe mit Petersilie aus eigenem Anbau.
18.00 Uhr Nach den exquisiten Gaumenfreuden sorge ich in die Küche für Ordnung und lasse dann den langen Tag vor der Glotze ausklingen. Wie es sich gehört, fröne ich den FOX Nachrichten und informiere mich über die tagesaktuellen Geschehnisse in der Welt.
19.00 Uhr Zur Hauptfernsehzeit wechsle ich auf HBO und gebe mich dem Filmklassiker “Die üblichen Verdächtigen” aus dem Jahre 1995 hin. Der Lichtspielhauserfolg von Bryan Singer erzählt aus dem Leben eines unterbelichteten Kleinkriminellen, der sich in einem Polizeibüro einem Verhör stellen muss – da kommt Spannung auf.
21.00 Uhr Nach 100minütigem Hochgenuss beende ich den Fernsehabend und unternehme mit Hund Dixon einen letzten Rundgang durch den Garten. Zu guter Letzt lösche ich sämtliche Lichter und falle erschöpft ins Bett. Gute Nacht.