08.00 Uhr Der Radiowecker springt an und reisst mich aus einem schönen Traum. Wie es sich für einen sportlichen Rentner gehört, rolle ich mich ruckzuck aus dem Bett und bemerke beim Blick nach draussen, dass es während der Nacht geregnet hat. Trotz alledem öffne ich die Terrassentüre und scheuche Dixon in den Garten hinaus.
Der Radiowecker springt an
08.30 Uhr Nach der schweisstreibenden Morgengymnastik begebe ich mich in die Nasszelle und erfrische mich bei einem Wirbelbad mit Eukalyptusöl. Ausserdem rasiere ich mir die Bartstoffeln ab und entschliesse mich, das Frühstück bei Frau Pontecorvo einzunehmen – immerhin kann ich mich nicht um alles kümmern.
09.30 Uhr Nachdem ich ein Hawaiihemd sowie eine legere Bermudahose angezogen habe, statte ich meiner Nachbarin einen Besuch ab. Die kleine Frau begrüsst mich überschwänglich und lotst mich plappernd in die gute Stube, um mich mit einem Kaffee sowie lustigen Rühreiern zu verwöhnen. Ferner fährt die Perle eine Schüssel mit Griesbrei auf und möchte wissen, ob ich dazu eine Honigmelone essen möchte. Da man einem geschenkten Gaul sprichwörtlich nicht in Maul schauen sollte, stimme ich prompt zu und beisse kraftvoll zu – das schmeckt.
10.00 Uhr Während ich die wichtigste Mahlzeit des Tages einnehme, lädt mich Frau Pontecorvo plötzlich ein, sie zu den “Miromar Outlet Stores” (löblich: Miromar Auslassgeschäften) zu begleiten. Natürlich winke ich sogleich ab und entgegne, dass ich Hund Dixon ausführen muss. Um weiteren Diskussionen aus dem Weg zu gehen, wechsle ich ganz schnell das Thema und spüle meinen ausgetrockneten Hals mit brühfrischem Bohnentrunk durch.
10.30 Uhr Wenig später wünsche ich meiner Bekannten einen angenehmen Schoppingausflug und ziehe es vor, den Rüden zum Auto zu scheuchen. Danach lasse ich den Wählhebel der Automatikschaltung in der “D” Stellung einrasten und gleite zu stimmungsvoller WCKT CAT COUNTRY (löblich: Katze Land) Radiomusik vom Grundstück.
11.00 Uhr Nach einer kurzweiligen Ausfahrt komme ich mit quietschenden Reifen am “Lowdermilk Park” zum halten und lasse Dixon von der Ladefläche springen. Im Anschluss schlendere ich mit einem lustigen Lied auf den Lippen zum Strand und stelle fest, dass heute besonders viele Badegäste den Strandabschnitt am Coquina Sound bevölkern. Missmutig ziehe ich mir die NY YANKEES Mütze ins Gesicht und mache es mir zur Aufgabe, meine Füsse im Golf von Mexiko zu baden – da kommt besonders grosse Freude auf.
Bald wird in Russland Fussball gespielt
11.30 Uhr Kurz vor der Mittagszeit bette ich mich unter einer Palme zur Ruhe und animiere Dixon, sich selbständig zu beschäftigen und Möwen zu jagen. Das Haustier gehorcht mir aufs Wort und ich nutze die Ruhe, um mit Edelbert zu telefonieren. Der schlaue Mann meldet sich nach dem zweiten Tuten und setzt mich darüber in Kenntnis, dass er sich gerade im Internetz über die Fussball Weltmeisterschaft in Russland informiert. Ich rolle demonstrativ mit den Augen und lerne, dass beim weltgrössten Fussballturnier mit Spielmanipulationen zu rechnen ist. Edelbert zitiert aus einer aufschlussreichen Anschnurreportage und behauptet, dass einzelne Partien laut angesehener Experten auf dem Wettmarkts bis zu drei Milliarden Euros bewegen können. Ich mache grosse Augen und antworte, dass mir die Fussball Weltmeisterschaft in der ehemaligen Sowjetunion gestohlen bleiben kann.
12.15 Uhr Da mein ausgetrockneter Hals dringend geölt werden muss, setze ich meinen Spaziergang fort und kehre alsbald ins luxuriöse “Naples Beach Hotel” ein. Zielsicher steuere ich die hauseigene Pool Bar an und nehme mir das Recht heraus, einen Pitcher (löblich: Krug) Bier sowie vitaminreiche Chickenfingers (löblich: Hühnerfinger) mit Fries (löblich: Kartoffelstäben) zu ordern. Ausserdem tratsche ich mit dem Schankknecht und bringe heraus, dass in Naples bestem Hotel derzeit ein waschechter Scheich aus Abu Dhabi logiert – das soll mir auch Recht sein.
Bier ist sehr gesund
13.00 Uhr Nach der zweiten Hopfenkaltschale beschere ich dem Kellner ein stattliches Trinkgeld und kehre schnaufend zum SUV zurück. Ferner nehme ich die leichtbekleideten Badegäste am Lowdermilk Park ins Visier und komme zu dem Schluss, dass sogenannte Micro-Bikinis verboten werden sollten – wo kommen wir denn da hin.
14.00 Uhr Während der erquickenden Heimreise drehe ich die Fensterscheibe nach unten und lasse mir den milden Fahrtwind durchs Haupthaar wehen. Nebenher lasse ich Dixon wissen, dass wir uns glücklich schätzen können, in den Vereinigten Staaten eine neue Heimat gefunden zu haben.
14.30 Uhr Zuhause angekommen, schlüpfe ich aus den Schuhen und falle erschöpft aufs Kanapee. Bereits nach wenigen Augenblicken döse ich ein und sehe mich im Traum auf die Pfade des Appalachian Trails versetzt.
Ich träume vom Appalachian Trail
15.30 Uhr Ich öffne die Augen und brühe spornstreichs Kaffee auf. Anschliessend nehme ich am Schreibtisch platz und kümmere mich am Anfragen besorgter Heimseitenbesucher. Ich schufte hart und animiere leidgeprüfte Erziehungsberechtigte, mit der garstigen Jugend nicht zu zimperlich umzugehen.
16.30 Uhr Nach getaner Arbeit fahre ich das Windows (löblich: Fenster) Betriebssystem mausdrückend herunter und verabschiede mich in den Garten, um den Rasensprenger in Betrieb zu setze. Ausserdem zupfe ich Unkraut aus dem Petersilienbeet und verscheuche kreischende Ajaja Vögel – gleich platzt mir der Kragen.
17.00 Uhr Als der Stundenzeiger meiner wertvollen ROLEX auf 5 zugeht, kehre ich ins Haus zurück und bereite das Abendessen vor. Um nicht stundenlang am Herd stehen zu müssen, schiebe ich eine Thunfischpizza ins vorgeheizte Backrohr und zaubere einen Tomatensalat mit perfekt aufgeschnittenen Zwiebelringen.
Ich beisse kraftvoll zu
18.00 Uhr Nachdem ich in der Küche für Sauberkeit und Ordnung gesorgt habe, beginnt endlich der wohlverdiente Feierabend. Um etwas Abwechslung zu bekommen, nehme ich mit dem NETFLIX Programm Vorlieb und erfreue mich am Serienschmankerl “Love” (löblich: Liebe). Das mehrteilige Fernsehspiel handelt von einer schrulligen Maid, die sich Hals über Kopf in einen depressiven Lehrer verliebt – wie aufregend.
21.00 Uhr Nach sechs Episoden, vier Flaschen Bier und einer Tüte Lay’s Kartoffelchips beende ich den Fernsehabend und rufe Dixon ins Haus. Zu guter Letzt lösche ich sämtliche Lichter und gehe zu Bett. Gute Nacht.