08.00 Uhr Ein neuer Tag beginnt und aus dem Radiowecker dröhnt das Weihnachtslied “The Twelve Days of Christmas” (löblich: Die 12 Weihnachtstage). Während Gesangsstern John Denver die zwölf Tage zwischen dem 25. Dezember und dem 6. Januar besingt, hüpfe ich aus dem Bett und lasse es mir nicht nehmen, eine lustige Kerze in der klimatisierten Wohnstube zu entzünden – da kommt Stimmung auf.
08.30 Uhr Anschliessend scheuche ich Hund Dixon nach draussen und lockere meine Glieder bei schweisstreibenden Temperaturen. Ferner blicke ich seufzend zur Sonne und denke daran, wie schön es doch wäre, die “staade Zeit” im Schnee zu erleben – leider kann man im Leben nicht alles haben.
09.00 Uhr Weil ich gegen 11 Uhr meine Familie in Julies Restaurant treffen werde, verabschiede ich mich ins Bad, um mich ordentlich auszuwaschen. Darüber hinaus telefoniere ich mit Edelbert und lasse ihn wissen, dass ich bald zu Julies Restaurant krusen und die wichtigste Mahlzeit des Tages im Kreise meiner Liebsten einnehmen werde. Der schlaue Mann nickt eifrig und entgegnet, dass er bereits von Maria über dieses Treffen informiert wurde.
10.00 Uhr Voller Vorfreude beende ich die Morgenwäsche und fasse den Entschluss, meinen cremefarbigen Sommeranzug, ein hellblaues Hemd sowie einen Schlips mit modischem Paisleymuster aus dem begehbaren Schrank zu holen. Um dem Aufzug eine extravagante Note zu verleihen, stecke ich ausserdem eine dekorative Anstecknadel ans Revers des Sakkos – wie aufregend.
Hund Dixon ist brav
10.30 Uhr Nachdem ich meine weissen Lackschuhe angezogen habe, klatsche ich in die Hände und fordere den Vierbeiner auf, mich zum Chevrolet zu begleiten. Der Rüde folgt mir aufs Wort und kann es kaum noch erwarten, im Frühstücksgasthaus unseres Vertrauens Schmankerl zu erbetteln.
11.00 Uhr Wenig später erreiche ich mein Ziel und kann den SUV direkt vor dem Familienrestaurant parken. Um nicht noch mehr Zeit zu vertrödeln, nehme ich den Hund an die Leine und strebe pfeifend in die Gaststube. Zu allem Überfluss krümmen sich meine Verwandten vor Lachen und loten aus, ob ich mich einem Wanderzirkus anschliessen möchte. Als ich mich ahnungslos gebe, verweist James auf meine Klamotten und stellt die Behauptung auf, dass ich wie der Fernsehrechtsanwalt Saul Goodman gekleidet bin – das ist ja allerhand.
11.30 Uhr Trotz aller Nackenschläge lasse ich mir die gute Laune nicht verderben und ordere bei Aushilfsbedienung Peggy ein grosses Frühstück. Die adrette Kellnerin fackelt nicht lange und verwöhnt mich ausserdem mit einem grossen Glas O-Saft – schmeckt gar nicht schlecht.
12.00 Uhr Während wir kraftvoll zubeissen, kommt David plötzlich auf meinen Geburtstag am 3. Januar zu sprechen und plappert, dass er Tags darauf nach Kanada ausfliegen wird. Amanda schlägt in die gleiche Kerbe und beteuert, dass ihr Sohn am 8. Januar wieder zur Schule gehen muss. In diesem Zusammenhang bringe ich auch heraus, dass der Jungspund im Sommer die “Class for gifted Children” (löblich: Klasse für schlaue Kinder) verlassen und auf die “Junior High School” (löblich: Junioren Hochschule) wechseln wird. James strahlt über das ganze Gesicht und verrät, dass sein Sohn irgendwann ein angesehener Jurist oder Chirurg werden wird – das hört man gerne.
12.30 Uhr Im weiteren Verlauf erfahre ich, dass meine Verwandten den Nachmittag im “Freedom Park” verbringen und Abends ins Lichtspielhaus wandern wollen. Natürlich winke ich gelangweilt ab und stelle klar, dass ich auf solche Sperenzchen keine Lust habe. Edelbert gibt mir Recht und wirft ein, dass er sich nun ebenfalls verabschieden und einen Frisör im Stadtzentrum aufsuchen wird – jaja.
13.00 Uhr Nachdem Georg die Rechnung aus eigener Tasche beglichen hat, schütteln wir Hände und kommen überein, dass wir uns Morgen in meiner kleinen Villa treffen sollten – da kommt Freude auf.
13.45 Uhr Zuhause angekommen, versorge ich den Vierbeiner mit frischem Wasser. Im Anschluss lasse ich mich aufs Kanapee fallen und schliesse die Augen. Bereits nach wenigen Augenblicken döse ich ein und träume vom letztjährigen Weihnachtsfest im verschneiten Kanada – das waren noch Zeiten.
Bald kommt das Christkind
14.45 Uhr Ich erwache ausgeruht und fülle meine Hahn und Henne Tasse mit Bohnentrunk auf. Zudem setze ich mich an den Schreibtisch und ärgere mich, weil der Heimrechner ein sogenanntes Update (löblich: Aktualisierungsdatei) installieren muss. Da es mir nicht möglich ist, elektronische Depeschen aufzurufen, hole ich ein kühles Bier aus dem Eiskasten und mache es mir auf der Terrasse bequem. Unter anderem blättere ich in der “Naples Daily News” (löblich: Naples tägliche Neuigkeiten) und lerne, dass der Internetzhandel in diesem Jahr mit Rekordumsätzen rechnen darf – wo soll das noch hinführen.
15.45 Uhr Als ich nach einer Stunde an den Heimrechner zurückkehre, stelle ich mit grosser Sorge fest, dass die Fenster (unlöblich: Windows) Weichware die Datei nicht installieren konnte. Ich rolle demonstrativ mit den Augen und ringe mich dazu durch, das Arbeitsgerät herunterzufahren und mich Morgen um die Probleme zu kümmern.
Heute gibt es Pizza
16.30 Uhr Nun wird es aber Zeit, eine Tiefkühlpizza ins Backrohr zu schieben und für ein prima Abendessen zu sorgen. Ferner schneide ich eine Tomate auf und zaubere im Handumdrehen einen bunten Beilagensalat.
17.30 Uhr Zum Abschluss des Tages telefoniere ich noch einmal mit dem Professor und vernehme, dass er sich nicht nur die Haare hat schneiden lassen, sondern auch eine Pediküre genossen hat. Ich staune nicht schlecht und komme prompt zu dem Schluss, dass ich mir solch einen Luxus nicht leisten kann.
18.00 Uhr Endlich kann ich es mir in der klimatisierten Stube bequem machen und den FOX Abendnachrichten frönen. Der Moderator berichtet von den aktuellen Geschehnissen in der Welt und meldet, dass Präsident Trump die Weihnachtszeit im sonnigen Florida verbringen wird – das soll mir auch Recht sein.
19.00 Uhr Um auf andere Gedanken zu kommen, nehme ich mit dem NETFLIX Angebot Vorlieb und gebe mich der in Deutschland entstandenen Serie “Dark””Dark” hin. Das zehnteilige Fernsehspiel handelt von vier Familien, dessen heile Welt eines Tagen aus den Fugen gerissen wird – da kommt Spannung auf.
21.00 Uhr Nach zwei nervenaufreibenden Stunden schalte ich die Glotz ab und unternehme mit Dixon einen letzten Spaziergang durch den Garten. Danach verriegle ich die Haustüre und lege mich ins Bett. Gute Nacht.