26. September 2017 – Bald kommt das Kind

08.00 Uhr Weil ich nicht zum alten Eisen zählen will, trete ich kurz nach dem Aufstehen auf die Terrasse und lockere meine eingerosteten Glieder bei der Morgengymnastik. Hund Dixon ist hellauf begeistert und nimmt sich das Recht heraus, mir einen Tennisball vor die Füsse zu werfen – das macht Spass.
08.30 Uhr Nachdem ich den Vierbeiner in den Garten gelassen habe, verabschiede ich mich schnaufend in die Nasszelle. Mit einer schönen Melodie auf den Lippen lasse ich die Badewanne mit Wasser volllaufen und spiele mit der Idee, nach dem Frühstück zum WAL MART zu krusen, um ein Willkommensgeschenk für Sandra zu besorgen – immerhin wird mir das Kind in fünf Tagen einen mehrwöchigen Besuch abstatten.


Bald kommt Sandra

09.30 Uhr Gutgelaunt beende ich das Badevergnügen und eile in die Küche, um die DeLonghi Kaffeemaschine in Betrieb zu nehmen. Just in diesem Augenblick stösst meine Nachbarin die Terrassentüre auf und begrüsst mich mit einem ohrenbetäubenden “Hello”. Ich winke die Alte spornstreichs herein und informiere, dass ich gerade frühstücken wollte. Frau Pontecorvo schnalzt mit der Zunge und zögert nicht, eine weitere Tasse aus dem Küchenschrank zu holen – wie unlöblich.
10.00 Uhr Während im Radio stimmungsvolle Lieder angesagter Interpreten laufen, fülle ich Frau Pontecorvos Becher mit würzigem Bohnentrunk auf. Zudem beisse ich kraftvoll in einen Muffin und erwähne, dass ich gleich zum WAL MART rasen werde. Meine Tischnachbarin wird augenblicklich hellhörig und vertellt, dass sie nichts besseres zu tun hat und mich begleiten wird – das hat gerade noch gefehlt.
10.45 Uhr Nach der Mahlzeit scheuche ich Dixon zum PS-strotzenden SUV und halte meiner Nachbarin als Kavalier der alten Schule die Beifahrertüre auf. Anschliessend zwänge ich mich hinters Lenkrad und schlittere mit durchdrehenden Pneus vom Grundstück – was kann es schöneres geben.
11.15 Uhr Kurz nach dem Elfuhrläuten betreten wir die Markthalle am Juliet Boulevard und schlendern entspannt durch die Gänge. Frau Pontecorvo redet währenddessen ohne Punkt und Komma auf mich ein und beteuert, dass sie Sandra selbstverständlich auch mit einem Präsent überraschen wird. Ich nicke eifrig und halte die Dame an, der Maid einen Salattrockner zu kaufen. Meine Begleiterin zeigt mir jedoch den Vogel und wendet sich den modischen Flip Flops zu.


Modische Schuhe für Sandra

11.45 Uhr Nachdem die gute Frau Strandschuhe aus dem Hause CLARK’S in den Einkaufswagen geworfen hat, sehe ich mich in der Geschenkabteilung um und ringe mich dazu durch, meinem Gast ein praktisches Strandtuch mit NAPLES, FLORIDA Aufdruck zu kaufen.
12.15 Uhr Schlussendlich landen wir in der Musikabteilung und begutachten die aktuellen Neuerscheinungen des Monats. Als mein Blick auf das erst kürzlich veröffentlichte Toby Keith Album “The Bus Songs” (löblich: Die Buslieder) fällt, fackle ich nicht lange und stecke ein Exemplar zu den anderen Waren.


Toby Keith – The Bus Songs

12.45 Uhr Um insgesamt 80 Dollars erleichtert, kehren wir mit Hund Dixon im Schlepptau zum Auto zurück und steuern eine McDonalds Schnellessgaststätte in der Nachbarschaft an. Hungrig und durstig werden wir an der Essensaugabe vorstellig und ordern vitaminreiche Burger mit Kartoffelstäben – das gibt ein Festessen.
13.15 Uhr Danach lassen wir uns an einem einladenden Tisch nieder und machen uns über die vitaminreiche Brotzeit her. Unterdessen komme ich auf Sandras Ankunft zu sprechen und schlage vor, dass wir das Kind am kommenden Sonntag gemeinsam am Flughafen in Empfang nehmen könnten. Meine Tischnachbarin willigt ein und kann es kaum noch erwarten, das unterbelichtete Frauenzimmer in die Arme zu schliessen.
14.00 Uhr Zurück im Willoughby Drive, verabschiede ich meine Nachbarin und ziehe mich erschöpft in die kleine Villa zurück. Während Dixon im Garten bleibt, falle ich aufs Kanapee und döse schnell ein.


Mein Zuhause unter Palmen

15.00 Uhr Ich erwache ausgeruht und nutze die Nachmittagstunden, um an die Leine (unlöblich: online) zu gehen. Wie es sich für einen staatlich anerkannten Anschnurseelsorger gehört, gebe ich Ratschläge zum Umgang mit garstigen Jugendlichen und animiere eine alleinerziehende Mutter aus Mühlheim, ihrer 16jährigen Tochter das Handtelefon wegzunehmen.
16.00 Uhr Nach sechzig schweisstreibenden Minuten fahre ich den Heimrechner mausdrückend herunter und komme zu dem Ergebnis, dass ich bei dieser Affenhitze unmöglich einen Spaziergang mit dem Haustier unternehmen kann. Um Dixon eine Abkühlung zu verschaffen, hole ich den Gartenschlauch hervor und spritze den hechelnden Rüden redlichst ab – wie lustig.


Zum Abendessen gibt es Pizza

17.00 Uhr Nachdem ich die Pflanzen bewässert habe, schufte ich in der Küche und backe zu prima Toby Keith Musikuntermalung eine schmackhafte Fertigpizza heraus. Nebenher bereite ich einen gesunden Tomatensalat mit perfekt aufgeschnittenen Zwiebelringen zu und giesse mir ein prima Weissbier ein – das schmeckt.
18.00 Uhr Nach der Jause stelle ich die Klimaanlage höher und freue mich auf einen besinnlichen Fernsehabend. Ich leiste Dixon in der guten Stube Gesellschaft und fröne den FOX Nachrichten. Danach schalte ich auf HBO um und gebe mich dem Kriminalfilm “Nocturnal Animals” (löblich: Nachtaktive Tiere) hin. Ich mache grosse Augen und kann es kaum glauben, dass dieser haarsträubende Unsinn mit zahlreichen Kritikerpreisen und sogar mit einem “Golden Globe” bedacht wurde – wo soll das noch hinführen.
21.00 Uhr Zweieinhalb Stunden später flimmert der Abspann über die Mattscheibe und ich schalte die Glotze gähnend aus. Zu guter Letzt lösche ich sämtliche Lichter und lege mich schlafen. Gute Nacht.