08.00 Uhr Pünktlich zum Achtuhrläuten öffne ich die Augen und freue mich, einen weiteren Sonnentag im Rentnerparadies erleben zu dürfen – das ist prima.
08.30 Uhr Nach dem Frühsport fordere ich die AMAZON Lautsprechersäule auf, die kleine Villa mit prima Musik zu beschallen. ALEXA gehorcht mir aufs Wort und ich habe das Vergnügen, der aktuellen Kompaktscheibe des amerikanischen Ausnahmesängers John Moreland (31) zu lauschen. Während der Künstler seine Jugend in Oklahoma besingt, verabschiede ich mich ins Bad und lasse die Wirbelwanne mit Wasser volllaufen. Zudem rufe ich bei meinem Bruder an und erfahre, dass er die letzte Nacht auf einem wunderschönen Camping Ground (löblich: Wohnwagenplatz) an der Apalachee Bay verbracht hat. Georg ist begeistert und gibt mir zu verstehen, dass er gleich mit seiner Ehefrau nach Tallahassee kutschieren wird, um das alte Capitol (löblich: Rathaus) der Stadt zu besichtigen. Darüber hinaus vernehme ich, dass die lieben Leute am Nachmittag einen Spaziergang durch den weltbekannten “Alfred B. Maclay Garden” unternehmen werden – das hört man gerne.
Meine Verwandten sind im Winnebago unterwegs
09.30 Uhr Nach Rosenöl duftend, hüpfe ich aus der Wanne und zögere nicht, mich ordentlich abzutrocknen und in Schale zu werfen. Anschliessend kontaktiere ich den Professor und kündige an, alsbald im Zentrum einzutreffen. Edelbert freut sich und sagt, dass er mich im Starbucks zum Frühstück erwarten wird – wie aufregend.
10.00 Uhr Just als Frau Gomez die Haustüre aufstösst, lasse ich den Autoschlüssel in meine Hosentasche wandern und rufe den Vierbeiner auf, mir nach draussen zu folgen. Meine Zugehfrau stellt sich mir jedoch in den Weg und unterbreitet, dass sie Waschpulver benötigt. Ich zucke mit den Schultern und entgegne, dass mir leider die Zeit fehlt, um im Supermarkt abzuschoppen. Um weiteren Diskussionen aus dem Weg zu gehen, schiebe ich die kleine Frau beiseite und laufe mit schnellen Schritten zum PS-strotzenden SUV.
10.45 Uhr Nach einer langen Parkplatzsuche kann ich den Chevrolet Suburban endlich vor dem besagten Kaffeehaus parken. Mit Dixon im Schlepptau eile ich in die Filiale und treffe Edelbert an einem Tisch mit Ausblick an. Weil mein Magen knurrt, fackle ich nicht lange und ordere zwei “Canadian Bacon & Egg Sandwiches” (löblich: Kanadisches Schinken und Ei Brote) sowie einen grossen Becher “Veranda Blend” Kaffee mit ganz viel Milch. Danach lasse mich neben dem Professor nieder und bringe heraus, dass er im Anschluss eine Buchhandlung aufsuchen möchte, um die neuerschienene Biografie “Democracy: Stories from the Long Road to Freedom” aus Condoleezza Rices Feder zu kaufen. Ich mache grosse Augen und erinnere daran, dass die Negerin von 2005 bis 2009 Aussenministerin unter George W. Bush war und die Staaten Iran, Kuba, Myanmar, Nordkorea, Simbabwe und Weissrussland als “Vorposten der Tyrannei” bezeichnet hat.
Frau Rice hat ein Buch geschrieben
11.45 Uhr Kurz vor dem Mittagsläuten stehen wir wieder auf der Strasse und statten dem Bookstore (löblich: Buchgeschäft) in der Nachbarschaft einen Besuch ab. Prompt werden wir fündig und vernehmen vom Geschäftseigentümer, dass der knapp 500 Seiten starke Wälzer mittlerweile die Bestsellerliste der “New York Times” anführt. Ich überlege nicht lange und nehme mir ebenfalls ein Exemplar vom Regal.
Democracy von Condoleezza Rice
12.30 Uhr Nach dem Bezahlvorgang schlendern wir zum Auto und plaudern über dies und das. Prof. Kuhl reibt sich die Hände und meint, dass er sich nun die ersten Kapitel lesen wird. Ich schlage in die gleiche Kerbe und wünsche meinem Bekannten viel Vergnügen.
13.15 Uhr Zuhause angekommen, finde ich die kleine Villa redlichst herausgeputzt vor. Wie es sich gehört, fülle ich gesundes Trockenfutter in Dixons Napf und nehme mir das Recht heraus, eine Tiefkühlpizza im Ofen aufzubacken.
14.00 Uhr Ich lasse mir die Jause in der kühlen Wohnstube munden und blättere interessiert in Frau Rices Buch. Leider fallen mir schnell die Augen zu und ich sehe mich genötigt, die Beine auf dem Sofa hochzulegen.
15.00 Uhr Wenig später pocht Frau Pontecorvo an die Terrassentüre und erkundigt sich, ob sie mir beim Kaffeekränzchen Gesellschaft leisten darf. Ich nicke eifrig und mache mich augenblicklich am futuristischen DeLonghi Vollautomaten zu schaffen. Unterdessen wirft meine Nachbarin prüfende Blicke in die Memoiren der ehemaligen Aussenministerin und unkt, dass es mir schwer fallen muss, die englischen Fachbegriffe zu verstehen. Ich klopfe mir lachend auf die Schenkel und erwähne mit erhobenem Zeigefinger, dass mein Englisch perfekt ist.
Hund Dixon ist brav
16.00 Uhr Nachdem Frau Pontecorvo das Weite gesucht hat, breche ich mit dem Rüden zu einer Wanderung durch das Wohngebiet auf. Unter anderem schlendere ich am Haus von Herrn West vorbei und tratsche angeregt mit dem Ehemann der abgehalfterten Hollywooddiva Merryl Dench. Der Tattergreis lüftet seine Mütze und erzählt, dass seine Angetraute am Wochenende nach Los Angeles ausgeflogen ist – das soll mir auch Recht sein.
17.00 Uhr Wieder zurück in der kleinen Villa, schlüpfe ich aus den Flip Flops und gönne mir eine Hopfenkaltschale. Dazu gibt es ein mit Käse belegtes französisches Langbrot (unlöblich: Baguette) sowie köstliche Gurkenscheiben aus dem Glas – schmeckt gar nicht schlecht.
Ich schlüpfe aus den Flip Flops
18.00 Uhr Nach dem Nachtmahl mache ich es mir vor der Glotze bequem und schaue mir die Nachrichten an. Neben den üblichen Schreckensmeldungen aus dem alten Europa, lerne ich ausserdem, dass Morgen der “Ascension Day” (löblich: Christi Himmelfahrt) gefeiert wird – wie schön.
19.00 Uhr Um auf andere Gedanken zu kommen, wechsle ich auf HBO und gebe mich dem Spielfilm “Complete Unknown” (löblich: Komplett Unbekannt) hin. Ich staune Bauklötze und tauche in das Leben einer jungen Frau ein, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, ihre Mitmenschen Lügengeschichten aufzutischen – so ein Schmarrn.
21.00 Uhr Nach zweistündiger Langeweile schalte ich den Flachbildschirm aus und rufe Dixon ins Haus. Zu guter Letzt lösche ich das Licht und falle übermüdet ins Bett. Gute Nacht.