21. April 2017 – Guido ruft an!

08.00 Uhr Die Amazon ECHO Musiksäule weckt mich mit schöner Rodney Crowell Musik. Während der 66jährige Musiker eine durchzechte Nacht in einer zwielichtigen Hoteltränke besingt, hüpfe ich aus dem Bett und greife zur Schwarzbeere (unlöblich: Blackberry). Ruckzuck tippe ich Georgs Rufnummer ein und freue mich, meinen Bruder nach dem dritten Tuten an der Strippe zu haben. Der gute Mann berichtet ausführlich von seinem Abstecher zu den Florida Keys und setzt mich darüber in Kenntnis, dass man die Inselkette gesehen haben muss. Ich nicke eifrig und bringe weiter heraus, dass die lieben Leute gestern in Key West eingetroffen sind und sich bis morgen ins renommierte “The Marker Resort” einquartiert haben. Georg geht noch weiter und plappert davon, dass er erst am Montag in Naples zurück sein wird – das ist wieder typisch.
08.45 Uhr Nach dem Frühsport auf der Terrasse, ziehe ich mich in die Nasszelle zurück, um mich bei einem löblichen Wirbelbad zu entspannen. Ich schliesse zufrieden die Augen und denke daran, dass ich in drei Wochen ebenfalls verreisen und die Universitätsstadt Berkeley in Kalifornien besuchen werde – wie aufregend.


Bald werde ich die Universität Berkeley besuchen

09.45 Uhr Kurz vor dem Zehnuhrläuten steige ich aus der Wirbelbadewanne und läute den Tag mit einem prima Frühstück ein. Leider wird die Ruhe bald durch Frau Pontecorvo gestört. Meine Nachbarin stösst verärgert die Terrassentüre auf und erzählt, dass sie am gestrigen Abend ihren FORD MUSTANG aus der Werkstatt abholen konnte. Die Alte jammert in einer Tour und vertellt, dass ein Mechaniker die “Head Gasket” (auf deutsch: Zylinderkopfdichtung) austauschen musste und ihr 800 Dollars abgeknöpft hat – das ist ja allerhand.
10.15 Uhr Um der kleinen Frau etwas Gutes zu tun, hole ich einen weiteren Teller aus dem Küchenschrank und kredenze eine Portion Rühreier mit Speck. Meine Bekannte greift zungeschnalzend zur Gabel und kündigt an, dass sie in Zukunft den Gürtel enger schnallen muss – das soll mir auch Recht sein.
11.00 Uhr Just als der Zeiger meiner Wanduhr auf Elf zugeht, bimmelt das Festnetztelefon besonders laut. Zu allem Überfluss meldet sich Elsbeth in der Leitung und lotet aus, ob es mir gut geht. Ich beruhige meine Schwester und gebe zu Protokoll, dass es mir in Florida an nichts fehlt. Darüber hinaus schimpft die Hamburgerin über das kalte Wetter in der Hansestadt und unterbreitet, dass ihr Sohn im Mai über den grossen Teich fliegen wird, um acht Wochen in den Vereinigten Staaten zu verweilen. Als ich mich skeptisch gebe, reicht meine Schwester den Hörer plötzlich an Guido weiter und ich habe das zweifelhafte Vergnügen, das erste Mal seit Jahren mit dem Verbrecher sprechen zu müssen. Guido wünscht mir einen guten Tag und meint, dass wir die Vergangenheit hinter uns lassen sollten. Ferner merkt er Frechdachs an, dass er längst auf den Pfad der Tugend zurückgekehrt ist und sogar im kommenden Jahr seine langjährige Freundin Petra heiraten wird. Ich winke ab und ziehe es vor, den Hörer wortlos auf die Basisstation zu knallen – gleich platzt mir der Kragen.


Der Verbrecher ruft mich an

11.30 Uhr Mit zitternder Stimme wende ich mich Frau Pontecorvo zu und lasse sie wissen, dass ich gerade mit Guido sprechen musste. Meine Nachbarin schlägt erschrocken die Hände über dem Kopf zusammen und unkt, dass der Heini nichts Gutes im Schilde führt – wie wahr.
12.00 Uhr Nachdem sich Frau Pontecorvo verabschiedet hat, räume ich den Tisch ab und erkläre Dixon, dass wir nun an den Golf krusen werden. Der lustige Vierbeiner ist ganz aus dem Häuschen und rennt kläffend zum Auto.
12.45 Uhr Nach einer kurzweiligen Reise erreichen wir den “Clam Pass Park” und ich schlüpfe aus den Schuhen, um meine Füsse im kühlen Nass zu baden – das macht Spass.
13.30 Uhr Während Dixon den Möwen hinterher jagt, rufe ich kurzentschlossen beim Professor an und erzähle, dass ich eben mit Guido telefoniert habe. Edelbert macht sich die grössten Sorgen und befürchtet, dass der Gauner bald vor der kleinen Villa stehen und mich ausrauben wird. Ich seufze laut und entgegne, dass es wohl gescheiter wäre, nach Nebraska umzuziehen.


Hund Dixon schwitzt

14.00 Uhr Weil die Sonne unbarmherzig vom Himmel brennt, lotse ich Dixon in eine klimatisierte Strandgaststätte und stelle ihm eine Brotzeit in Aussicht. Eine leichtbekleidete Kellnerin namens Mary (27) heisst uns herzlich Willkommen und lässt es sich nicht nehmen, meinem tierischen Begleiter über den Kopf zu streicheln. Ich lasse mich verschwitzt an der Bar nieder und bitte die Bardame, nicht nur eine Schüssel Wasser für das Haustier, sondern auch einen Pitcher (löblich: Krug) Rolling Rock Bier aufzufahren. Darüber hinaus werfe ich prüfende Blicke in die Tageskarte und ordere einen saftigen Käseburger (unlöblich: Cheeseburger) mit Fritten.
14.30 Uhr Während ich kraftvoll zubeisse, spült die Maid hinter den Tresen Gläser und erkundigt sich, ob ich ein “local Guy” (löblich: lokaler Bursche) bin. Ich wische mir den Mund an der Serviette ab und informiere, dass ich seit vielen Jahren im Willoughby Drive zu Hause bin. Die Kellnerin freut sich und vermutet, dass ich mich in Florida sehr wohl fühlen muss – wie Recht das Kind doch hat.


Ich gebe ein stattliches Trinkgeld

15.00 Uhr Nachdem ich dem Mädchen ein stattliches Trinkgeld zugesteckt habe, verlasse ich mit Dixon die Gaststätte und schlendere mit einem lustigen Lied auf den Lippen zum Auto zurück.
16.00 Uhr Endlich bin ich wieder dahoam und kann mich von den Strapazen des Tages erholen. Gähnend falle ich aufs Kanapee und döse prompt ein, um von meinem verlotterten Neffen Guido zu träumen – wie furchtbar.
17.00 Uhr Ich erwache ausgeruht und giesse mir ein erfrischendes bayerisches Vollbier ein. Ferner bereite ich das Abendessen vor und entschliesse mich, mit einem gut durchgebratenen T Knochen Schnitzel (unlöblich: T Bone Steak) sowie einem gemischten Salat mit Thousand Island Dressing (löblich: 1.000 Insel Sauce) Vorlieb zu nehmen.


Prost

18.00 Uhr Nach der schweisstreibenden Hausarbeit beginnt der wohlverdiente Feierabend. Ich kippe mir eine weitere Hopfenkaltschale hinter die Binde und gebe mich auf FOX den Abendnachrichten hin.
19.00 Uhr Um etwas Abwechslung zu bekommen, schalte ich auf den Premiumkanal HBO um, wo gerade der Vorspann zum Krimi “The Town That Dreaded Sundown” (auf deutsch: Warte bis es Dunkel wird) anläuft. Ich lehne mich entspannt zurück und werde Zeuge, wie ein maskierter Mörder die Kleinstadt Texarkana terrorisiert.
21.00 Uhr Nach zweistündigem Nervenkitzel beende ich den Fernsehabend und putze mir zum Abschluss des langen Tages die Zähne. Im Anschluss reguliere ich die Klimaanlage und lege mich schlafen. Gute Nacht.