07.00 Uhr Ich werde in aller Herrgottsfrühe durch lautes Telefonklingeln geweckt. Zu allem Überfluss meldet sich mein Bruder in der Leitung und erkundigt sich, ob ich mit nach Fort Myers fahren will. Als ich genauer nachfrage, versorgt mich Georg mit Infos und meint, dass seine Ehefrau im “Michael Kors Outlet” Geschäft ein schickes Sommerkleid kaufen und anschliessend durch die “Del Prado Mall” bummeln möchte. Ich rolle demonstrativ mit den Augen und entgegne, dass ich bei dieser Hitze ganz bestimmt nicht abschoppen werde.
07.30 Uhr Nachdem ich meinen Verwandten viel Vergnügen gewünscht und das Telefonat beendet habe, ziehe ich mir die Bettdecke über den Kopf und döse wieder ein – das tut gut.
08.30 Uhr Eine Stunde später hüpft Dixon ins Bett und animiert mich, endlich aufzustehen. Ich gähne ausgiebig und ziehe es vor, den Vierbeiner an die frische Luft zu scheuchen und die Morgengymnastik zu absolvieren.
Das Unkraut muss weg
09.00 Uhr Danach beobachte ich Frau Pontecorvo beim Unkrautjäten. Wie es sich gehört, winke ich der Alten freundlich zu und erwähne, dass meine Verwandten heute ein kleines Vermögen für Kleider, Schuhe und anderen Mist aus dem Fenster werfen werden. Meine Nachbarin kommt aus dem Schmunzeln gar nicht mehr heraus und meint, dass es super sein muss, nicht auf dem Taler achten zu müssen – wie Recht die kleine Frau doch hat.
09.30 Uhr Um nicht Wurzeln zu schlagen, kehre ich in die klimatisierte Stube zurück und nehme ein löbliches Wirbelbad. Nebenher fröne ich dem Programm meines Lieblingsradiosenders und lerne, dass die “Zac Brown Band” ein nagelneues Studioalbum veröffentlicht hat. Der Moderator schwärmt in den höchsten Tönen und lässt es sich nicht nehmen, eine brandneue Komposition anzuspielen. Ich staune nicht schlecht und entschliesse mich, einige Dollars locker zu machen und mir diese Scheibe auf Amazon.com herunterzuladen.
Zac Brown Band – Jekyll + Hyde
10.30 Uhr Nachdem ich mich angezogen habe, brühe ich echten Bohnenkaffee auf und zögere nicht, den Heimrechner einzuschalten. Bereits nach wenigen Augenblicken sind die Lieder auf meiner Festplatte gespeichert und mir ist es möglich, das kultivierte Zuhause mit handgemachter Musik zu beschallen – da kommt Freude auf.
11.00 Uhr Just als ich mir das Frühstück schmecken lasse, rollt plötzlich Edelberts schneeweisser JEEP vor. Ich eile winkend zur Haustüre und frage den Professor, warum er seinen Besuch nicht telefonisch angekündigt hat. Mein Bekannter reicht mir die Hand und sagt, dass er den weiten Weg auf sich genommen hat, um sich meinen leistungsstarken Akkubohrer auszuborgen. Selbstverständlich führe ich Edelbert spornstreichs in die Garage und überreiche ihm das gewünschte Werkzeug. Währenddessen bringe ich in Erfahrung, dass der gute Mann einen Spiegel im Eingangsbereich seiner luxuriösen Stadtwohnung anbringen möchte – wie schön.
12.00 Uhr Nachdem ich dem Gast ein Heissgetränk spendiert und ihm klargemacht habe, dass man Schrauben rechtsdrehend in die Wand treiben muss, verabschiede ich den Professor freundlichst. Danach lotse ich den Rüden zum Chevrolet und stelle klar, dass wir nun den PS-strotzenden SUV auftanken und waschen werden.
12.30 Uhr Als die Sonne ihren Höchststand erreicht hat, fahre ich die EXXON Tankstelle an der Immokalee Road an und lese, dass die Benzinpreise schon wieder angestiegen sind. Trotz meiner angespannten Finanzlage gleite ich zur Zapfsäule Nummer 4 und fülle 12 Gallonen Premiumbenzin in den Tank. Bei dieser Gelegenheit tratsche ich mit einem Knecht namens Raul (26) und mache ihm klar, dass er die Windschutzscheibe meines Autos nicht waschen soll – immerhin habe ich keinen Goldesel im Vorgarten stehen.
13.15 Uhr Nach dem Tankvorgang trete ich das Gaspedal bis zum Anschlag durch und habe das Vergnügen, im Radio das schöne Lied “Looking in the Mirror” (löblich: Schau in den Spiegel) des 76jährigen Landmusiksängers David Allan Coe zu hören. Ich stelle die Musik etwas lauter und fahre als nächstes die “Chili’s Grill & Bar” Wirtschaft an, um mir ein Mittagessen zu gönnen. Um Geld einzusparen, ringe ich mich dazu durch, an der Essensausgabe zwei “Southern Smokehouse Burger” (löblich: Südliche Rauchhausburger) zum Mitnehmen zu ordern.
Ein vitaminreicher Smokehouse Burger
14.00 Uhr Endlich bin ich wieder daheim und kann mir die Mahlzeit zu einem kühlen Bier im klimatisierten Wohnzimmer schmecken lassen. Ich beisse kraftvoll zu und bemerke, dass das Fleisch perfekt durchgebraten ist.
15.00 Uhr Da mir langsam die Augen zufallen, schlüpfe ich aus den schweren Kuhjungenstiefeln und bette mich auf dem Kanapee zur Ruhe.
16.00 Uhr Ich erwache redlichst ausgeruht und gehe Anschnur. Im Rahmen der Elternberatung rufe ich Hilferufe besorgter Heimseitenbesucher ab und registriere, dass es die verlotterte Jugend derzeit besonders bunt treibt – wo soll das nur hinführen.
17.00 Uhr Nachdem alles abgearbeitet ist, greife ich zur Hundeleine und breche mit Dixon zu einem Spaziergang durchs Wohngebiet auf. Nebenbei gebe ich Georgs Nummer in die Schwarzbeere (unlöblich: Blackberry) ein und vernehme, dass sich meine Verwandten noch immer in der “Del Prado Mall” tummeln. Georg kommt aus dem Plappern gar nicht mehr heraus und meint, dass er erst gegen 21 Uhr in Naples sein wird – wie unlöblich.
Mein Zuhause unter Palmen
18.00 Uhr Zurück im Willoughby Drive, mache ich mich in der Küche nützlich und richte eine Brotzeitplatte mit Schinken, luftgetrockneter Salami und Cheddarkäse an. Im Anschluss mache ich es mir zeitungslesend in der Wohnstube gemütlich und studiere lesenswerte Berichte im Lokalteil.
19.00 Uhr Um auf andere Gedanken zu kommen, schalte ich zur besten Sendezeit die Glotze ein. Ich wähle das Qualitätsprogramm von HBO aus und fröne der Kriminalkomödie “Now You See Me” (auf deutsch: Die Unfassbaren). Ich amüsiere mich köstlich und sehe, wie vier Zauberkünstler einen Millionär um sein Vermögen bringen – wie aufregend.
21.00 Uhr Nach zweistündiger Spitzenunterhaltung beende ich den Fernsehabend. Danach begleite ich Hund Dixon noch einmal durch den Garten und ziehe mich ins Schlafzimmer zurück. Gute Nacht.