08.00 Uhr Ich öffne die Augen und freue mich, endlich wieder im Rentnerparadies zu sein. Bei strahlendem Sonnenschein trete ich auf die Terrasse und atme tief durch. Danach tausche ich mich mit meinem Nachbarn aus und lasse Herrn Booth wissen, dass ich gestern Abend aus Kanada zurückgekehrt bin. Der hochdekorierte Vietnamveteran schenkt mir ein Lächeln und erkundigt sich, ob ich ein schönes Weihnachtsfest hatte. Ich nicke eifrig und stelle klar, dass ich von meinen Verwandten reich beschenkt wurde.
Meine schöne Villa unter Palmen
08.30 Uhr Um nicht Wurzeln zu schlagen, verabschiede ich mich ins Haus und entspanne mich bei einem löblichen Wirbelbad. Unterdessen rufe ich beim Professor an und bringe heraus, dass Edelbert mit einem Schnupfen im Bett liegt. Mein Bekannter legt besonders schlechte Laune an den Tag und meint, dass er sich im hohen Norden verkühlt hat und heute keinen Schritt vor die Türe wagen wird. Ich seufze laut und antworte, dass ich den Vormittag nutzen werde, um mit Hund Dixon an den Strand zu krusen – was kann es schöneres geben.
09.30 Uhr Nach dem Badevergnügen brühe ich echten Bohnenkaffee auf und zögere nicht, das Frühstück im Freien einzunehmen. Zu meiner Freude kommt bald Frau Pontecorvo daher und möchte wissen, ob sie mir Gesellschaft leisten darf. Ich biete der Alten einen Stuhl an und nehme mir das Recht heraus, sie mit vitaminreichen Rühreiern zu verwöhnen. Bei dieser Gelegenheit lasse ich den Aufenthalt bei meinen Verwandten Revue passieren und verrate, dass sich mein Bruder spendabel gezeigt und mich nach New York eingeladen hat. Während meine Nachbarin grosse Augen macht, beisse ich kraftvoll in ein Honigbrot und erwähne, dass ich am 1. April ein Musical am Broadway und zwei Tage später ein Billy Joel Konzert sehen werde – das wird phantastisch.
10.30 Uhr Weil der Vierbeiner unruhig wird, trinke ich einen letzten Schluck Kaffee und lade Frau Pontecorvo ein, mich ans Meer zu begleiten. Die Dame lässt sich nicht zweimal bitten und folgt mir plappernd zum Chevrolet. Ich helfe dem Rüden auf die Ladefläche und mache es mir zur Aufgabe, das Auto vorsichtig aus der Garage zu steuern.
11.00 Uhr Wenig später erreichen wir den “Lowdermilk Park” und schlendern mit Dixon zum Strand. Ich sauge die salzige Luft tief in meine Lungen ein und unterbreite, dass ich das sonnige Wetter sehr vermisst habe.
Diese Idylle muss man erlebt haben
11.30 Uhr Nachdem ich meine Sonnenbrille aufgesetzt habe, lasse ich mich auf einer Bank nieder und berichte weiter von meinen Erlebnissen in Kanada. Auch meine Bekannte kommt auf das Weihnachtsfest zu sprechen und beteuert, dass sie eine schöne Zeit in Jacksonville hatte.
12.00 Uhr Als der Stundenzeiger meiner wertvollen ROLEX auf 12 deutet, vertreten wir uns die Füsse und folgen dem Boardwalk (löblich: Strandweg) nach Süden. Schon bald passieren wir eine einladende Gaststätte und entschliessen uns, eine kleine Mahlzeit einzunehmen. Während ich mich für einen Cheeseburger mit Fries (löblich: Fritten) entscheide, wählt Frau Pontecorvo einen kleinen Salat mit Hühnerstreifen. Der beschürzte Kellner lässt nicht lange auf sich warten und fährt ausserdem einen Pitcher (löblich: Krug) Coors Light auf – wie schön.
12.30 Uhr Ich spüle meinen trockene Kehle mit kräftigen Schlucken durch und gebe zu Protokoll, dass ich am Wochenende das zweifelhafte Vergnügen haben werde, meine Mieterin im Sonnenscheinstaat zu begrüssen. Die Pontecorvo wird prompt hellhörig und schlägt vor, dass wir das Kind gemeinsam am Flughafen in Empfang nehmen könnten – wie unlöblich.
Hund Dixon jagt Möwen
13.15 Uhr Nachdem wir das Mittagessen mit Schaumkaffees abgerundet haben, setzen wir unseren Spaziergang fort. Während Dixon Möwen jagt, schaue ich auf den Ozean und verweise auf Präsident Obamas Ankündigung, die politischen Beziehungen zum Inselstaat Kuba wieder aufzunehmen. Meine Begleiterin reibt sich die Hände und sagt, dass es schon immer ihr grosser Wunsch war, nach Havanna zu reisen. Ich schüttle jedoch den Kopf und bin mir sicher, dass das Wirtschaftsembargo sowie das Einreiseverbot für Amerikaner noch lange Bestand haben wird.
14.00 Uhr Um keinen Hitzeschlag zu riskieren, laufen wir zum Auto zurück und treten die Heimreise in den Willoughby Drive an. Ich bringe meine Nachbarin sicher ins Wohngebiet zurück und kündige an, dass ich mich nun aufs Kanapee legen und etwas schlafen werde – immerhin bin ich nicht mehr der Jüngste.
14.30 Uhr Endlich kann ich die Beine ausstrecken und mich von den Strapazen des nervenaufreibenden Vormittages erholen. Nach wenigen Sekunden döse ich ein und sehe mich im Traum an den Lake Simcoe versetzt.
Am Lake Simcoe
15.30 Uhr Ich erwache ausgeschlafen und nehme spornstreichs am Schreibtisch platz, um Anfragen besorgter Heimseitenbesucher abzurufen. Unter anderem schreibt Herr Elmar P. aus Dresden, dass sein 15jähriger Sohn die Weihnachtsferien im Bett verbracht hat und es nicht einmal für nötig hielt, am heiligen Abend in die Kirche zu gehen. Selbstverständlich verfasse ich ein gepfefferten Antwortschreiben und erkläre dem alleinerziehenden Vater, dass die Jugend von heute zu nichts zu gebrauchen ist – wo soll das noch hinführen.
16.30 Uhr Nach getaner Arbeit genehmige ich mir ein kühles Bier und rufe erneut in Edelberts Stadtwohnung an. Mein Bekannter meldet sich hustend und sagt, dass er sich hundeelend fühlt. Ich spende dem schlauen Mann Trost und gebe ihm zu verstehen, dass die Erkältung morgen verflogen sein wird.
17.00 Uhr Im Anschluss bereite ich das Abendessen vor. Da ich keine grosse Lust habe, stundenlang am heissen Herd zu stehen, verfrachte ich eine Fertigpizza ins Rohr und nehme mit einem Tomatensalat Vorlieb – das schmeckt.
Ich lasse mir eine Pizza schmecken
18.00 Uhr Nachdem ich in der Küche für Sauberkeit gesorgt habe, beginnt der wohlverdiente Feierabend. Ich rufe Hund Dixon in die gute Stube und schalte die Glotze ein, um mich über Elvis Presleys 80. Wiegenfest schlau zu machen. Ich seufze laut und komme zu dem Schluss, dass der beliebte Sänger viel zu früh von uns gegangen ist.
19.00 Uhr Zur besten Sendezeit wechsle ich auf SHOWTIME und schaue mir einige Folgen der preisgekrönten Serie “Shameless” an, die von Familie Gallagher aus Chicago erzählt. Ich amüsiere mich köstlich und erhalte per Einblendung die Auskunft, dass am kommenden Sonntag neue Episoden laufen werden – wie schön.
21.00 Uhr Nach 120minütiger Spitzenunterhaltung beende ich den Fernsehabend und lasse Dixon noch einmal in den Garten hinaus. Danach lösche ich das Licht und gehe zu Bett. Gute Nacht.