18. November 2014 – Im Seniorenwohnheim

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07.45 Uhr Ich rolle gähnend aus dem Bett und fülle Dixons Napf mit erfrischendem H²O auf. Anschliessend absolviere ich auf der schattigen Terrasse die Morgengymnastik und lausche wunderschöner Garth Brooks Musik.

08.15 Uhr Just als ich einen Purzelbaum schlage, kommt Herr Booth daher und plappert davon, dass er gestern Herrn Rhodes im “Terracina Grand” Seniorenwohnheim besucht hat. Mein Nachbar lässt den Ausflug in allen Einzelheiten Revue passieren und setzt mich darüber in Kenntnis, dass der 93jährige fast täglich auf dem benachbarten “Glen Eagle” Golfplatz unterwegs ist, um sich mit anderen Senioren im Golfspielen zu messen – wie aufregend.
08.30 Uhr Weil sich Herr Rhodes nach mir erkundigt hat, fasse ich den Entschluss, dem guten Mann einen Besuch abzustatten. Voller Vorfreude laufe ich ins Badezimmer und nehme mir das Recht heraus, die Wirbelbadewanne mit Wasser aufzufüllen – da kommt Freude auf.
09.30 Uhr Nach dem Waschvorgang setze ich mich an den Küchentisch und stärke mich mit einem reichhaltigen Frühstück. Bei dieser Gelegenheit blättere ich in der “Naples Daily News” (löblich: Naples tägliche Neuigkeiten) und lerne, dass in neun Tagen Thanksgiving (löblich: Erntedank) gefeiert wird. Ich lasse Dixon vom Nutellabrot abbeissen und stelle klar, dass ich mich nicht lumpen lassen und zur Feier des Tages einen Truthahn mit Füllung auf den Tisch des Hauses bringen werde – Frau Pontecorvo und Edelbert werden staunen.

katzelandmusik
CAT COUNTRY (KATZE LAND) – der beste Radiosender

10.00 Uhr Um nicht in den Mittagsverkehr zu geraten, scheuche ich Dixon zum PS-strotzenden Chevrolet und presche mit quietschenden Reifen aus der Garage. Während der kurzweiligen Reise erfreue ich mich am Qualitätsprogramm von WCKT CAT COUNTRY (löblich: Katze Land) und habe sogar das Vergnügen, das Lied “Feed Jake” (löblich: Füttere Jake) der Südstaatencombo “Pirates of the Mississippi” zu hören – wie schön.
10.45 Uhr Kurz vor dem Elfuhrläuten parke ich das Auto direkt vor dem Seniorenruhesitz und erkundige mich bei der Empfangsdame, wo ich Herrn Rhodes finden kann. Die Frau schenkt mir ein Lächeln und unterbreitet, dass es mein Bekannter vorzieht, die Vormittagsstunden in der Bibliothek zu verbringen. Ich nicke eifrig und folge mit Hund Dixon im Schlepptau der Wegbeschreibung in den hinteren Teil des Gebäudes.
11.15 Uhr Am Ziel angekommen, treffe ich Herrn Rhodes in Gesellschaft zweier Damen an. Mein ehemaliger Nachbar freut sich und behauptet, dass wir uns zwei lange Jahre nicht gesehen haben. Ich gebe dem 93jährigen Recht und entgegne, dass ich viele Termine im Kalender stehen und ausserdem oft im Ausland zu tun hatte. Herr Rhodes winkt nur ab und meint, dass wir uns die Beine vertreten könnten – das soll mir Recht sein.
11.45 Uhr Nachdem wir uns von den blauhaarigen Schabracken in der Bibliothek verabschiedet haben, schlendern wir durch die Parkanlage und tratschen angeregt. Herr Rhodes legt beste Laune an den Tag und versichert, dass es ihm im “Terracina Grand” an nichts fehlt. Ferner kommt der Heini auf seine Bekanntschaften zu sprechen und rechnet vor, dass er täglich mit einer anderen Damen das Abendessen im Speisesaal einnimmt – wie aufregend.

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Herr Rhodes besucht am Wochenende das schöne Miami

12.30 Uhr Da die Sonne unbarmherzig vom Himmel brennt und für Rekordtemperaturen sorgt, kehren wir ins hauseigene Restaurant ein und bedienen uns am Büfett. Ich fülle meinen Teller mit Macaronis auf und vernehme, dass die Bewohner des “Terracina Grand” sogar die Möglichkeit haben, an Ausflügen teilzunehmen. Mein Tischnachbar reibt sich die Hände und sagt, dass er am Wochenende mit einer gewissen Frau Karen (86) nach Miami reisen wird, um viel Geld in angesagten Boutiquen zu lassen. HEUREKA – solchen Luxus kann ich mir nicht leisten.
13.15 Uhr Zum Abschluss der opulenten Jause winken wir einen Kellner herbei und ordern lustigen Schokoladenpudding mit Schlagobers. Nebenher mache ich mir eigene Gedanken und komme zu dem Schluss, dass es gar keine schlechte Idee wäre, die kleine Villa im Willoughby Drive zu veräussern und ebenfalls hier heimisch zu werden. Um mir einen genauen Überblick zu verschaffen, löchere ich meinen Tischnachbarn mit Fragen und bringe heraus, dass er pro Monat 5.700 Dollars für alles bezahlen muss – das ist ja allerhand.
14.00 Uhr Nun wird es aber langsam Zeit, nach Hause zu fahren. Ich wünsche Herrn Rhodes einen schönen Nachmittag und verspreche, bald wieder zu kommen. Im Anschluss laufe ich zum Auto zurück und kruse gemächlich in Richtung Willoughby Drive davon.
14.30 Uhr Zuhause angekommen, serviere ich dem Vierbeiner gesundes Trockenfutter. Ausserdem schlüpfe ich aus den Kuhjungenstiefeln und gönne mir eine kleine Pause im klimatisierten Wohnzimmer – das tut gut.
15.30 Uhr Dummerweise wird mein Nickerchen bald durch Frau Pontecorvo gestört. Als ich die Haustüre öffne, hält mir die Gute selbstgebackene Donuts unter die Nase und sagt, dass sie grossen Kaffeedurst mitgebracht hat. Ich winke meine Nachbarin spornstreichs herein und nehme den futuristischen DeLonghi Vollautomaten in Betrieb.
16.00 Uhr Während ich kraftvoll zubeisse, erzähle ich von meinem Abstecher ins Seniorenwohnheim und gebe zu Protokoll, dass sich Herr Rhodes bester Gesundheit erfreut. Frau Pontecorvo macht grosse Augen und kündigt an, den alten Mann demnächst ebenfalls besuchen zu wollen.
16.45 Uhr Nachdem sich die Dame verabschiedet hat, komme ich meinen Pflichten als Anschnurseelsorger nach. Ich rufe pflichtbewusst elektronische Depeschen ab und rate verzweifelten Eltern, der undankbaren Jugend nicht alles durchgehen zu lassen – wo kämen wir denn da hin.

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Pizza ist sehr vitaminreich

17.30 Uhr Zu guter Letzt überfliege ich die Beiträge im Gästebuch und gehe dann von der Leine, um in der Küche für ein nahrhaftes Abendessen zu sorgen. Weil ich vom Mittagessen noch immer gesättigt bin, backe ich kurzerhand eine TOMBSTONE Fertigpizza im Ofen auf – wie gut das duftet.

https://www.youtube.com/watch?v=2jSi81o6l4I

18.15 Uhr Nach der Hausarbeit strecke ich in der Wohnstube die Beine aus und entspanne mich redlichst. Weil ich keine Lust habe, weitere Schreckensmeldungen zu hören, verzichte ich auf die Nachrichten und fröne einigen “Drombusch” Folgen auf DVD. Heute werde ich Zeuge, wie Onkel Ludwig von Frau Hohenscheid 800.000 Mark erbt und als Pächter der “Alten Mühle” in die Erfolgsspur zurückkehrt – da kommt Spannung auf.
21.00 Uhr Nach einer weiteren Episode mit dem Titel “Der falsche Weg” beende ich den Fernsehabend und rufe Dixon ins Haus. Danach reguliere ich die Klimaanlage und lege mich schlafen. Gute Nacht.