28. Juli 2014 – Ich werde Kunstmaler

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08.00 Uhr Ich werde durch lautes Telefonklingeln geweckt. Gähnend halte ich mir den Hörer ans Ohr und bin überrascht, Sandras Stimme zu hören. Das Kind plappert ohne Unterlass und setzt mich darüber in Kenntnis, dass es am 5. September nach Florida ausfliegen und mich besuchen wird – was muss ich denn noch alles ertragen.
08.30 Uhr Nach einer halben Stunde verfrachte ich den Sprechapparat auf die Basisstation und führe auf der Terrasse die Morgengymnastik durch. Nebenher mache ich mir meine eigenen Gedanken und komme zu dem Schluss, dass Sandras zweiwöchiger Aufenthalt kein Vergnügen werden wird. Trotz aller Widrigkeiten lasse ich mir die gute Laune nicht verderben und verschwinde in der Nasszelle, um mich bei einem Wirbelbad zu entspannen.

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Ich trinke Kaffee / Nevit Dilmen / CC BY-SA 3.0

09.30 Uhr Im Anschluss brühe ich mit dem DeLonghi Automaten Kaffee auf und verzehre ein prima Frühstück. Ausserdem rufe ich bei meiner Schwägerin an und bringe heraus, dass die Kinder nach Miami gekrust sind. Als ich auf meinen Bruder zu sprechen komme, seufzt Maria laut und sagt, dass sich Georg auf dem Golfplatz tummelt. Um der Guten eine kleine Freude zu bereiten, lade ich sie spontan zu einem Stadtbummel ein.
10.15 Uhr Als ich mit Hund Dixon die kleine Villa verlasse, sehe ich mich plötzlich mit Frau Pontecorvo konfrontiert. Meine Nachbarin wünscht mir einen guten Morgen und lotet aus, ob ich zum Einkaufen fahre. Ich schüttle den Kopf und weise auf die Tatsache hin, dass ich mit Maria einen Spaziergang unternehmen werde. Frau Pontecorvo strahlt wie ein Honigkuchenpferd und sagt, dass sie mich begleiten wird – wie unlöblich.
11.00 Uhr Nach einer kurzweiligen Reise im frisch aufpolierten Chevrolet treffen wir im Lowbank Drive ein. Als ich beherzt die Hupe betätige, wirft mir meine Nachbarin skeptische Blicke zu und meint, dass ein Kavalier eine Dame stets an der Haustüre in Empfang nimmt – papperlapapp.
11.30 Uhr Kurz vor dem Mittagsläuten finden wir uns im Stadtzentrum wieder und parken den PS-strotzenden SUV direkt vor dem “Chops City Grill” Gasthaus. Weil es für ein reichhaltiges Mittagessen noch zu früh ist, nehme ich den Vierbeiner an die Leine und folge den Frauen nach Westen. Wir schlendern an den angesagtesten Boutiquen der Stadt vorbei und bemerken, dass derzeit viele Touristen aus dem alten Europa zugegen sind – wie unlöblich.

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Naples ist ein Schoppingparadies

12.30 Uhr Nachdem ich mir ein Weicheis (unlöblich: Softeis) gekauft habe, lotse ich meine Begleiter in die “Emily James Gallery” und bestaune die ausgestellten Bilder. Angesichts der Schmierereien komme ich aus dem Lachen gar nicht mehr heraus und unterbreite, dass sogar David besser malen kann. Maria ist jedoch ganz anderer Meinung und legt mir nahe, selbst zum Pinsel zu greifen und mich künstlerisch zu betätigen.
13.00 Uhr Als nächstes schoppen die Frauenzimmer bei “Chico’s” ab und machen es sich zur Aufgabe, Schuhe, Blusen und lustige Hüte anzuprobieren. Unterdessen lasse ich mich vor dem Geschäft auf einer Bank nieder und träume davon, ein angesehener Kunstschaffender zu sein. Ich streichle Hund Dixon über den Kopf und erblicke auf der gegenüberliegenden Strassenseite einen Laden, der Künstlerbedarf feilbietet.
13.30 Uhr Da meine Begleiter noch immer die aktuelle Sommermode begutachten, entschliesse ich mich, die 5th Avenue zu überqueren und mich im besagten Geschäft umzusehen. Wie nicht anders zu erwarten, gesellt sich der Ladeninhaber augenblicklich an meine Seite und erkundigt sich, ob er mir behilflich sein kann. Ich nicke eifrig und mache auf den Umstand aufmerksam, dass ich schöne Bilder malen will. Mein Gegenüber führt mich an den Regalen vorbei und behauptet, dass ich mir ein Starterset (löblich: Anfangsgarnitur) zulegen sollte. Der Heini überreicht mir einen Karton und sagt, dass ich im Inneren Malkartons, Aquarellfarbe, Pinsel sowie eine kleine Staffelei finden werde. Ich fackle nicht lange und ringe mich dazu durch, das Angebot anzunehmen und 89 Dollars zu investieren.
14.15 Uhr Tütenbepackt verlasse ich das Geschäft und werde Zeuge, wie Frau Pontecorvo und Maria das “Chico’s” verlassen. Ich schnippe mit den Fingern und lade die Damen kurzerhand zum Mittagessen ins “Chops City Grill” Restaurant ein. Während sich meine Tischnachbarn mit Salaten begnügen, fresse ich ein saftiges Porterhouse Steak mit Butterbohnen und Kartoffeln. Darüber hinaus verweise ich auf meine Neuanschaffung und erkläre, dass ich in Bälde meine erste Ausstellung eröffnen werde.

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Ein Schnitzel vom Grill – das schmeckt

15.00 Uhr Nachdem ich die Rechnung übernommen habe, treten wir die Heimfahrt an. Ich bringe Maria zügig in den Lowbank Drive zurück und erzähle, dass ich am Nachmittag mein erstes Aquarell malen werde. Meine Schwägerin klopft mir auf die Schulter und sagt, dass ich bald Pablo Picasso in den Schatten stellen werde – wie aufregend.
15.45 Uhr Zurück im Willoughby Drive, verabschiede ich Frau Pontecorvo und eile in die kleine Villa, um den Karton aufzureissen. Fachmännisch baue ich die Staffelei zusammen und vergesse auch nicht, eine 20 mal 20 Zentimeter grosse Malunterlage auf das Holzgestell zu spannen. Danach öffne ich den Malkasten und versuche, eine gelbe Sonne aufs Papier zu bringen – das ist gar nicht so einfach.
16.30 Uhr Während aus der Musikanlage stimmungsvolle Colt Ford Lieder dröhnen, schwinge ich den Pinsel und male einen Strand sowie eine Palme – das ist phantastisch.
17.00 Uhr Nach getaner Arbeit renne ich nach nebenan und präsentiere meiner Nachbarin das Gemälde. Frau Pontecorvo macht grosse Augen und bestätigt, dass ich ein Naturtalent bin – wie wahr.

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Mein erstes Aquarell

17.30 Uhr Just als ich den farbverschmierten Küchentisch abwische, kommt das Haustier dazu und fordert mich auf, den Napf mit Trockenfutter aufzufüllen. Ich komme sogleich in die Gänge und ziehe es vor, den Backofen einzuschalten und für mich eine Pizza zuzubereiten. Dazu gibt es ein süffiges Budweiser sowie einen Salat.
18.30 Uhr Redlist gestärkt nehme ich die Geschirrspülmaschine in Betrieb und mache es mir dann im Wohnzimmer bequem. Ich schaue mir die FOX Nachrichten an und telefoniere mit Prof. Kuhn, um von meinem künstlerischen Schaffen zu berichten. Edelbert freut sich und sagt, dass er mich morgen besuchen wird.

19.00 Uhr Um etwas Abwechslung zu bekomme, schalte ich auf HBO um und lasse den Abend beim amerikanischen Episodenfilm “Hereafter” ausklingen. HEUREKA – diesen Unsinn muss man gesehen haben.
21.00 Uhr Nach zweistündiger Langeweile schalte ich die Glotze aus und rufe Dixon ins Haus. Anschliessend reguliere ich die Klimaanlage und lege mich schlafen. Gute Nacht.