07.45 Uhr Ich erwache ausgeschlafen und registriere, dass sich Dixon fiepend an der Terrassentüre eingefunden hat. Um einen genauen Überblick zu bekommen, stehe ich augenblicklich auf und werde Zeuge, wie ein Gürteltier durch den Garten huscht – das ist ja allerhand.
Gefährliches Gürteltier
08.15 Uhr Nachdem das gefährliche Reptil das Weite gesucht hat, öffne ich die Pforte und lasse Dixon wissen, dass sogenannte Armadillos messerscharfe Zähne haben und kraftvoll zubeissen können. HEUREKA – vielleicht wäre es doch gescheiter, das Grundstück mit einem zwei Meter hohen Maschendrahtzaun zu umschliessen.
09.45 Uhr Während der Vierbeiner mit dem braven Nachbarhund spielt, entspanne ich mich bei einem löblichen Wirbelbad. Ausserdem rasiere ich mir die Bartstoppeln ab und rufe bei meinem Bruder in Toronto an. Georg freut sich, meine Stimme zu hören und erzählt, dass er gerade Kleidung in eine Reisetasche packt. Als ich nachfrage, rückt der erfolgreiche Bauunternehmer mit der ganzen Wahrheit heraus und sagt, dass er das Wochenende mit Ehefrau Maria im “Casino Rama” verbringen wird. Ich mache grosse Augen und erfahre, dass im am Wochenende im hauseigenen Casinotheater das Musical “Rock of Ages” gezeigt wird – wie schön.
09.30 Uhr Nach dem Badespass setze ich mich an den Küchentisch und lasse mir das Frühstück munden. Ausserdem werfe ich neugierige Blicke in die Zeitung und lerne, dass sich in der kommenden Woche der umstrittene Schuldspruch gegen die italienischen Einwanderer Nicola Sacco und Bartolomeo Vanzetti zum 87. Mal jährt. Ich überlege genau und erinnere mich, dass die beiden des Raubmordes beschuldigt und ohne Beweise zum Tode verurteilt wurden – wie furchtbar.
10.30 Uhr Wenig später statte ich Frau Pontecorvo einen Besuch ab und berichte, dass Georg und Maria heute nach Orillia reisen und sich unbeschwerte Tage im Casino machen werden. Meine Nachbarin kredenzt brühfrischen Kaffee und will wissen, ob ich auch schon Urlaubspläne geschmiedet habe. Ich schüttle den Kopf und entgegne, dass mir einfach das Geld fehlt, um luxuriöse Reisen zu unternehmen. Meine Bekannte hält mir spornstreichs eine Broschüre unter die Nase und meint, dass eine romantische Reise nach Italien durchaus erschwinglich wäre – papperlapapp.
Keine romantische Italienreise
11.15 Uhr Um weiteren Diskussionen aus dem Weg zu gehen, schnippe ich mit den Fingern und scheuche Hund Dixon nach nebenan. Weil ich keine Lust habe, stundenlang am Herd zu stehen, rufe ich bei Prof. Kuhn an und bringe ein Treffen im “Mangrove Cafe” zur Sprache. Edelbert verweist auf seinen knurrenden Magen und sichert zu, in 45 Minuten in besagtem Gasthaus zu sein – das ist phantastisch.
12.00 Uhr Pünktlich zum Mittagsläuten komme ich mit quietschenden Bremsen vor der Wirtschaft zum Stehen. Ich gleite hungrig vom Fahrersitz und schlendere mit dem Haustier im Schlepptau ins Gasthaus, um Edelbert recht herzlich zu begrüssen. Wir fackeln nicht lange und ordern bei einer drallen Bedienung (22) saftige T-Bone Steaks (löblich: T Knochen Schnitzel) mit Bohnen und Maisbrot – das schmeckt.
13.00 Uhr Zu guter Letzt bescheren wir der rassigen Kellnerin ein stattliches Trinkgeld und vertreten uns die Beine. Unterdessen lasse ich meinen Besuch bei Frau Pontecorvo Revue passieren und informiere, dass die Gute mit der Idee spielt, im Sommer nach Italien auszufliegen. Edelbert winkt ab und stellt klar, dass er sich im August ganz bestimmt nicht in Rom, Florenz oder Mailand tummeln wird – wie Recht der schlaue Mann doch hat.
Florenz im Sommer: Nein Danke
13.45 Uhr Nun wird es aber langsam Zeit, Edelbert auf Wiedersehen zu sagen. Danach hüpfe ich winkend in den PS-strotzenden SUV und kruse radiohörend in Richtung Willoughby Drive davon.
14.30 Uhr Daheim angekommen, bette ich mich im kühlen Wohnzimmer zur Ruhe und döse bald ein. Unter anderem träume ich von meiner spannenden Reise quer durch den Kontinent – das waren noch Zeiten.
15.30 Uhr Nach der Pause setze ich mich voller Tatendrang an den Heimrechner und stehe verzweifelten Eltern bei schwerwiegenden Problemen zur Seite. Frau Tatjana O. aus dem ostdeutschen Bitterfeld schildert mir ihre Sorgen und schreibt, dass ihre Tochter (16) eine Ausbildung als Tätowiererin anstrebt. Ich rolle demonstrativ mit den Augen und rate dazu, der Maid eine Bäckerlehre schmackhaft zu machen – wo kämen wir denn da hin.
16.30 Uhr Nach einer Stunde beende ich die Anschnursitzung und überfliege die neuen Einträge im Gästebuch. Anschliessend strecke ich auf der schattigen Terrasse die Beine aus und mache mir weitere Gedanken bezüglich meines anstehenden Sommerurlaubs – leider ohne Erfolg.
17.15 Uhr Weil mir kein Urlaubsziel einfallen will, blättere ich während des Abendessens im Atlas. Ich nehme die Landkarten argwöhnisch in Augenschein und komme zu dem Schuss, dass eine Reise nach Asien unter keinen Umständen in Frage kommt. Ferner scheint es auch nicht ratsam zu sein, nach Europa oder zur unlöblichen Fussball WM nach Brasilien zu fliegen.
18.00 Uhr Nachdem ich die leistungsstarke Geschirrspülmaschine eingestellt habe, lasse ich mich im Kanapee nieder und schaue mir die FOX Nachrichten (unlöblich: FOX NEWS) an.
http://www.youtube.com/watch?v=Qjkpap_gMpM
19.00 Uhr Da keine brechenden Neuigkeiten (unlöblich: Breaking News) vorliegen, schalte ich auf den “Disney Channel” um und gebe mich dem Abenteuerfilm “Snow Dogs” (auf deutsch: Acht Helden auf vier Pfoten) hin. Ich lehne mich entspannt zurück und sehe, wie ein erfolgreicher Zahnarzt Post von einem Notar erhält. Schlussendlich erbt der Heini eine Blockhütte in Alaska sowie acht lustige Schlittenhunde – wie aufregend.
21.00 Uhr Nach zwei heiteren Stunden schalte ich die Glotze aus und denke daran, während der heissen Jahreszeit womöglich den nördlichsten Bundesstaat der Vereinigten Staaten zu erkunden. Gutgelaunt schliesse ich die Fenster und lege mich dann ins Bett. Gute Nacht.