07.45 Uhr Ich öffne die Augen und verspüre ein eigenartiges Jucken in der Nase. Missmutig hüpfe ich aus dem Bett und erkläre Dixon, dass ich am Heuschnupfen leide und eine Tablette einnehmen muss. Um weiteres Ungemach abzuwenden, laufe ich in die Küche und spüle zwei “GRAZAX” Pillen mit einem Schluck Wasser hinunter.
08.15 Uhr Nachdem ich ein Nasensprüh verwendet habe, stecke ich dem Vierbeiner einen Kauknochen in den Mund und entspanne mich bei einem erfrischenden Wirbelbad. Nebenher rufe ich eingegangene Depeschen auf meiner Schwarzbeere (unlöblich: Blackberry) ab und lese, dass meine unterbelichtete Mieterin mit dem Gedanken spielt, den Ostermonat April im Sonnenscheinstaat zu verbringen. Natürlich antworte ich prompt und schreibe, dass ich im April verreisen und keine Gäste empfangen werde – wo kämen wir denn da hin.
Meine Schwarzbeere
09.15 Uhr Kurz nach dem Neunuhrläuten klingelt es an der Haustüre. Ich öffne schwungvoll die Pforte und freue mich, Frau Pontecorvo vor der kleinen Villa anzutreffen. Die Perle präsentiert ein Backblech mit selbstzubereiteten Donuts und möchte wissen, ob wir gemeinsam Frühstücken wollen. Weil man einem geschenkten Gaul nicht ins Maul schauen sollte, winke ich die Dame herein und decke den Küchentisch.
09.45 Uhr Während ich kraftvoll zubeisse, kommt Frau Pontecorvo auf den Videoprojektor zu sprechen und lotet aus, ob der gestrige Filmabend schön war. Als ich mich ahnungslos gebe, schenkt mir meine Nachbarin ein Lächeln und entgegnet, dass sie mit Edelbert telefoniert hat und in Erfahrung bringen konnte, dass wir den Krimi “Scarface” (auf deutsch: Narbengesicht) gesehen haben. Ich nicke eifrig und gebe zu Protokoll, dass es eine Gaudi war, den Klassiker auf einer überdimensionalen Leinwand zu sehen. Frau Pontecorvo freut sich und kündigt an, dass sie sich am Nachmittag in der REDBOX Videothek umschauen und einen prima Spielfilm ausleihen wird. Darüber hinaus sagt die Gute, dass sie eine Jause vorbereiten und mich gegen 17 Uhr erneut besuchen wird – jaja.
10.45 Uhr Nach der Brotzeit begleite ich meine Nachbarin zur Türe und bitte sie, entweder einen spannenden Western oder einen Kriegsfilm auszuborgen. Frau Pontecorvo zeigt mir jedoch den Vogel und meint, dass sie mich mit einem Liebesfilm überraschen wird – das kann ja heiter werden.
11.30 Uhr Kurz vor der Mittagszeit bimmelt das Telefon und Edelbert meldet sich im Rohr. Der schlaue Mann berichtet, dass er grossen Hunger hat uns ins “Mangrove Cafe” einkehren möchte. Da ich nichts besseres zu tun habe, willige ich ein und verspreche, in einer halben Stunde im Stadtzentrum zu sein.
12.15 Uhr Pünktlich auf die Minute komme ich mit quietschenden Bremsen vor dem Gasthaus unseres Vertrauens zum Halten. Ich eile mit Dixon im Schlepptau in die Wirtschaft, um Edelbert herzlich zu begrüssen. Danach ordern wir vitaminreiche Cheeseburger (löblich: Käseburger) mit Kartoffelstäben und Beilagensalate. Dazu gibt es alkoholfreies Coors sowie etwas Speck für Dixon – schmeckt gar nicht schlecht.
Sehr gesund: Ein Käseburger
13.15 Uhr Nachdem wir aufgegessen und der Kellnerin ein stattliches Trinkgeld beschert haben, vertreten wir uns die Beine. Nebenbei plaudere ich mit Edelbert und erzähle, dass Frau Pontecorvo am Abend einen Liebesfilm sehen möchte. Mein Begleiter rollt demonstrativ mit den Augen und sagt, dass ich nicht auf ihn zählen kann – wie schade.
14.00 Uhr Zurück am Auto, schüttle ich Edelberts Hand und wünsche ihm einen schönen Nachmittag. Anschliessend helfe ich Dixon auf den Rücksitz des PS-strotzenden SUV und presche hupend davon.
14.45 Uhr Zuhause angekommen, bette ich mich im Wohnzimmer zur Ruhe und döse schnell ein. Unter anderem träume ich von David (8) und sehe mich an den Lake Simcoe versetzt – wie schön.
15.45 Uhr Um nicht den ganzen Nachmittag auf der faulen Haut zu liegen, komme ich in der Gänge und gehe Anschnur. Auch heute schufte ich hart und stehe verzweifelten Eltern bei schwerwiegenden Problemen zur Seite. Frau Louisa H. aus Köln schildert mir ihre Sorgen und schreibt, dass ihre Tochter (16) stinkfaul ist und nach der Schule HARTZ IV beantragen möchte. Ich mache grosse Augen und rate der Alleinerziehenden, der kleinen Maja eine Lehre als Frisöse schmackhaft zu machen – immerhin muss irgendwer meine Rente erwirtschaften.
16.45 Uhr Nach einer Stunde beende ich die Arbeit und fülle Dixons Napf mit Royal Canin Trockenfutter auf. Dummerweise klingelt es bald an der Türe und Frau Pontecorvo hält mir die DVD “Before Midnight” (auf deutsch: Vor Mitternacht) unter die Nase. Ferner redet die kleine Frau ohne Unterlass auf mich ein und plappert, dass uns diese romantische Komödie den lauen Abend versüssen wird – das glaube ich kaum.
Before Midnight – jetzt kaufen
17.30 Uhr Trotz aller Widrigkeiten bleibe ich freundlich und komme in den Genuss einiger Sandwiches (unlöblich: Wurstbrote). Ich lasse mir die Brotzeit wortlos munden und öle meine Kehle mit einem süffigem Budweiser.
18.15 Uhr Wenig später werde ich von meiner Nachbarin aufgefordert, den Beamer einzuschalten und den Silberling ins Abspielgerät zu verfrachten. Ich komme der Bitte anstandslos nach und werde Zeuge, wie der hochnäsige Jesse sein Flugzeug verpasst und sich entschliesst, bei seiner Urlaubsliebe in Paris zu bleiben. Ich langweile mich sehr und denke daran, wie schön es doch wäre, einem nervenaufreibenden Western zu frönen.
20.15 Uhr Nach zwei Stunden flimmert endlich der Abspann über die Grossbildleinwand. Ich strecke mich ausgiebig und lasse meine Bekannte wissen, dass diese Schmonzette ganz bestimmt keinen Oscar gewonnen hat. Frau Pontecorvo schüttelt den Kopf und wirft ein, dass ich ein Kulturbanause bin – papperlapapp.
21.00 Uhr Als der Stundenzeiger meiner wertvollen ROLEX auf 9 deutet, lotse ich die Perle zur Türe und unternehme mit Dixon einen kurzen Spaziergang durch den Garten. Zu guter Letzt reguliere ich die Klimaanlage und falle völlig übermüdet ins Bett. Gute Nacht.