23. April 2013 – Mit dem Appalachian Bus nach Robbinsville, TN

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08.00 Uhr Der Reisewecker piepst und reisst mich aus einem schönen Traum. Ich blicke mich verwundert um und bemerke, dass ich mich im heruntergekommenen “Alpine Court Motel” in Hot Springs, NC aufhalte. Missmutig steige ich aus dem Bett und werde Zeuge, wie eine Küchenschabe über die Bettdecke kriecht. Fluchend werfe ich meine Habseligkeiten in den Rucksack und eile dann in die Nasszelle, um zu duschen und mir die Haare zu steilen.
09.00 Uhr Anschliessend poche ich an Edelberts Zimmertüre und stelle klar, dass ich keine Minute länger in dieser heruntergekommenen Baracke bleiben werde. Der Professor nickt eifrig und erzählt, dass seine Zimmernachbarn die Nacht zum Tage gemacht und stundenlang gestritten haben – das ist ja allerhand.
09.30 Uhr Nachdem wir die Schlüssel abgegeben haben, schleppen wir die Rucksäcke zum “Smoky Mountain Diner” und ordern bei Kellnerin Lorraine (44) zwei grosse Frühstücke sowie Speck für Hund Dixon. Ferner erkundigen wir uns nach dem örtlichen Busbahnhof und hören, dass in zwei Stunden einer vom “Carolina Mountain Club” (löblich: Carolina Bergverein) gesponserter Omnibus von der “Madison County Public Library” (löblich: Öffentliche Leihbücherei des Landkreises Madison) nach Süden fahren wird – das ist phantastisch.

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10.00 Uhr Während wir kraftvoll zubeissen, versorgt uns die Kellnerin mit Fakten und behauptet, dass der Appalachian Trail Bus durch den ganzen Staat pendelt und jedem Wanderer die Möglichkeit bietet, von einer Gemeinde zur nächsten zu gelangen – wie schön.
10.30 Uhr Redlichst gestärkt reiche ich Frau Lorraine die Hand und lasse sie wissen, dass wir uns in diesem Leben höchstwahrscheinlich nicht mehr über den Weg laufen werden. Die wortgewandte Bedienung zuckt mit den Schultern und wünscht uns eine sichere Heimreise. Ich seufze laut und folge Edelbert zur städtischen Bücherei. Unterdessen plaudern wir angeregt und verabreden, dass wir morgen nach Atlanta krusen und dort einige Tage bleiben sollten. Bei dieser Gelegenheit kommt Edelbert auf den Arbor Day (löblich: Tag des Baumes) zu sprechen und erzählt, dass am Freitag in vielen amerikanischen Bundesstaaten ein Feiertag zu Ehren der Natur begangen wird.

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11.00 Uhr Am Ziel angekommen, finden wir einen achtsitzigen Kleinbus vor. Der dunkelhäutige Fahrer begrüsst uns lächelnd und rechnet vor, dass der Transfer nach Robbinsville 38 Dollars pro Person kostet. Ich rolle demonstrativ mit den Augen und lote aus, ob es eventuell einen Rentnerrabatt gibt – leider ohne Erfolg.
11.30 Uhr Nachdem ein älteres Wanderpärchen zugestiegen ist, setzt sich der Bus in Bewegung. Zu stimmungsvoller Radiomusik gleiten wir gen Süden davon und haben das grosse Glück, einen letzten Blick auf den Cherokee National Forest erhaschen zu können. HEUREKA – diese Idylle muss man einfach erlebt haben.
12.00 Uhr Während der Reise tratschen wir mit den Fremden und erfahren, dass die Rentner ursprünglich den kompletten Trail bis zum Mount Katahdin abmarschieren wollen. Der ältere Herr blickt traurig drein und unterbreitet, dass er am Samstag gestürzt ist und sich den Knöchel verstaucht hat – wie schade.
13.00 Uhr Nach sechzig Minuten tut sich der Clingmans Dome vor uns auf. Ich stosse Edelbert in die Seite und informiere, dass wir diesen Berg vor genau 10 Tagen bestiegen haben. Mein Begleiter schlägt in die gleiche Kerbe und entgegnet, dass wir uns Tags darauf von Peter und Jill Farrell verabschieden mussten – wie wahr.
13.45 Uhr Endlich passieren wir das Ortsschild von Robbinsville. Der Busfahrer setzt uns sicher am “Robbinsville Parking Site” (löblich: Robbinsville Parkplatz) ab und hilft uns, die Rucksäcke aus dem Stauraum zu hieven.
14.15 Uhr Danach werden wir beim zigaretterauchenden Parkwächter vorstellig und hören, dass wir die Parkzeit überschritten haben und weitere 55 Dollars bezahlen müssen. Edelbert schimpft wie ein Rohrspatz und sagt, dass er die Polizei verständigen und Klage beim Supreme Court (löblich: Gerichtshof) des Staates North Carolina einreichen wird. Der Gammler will jedoch nicht hören und erwidert, dass er gleich seine Schrotflinte laden und uns vom Parkplatz jagen wird – das ist ja allerhand.
15.00 Uhr Um 55 Dollars ärmer krusen wir zum “San Ran Motel” und wünschen der kaugummikauenden Inhaberin einen schönen Nachmittag. Die Frau mustert uns ganz genau und meint, dass wir vor 14 Tagen schon einmal hier gewohnt haben. Wir stimmen zu und antworten, dass es ein grosser Spass war, die Great Smoky Mountains zu erkunden und aufregende Tage im Cherokee National Forest zu erleben.
15.30 Uhr Nachdem wir zwei Einzelzimmer bezogen haben, falle ich erschöpft ins bequeme King Size Bett und strecke genüsslich die Beine aus – das tut gut.
16.45 Uhr Ich erwache ausgeschlafen und mache es mir zur Aufgabe, bei meiner Mieterin anzurufen und die Maid darüber in Kenntnis zu setzen, dass wir unsere Wanderung gestern beendet haben. Sandra ist begeistert und erzählt, dass sie heute ihren Urlaubsantrag ausgefüllt hat und mit dem Gedanken spielt, mich im August zu besuchen – wie unlöblich
17.30 Uhr Nachdem sich mein Pulsschlag normalisiert hat, klopfe ich an Edelberts Zimmertüre und lade den Professor zu einer Brotzeit in die benachbarte SUBWAY Gaststätte ein. Prof. Kuhn lässt sich nicht zweimal bitte und ordert vitaminreiche Tuna Sandwiches (löblich: Thunfischbrote) mit Salat und FUZE Icetea (löblich: Eistee).
18.00 Uhr Während ich meine trockene Kehle öle, redet Edelbert ohne Unterlass auf mich ein und plappert davon, dass er vorhin im Supermarkt war, um zwei Tüten Lays Kartoffelchips sowie süffiges Budweiser einzukaufen. Darüber hinaus verweist mein Bekannter auf das Fernsehprogramm und schlägt vor, dass wir uns zur besten Sendezeit den neuen Serienerfolg “Bates Motel” anschauen könnten – wie aufregend.

19.00 Uhr Zurück im “San Ran Motel”, machen wir es uns in Edelberts Zimmer bequem und frönen zwei Episoden der Gruselserie, die die Vorgeschichte zu Alfred Hitchcocks Filmklassiker “Psycho” erzählt. Ich knabbere Kartoffelchips am laufenden Band und tauche in das Leben des jungen Norman Bates ein, der mit seiner herrischen Mutter ein Motel am Rande des Küstenstädtchens White Pine Bay im Bundesstaat Oregon betreibt – wie unlöblich.
21.00 Uhr Nach 120 spannungsgeladenen Minuten verfrachte ich die leeren Bierflaschen in den Mülleimer und verabschiede mich winkend. Anschliessend scheuche ich Hund Dixon in mein Zimmer und gehe ins Bett. Gute Nacht.