22. April 2013 – Appalachian Trail Tag 13 – Endlich in Hot Springs

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07.30 Uhr Prof. Kuhn weckt mich unsanft und sagt, dass heute das letzte Teilstück unserer Appalachian Trail Wanderung bevorsteht. Ich schlüpfe schnell aus dem Schlafsack und stelle klar, dass ich es gar nicht mehr erwarten kann, die Wanderstiefel für immer an den Nagel zu hängen.
08.00 Uhr Während Edelbert über dem Lagerfeuer Kaffee aufbrüht, wechsle ich die Socken und mache mich daran, Dixons verfilztes Fell zu bürsten. Unterdessen spähe ich in den Wanderführer und lerne, dass die Kleinstadt Hot Springs nur noch 7 Meilen entfernt liegt. Ich schnippe mit den Fingern und lasse den Professor wissen, dass wir die Nacht in einem schicken Motel verbringen werden.
09.00 Uhr Nach einem spärlichen Frühstück packen wir unsere Habseligkeiten zusammen und laufen über Stock und Stein nach Norden. Unterdessen plappert mein Begleiter und behauptet, dass das schwüle Klima kaum auszuhalten ist. Ich wische mir über die Stirn und erwidere, dass ich mich nach einem kühlen Bier sehne.
10.00 Uhr Eine Stunde später bimmelt das NOKIA Handtelefon besonders laut. Ich halte mir das Kommunikationsgerät nörgelnd ans Ohr und erfahre von Frau Pontecorvo, dass ihr Warmwasserboiler korrodiert ist. Die Gute ist den Tränen nahe und erörtert, dass nicht nur ihr begehbarer Kleiderschrank, sondern auch die Küche überflutet wurde. Darüber hinaus kommt die Dame auf die anstehende Renovierung zu sprechen und lotet aus, ob sie währenddessen in meiner kleinen Villa wohnen kann. Ich nicke eifrig und entgegne, dass ich spätestens am Wochenende zurück in Naples sein werde.
11.30 Uhr Kurz vor der Mittagszeit treffen wir auf eine Wandergruppe. Die netten Menschen begrüssen uns herzlich und erzählen, dass sie bis zum Abend den “Spring Mountain Shelter” erreichen wollen. Wir folgen den Leuten durch den Wald und bringen heraus, dass die vier Burschen aus Israel stammen und den kompletten Trail abmarschieren wollen. Zudem berichtet der Wortführer, dass sie anschliessend zur IDF gehen und ihr Vaterland gegen garstige Araber verteidigen wollen – das ist prima.
12.00 Uhr Nachdem wir etwas geplaudert haben, setzen wir unseren Marsch fort. Mit Hund Dixon im Schlepptau schlagen wir uns durch den Cherokee Forest und haben sogar das Vergnügen, einige Wildpferde zu sehen. Edelbert kann es kaum glauben und mutmasst, dass es sich hierbei um Mustangs handelt. Ich belehre den schlauen Mann eines Besseren und erwähne, dass besagte Gattung ausschliesslich in Nevada, Montana, Wyoming und Oregon vorkommt.

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13.00 Uhr Als ich mir einen Apfel schmecken lasse und den letzten Willy Wonka Laffy Taffy verzehre, schlägt Hund Dixon plötzlich an und verschwindet im Unterholz. Ich mache grosse Augen und werde Zeuge, wie der Rüde mehrere Stinktiere aufschreckt und sie in unsere Richtung treibt. Um schlimmeres Unheil abzuwenden, pfeife ich auf den Fingern und animiere den Vierbeiner, brav zu sein. Missmutig lege ich das Haustier an die Leine und stimme das schöne Lied vom “narrischen Kastanienbaum” an – was kann es schöneres geben.
14.00 Uhr Pünktlich zum Zweiuhrläuten verlassen wir den Cherokee National Forest und finden uns vor einer Schule mit dem Namen “Hot Springs Learning Center” wieder. Ich schnaufe tief durch und klopfe mir den Staub von der Hose. Danach schlendern wir entspannt durch die Gemeinde und kehren ins “Smoky Mountain Diner” ein.
14.30 Uhr Eine brünette Kellnerin mit enorm grosser Oberweite heisst uns Willkommen und deutet auf zwei weitere Wanderer, die es sich am Tresen bequem gemacht haben. Ich lüfte meine NY YANKEES Kappe und erkläre der kleinen Frau, dass unsere vierzehntägige Appalachian Trail Wanderung soeben zu Ende gegangen ist. Die Bedienung freut sich und serviert Eistee sowie eine mit Käse überbackene Fleischpastete – das schmeckt.
15.00 Uhr Edelbert kommt während des Essens aus dem Zungeschnalzen gar nicht mehr heraus und informiert, dass es sich hierbei um eine Spezialität aus North Carolina handelt – das soll mir auch Recht sein.
16.00 Uhr Nachdem wir Kaffee getrunken und Schokoladenkuchen mit Schlagobers gegessen haben, erkundigen wir uns nach einer Übernachtungsmöglichkeit. Frau Lorraine (44) legt ihren Kopf schief und sagt, dass wir unser Glück im “Alpine Court Motel” versuchen könnten.
16.30 Uhr Wenig später werden wir an der Rezeption der heruntergekommenen Herberge vorstellig und hören, dass ein Einzelzimmer lediglich 49 Dollars kosten soll – wie schön.
17.00 Uhr Völlig erschöpft stosse ich die Zimmertüre auf und registriere, dass dies Motel dringend renoviert werden muss. Trotz aller Widrigkeiten lasse ich mir die gute Laune nicht verderben und falle gähnend aufs Bett, um mich von den Strapazen des nervenaufreibenden Tages zu erholen.
18.00 Uhr Leider wird mein Nickerchen bald durch Edelbert gestört. Mein Bekannter pocht an die Pforte und sagt, dass wir nun den Abend in der benachbarten “Forest Bar” ausklingen lassen sollten. Ich reibe mir den Schlaf aus den Augen und verabschiede mich ins Badezimmer, um mich ordentlich zu waschen und die Kleider zu wechseln.
18.45 Uhr Anschliessend laufen wir nach nebenan und sind überrascht, eine Musikcombo auf der Bühne anzutreffen, die Lieder der aus Kalifornien stammenden Bande “The Byrds” zum Besten geben. Ich setze mich hungrig an die Bar und ordere beim grimmig dreinschauenden Wirt einen Pitcher (löblich: Krug) Rolling Rock. Dazu gibt es Hühnerflügel (unlöblich: Chicken Wings) mit Kartoffelstäben und deftiger Sauce – das schmeckt.

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19.30 Uhr Just als wir der stimmungsvollen Komposition “Eight Miles High” (löblich: 8 Meilen hoch) lauschen, bestellt Edelbert zwei Whiskeys und meint, dass wir uns zur Feier des Tages einen Rausch antrinken sollten. Ich zeige dem Professor den Vogel und verweise auf die Tatsache, dass wir morgen früh mit dem Bus nach Robbinsville fahren müssen. Bevor Edelbert Widerworte findet, zücke ich meine Geldbörse und beschere dem Wirt ein kleines Trinkgeld.
20.00 Uhr Wieder zurück im Motel, versorge ich Dixon mit einer stattlichen Trockenfuttermahlzeit. Im Anschluss putze ich mir die Zähne und fröne dem Fernsehprogramm von NBC. Bereits nach wenigen Augenblicken döse ich jedoch ein und träume von meiner kleinen Villa im Willoughby Drive. Gute Nacht.