07.30 Uhr Ich öffne die Augen und kann es kaum noch erwarten, am Abend im “Air Canada Center” mein erstes Lacrosse Spiel zu sehen. Juchzend hüpfe ich aus dem Bett und führe die Morgengymnastik am Fenster durch.
08.00 Uhr Trotz des eiskalten Wetters lasse ich mir die gute Laune nicht verderben und eile ins Badezimmer, um mir ein Vollbad mit Schaum einlaufen zu lassen – da kommt Freude auf.
09.00 Uhr Nachdem ich eine Cordhose sowie einen Wollpullover angezogen habe, schlüpfe ich in mein “Toronto Rock” Trikot und rutsche auf dem Treppengeländer ins Parterre. Ich treffe Edelbert, Maria und Georg kaffeeschlürfend im Esszimmer an und bitte Haushälterin Grace, mir auch eine Tasse Bohnentrunk zu kredenzen.
09.30 Uhr Während ich kraftvoll zubeisse, komme ich auf das anstehende Lacrosse Spiel zu sprechen und erkundige mich, ob wir am Abend Wurstbrote in die Halle mitnehmen werden. Meine Schwägerin kommt aus dem Lachen gar nicht mehr heraus und erklärt, dass ihr Ehemann VIP-Tickets besorgt hat. Georg schlägt in die gleiche Kerbe und unterbreitet, dass wir auf bequemen Ledersesseln sitzen und von einem Kellner bedient werden – das ist die beste Nachricht des ganzen Tages.
10.00 Uhr Nach der Mahlzeit leiste ich Edelbert in der Bibliothek Gesellschaft und vernehme, dass man hier nicht nur allerhand Romane, sondern auch Fachbücher findet. Prof. Kuhn plappert ohne Unterlass und animiert mich, einen Blick in das spannende Werk “American History: From Colonial Lacrosse to Extreme Sports” (löblich: Amerikanische Geschichte: Vom kolonialen Lacrosse zum Extremsport) zu werfen.
10.30 Uhr Ich lasse mich nicht zweimal bitten und lerne, dass die Indianer an der amerikanischen Ostküste das Lacrosse Spiel im 17. Jahrhundert erfunden haben. Damals traten bis zu 100 Spieler gegeneinander an und versuchten, eine Lederkugel ins Tor der Kontrahenten zu bugsieren. Im Laufe der Jahre entwickelte sich Lacrosse zum Nationalsport und war sogar mehrfach Disziplin bei den Olympischen Spielen – wie aufregend.
11.00 Uhr Als ich mich mit den Spielregeln vertraut mache, kredenzt mir Georg ein würziges Rootbier (löblich: Wurzelbier) und sagt, dass die Mannschaft der “Toronto Rock” im Jahre 1998 gegründet wurde und seitdem sechs Mal die Meisterschaft gewonnen hat – wie schön.
11.30 Uhr Wenig später ruft uns Maria in die Küche und serviert aufgebackene Croissants (löblich: französische Hörnchen) mit Käsefüllung. Ich greife beherzt zu und öle meine Kehle mit süffigem Labatt Blau Bier. Nebenher löchere ich Georg mit Fragen und höre, dass uns ein Taxi gegen 16 Uhr zum “Air Canada Center” bringen wird.
12.30 Uhr Nach dem Essen lege ich Dixon das Lederhalsband um und breche mit Edelbert zu einem Spaziergang auf. Wir laufen durch das schöne Wohngebiet und unterhalten uns über Dies und Das. Der Professor reibt sich die Hände und meint, dass sich unser Ausflug nach Kanada wirklich gelohnt hat. Ich nicke eifrig und erinnere, dass der krönende Abschluss morgen Abend mit dem Michael Bolton Konzert in Orillia folgt.
14.00 Uhr Wieder zurück im Stadthaus meiner Verwandten, steige ich aus den Mondstiefeln und gönne mir im holzvertäfelten Wohnzimmer eine kleine Pause. Bereits nach wenigen Augenblicken döse ich ein und träume von meiner nervenaufreibenden Forschungsreise quer durch den Kontinent – das waren noch Zeiten.
15.00 Uhr Ich werde durch ohrenbetäubendes Staubsaugerdröhnen aus einem schönen Traum gerissen. Als ich mich vom Sofa erhebe, werde ich auf Haushälterin Grace aufmerksam, die just im Moment den sündteuren Teppich reinigt. Die Frau schenkt mir ein Lächeln und kündigt an, dass sie während unserer Abwesenheit auf Dixon aufpassen und sich die Fernsehsendung “Americas Most Wanted” (löblich: Amerikas Meistgesuchte) anschauen wird – das soll mir auch Recht sein.
16.00 Uhr Nachdem wir Kaffee getrunken haben, fährt endlich unser Taxi vor. Wir steigen gutgelaunt zu und bitten den Fahrer, uns spornstreichs zum “Air Canada Center” zu kutschieren. Der kichernde Chinese nimmt das Taxameter in Betrieb und prescht mit durchdrehenden Pneus davon.
17.00 Uhr Nach einer geschlagenen Stunde setzt uns der Heini vor der Arena ab und schimpft, weil die Strassen der Millionenmetropole stets verstopft sind. Georg steckt dem Schoffeur ein kleines Trinkgeld zu und lotst uns dann zur Einlasskontrolle.
17.45 Uhr Bevor wir unsere Plätze einnehmen, kehren wir ins “Platinum Club” Spitzenrestaurant ein. Ein hochnäsiger Kellner heisst uns herzlich Willkommen und bietet uns einen Tisch mit Ausblick auf das Spielfeld an. Ausserdem überreicht uns der Knecht die Speisekarten und empfiehlt, den “Daily Fish” (löblich: täglichen Fisch) nach Art des Hauses zu bestellen – das hört sich verlockend an.
19.00 Uhr Just als ich mich über die Nachspeise hermacht, sehen wir James am Eingang stehen. Georg zückt prompt seine Kreditkarte und begleicht die Rechnung mit seinem guten Namen. Anschliessend begrüssen wir die Kinder und nehmen unsere Premium-Sitzplätze direkt am Spielfeld ein. Bei dieser Gelegenheit ziehe ich das “Toronto Rock” Kinderhemd aus meiner Manteltasche und zögere nicht, meinem Grossneffen (7) eine kleine Freude zu bereiten. Danach winke ich einen Kellner herbei und fordere ihn auf, vitaminreiche Hot Dogs (löblich: Heisse Hunde), Popcorn (löblich: Knallmais) sowie Rolling Rock (löblich: Rollende Felsen) Bier aufzufahren.
19.30 Uhr Nachdem spärlich bekleidete Frauenzimmer auf dem satten Grün eigenartige Verrenkungen vorgeführt haben, stürmen unter dem tosenden Applaus der knapp 15.000 Zuschauer die Mannschaften auf das Spielfeld. Georg klatscht ebenfalls Beifall und ist sich sicher, dass die “Rocks” die Partie gewinnen werden. Ich nippe an meinem Bier und werde Zeuge, wie der Schiedsrichter das Spitzenspiel anpfeift. Die Protagonisten rennen wie von Sinnen auf und ab und machen es sich zur Aufgabe, den Hartgummiball ins Tor des Gegners zu bugsieren. HEUREKA – diesen Unsinn muss man gesehen haben.
20.00 Uhr Weil die Spieler äusserst brutal vorgehen und mit den Schlägern wild um sich prügeln, halte ich David immer wieder die Augen zu und erkläre ihm, dass diese Sportart für Minderjährige ungeeignet ist. Der Bube will jedoch nicht hören und sagt, dass er auch ein weltbekannter Lacrosse Spieler werden will – papperlapapp.
21.45 Uhr Nach knapp zwei Stunden ertönt eine Hupe und die “Toronto Rocks” verlassen als Sieger den Rasen. Ich strecke mich ausgiebig und fordere meine Begleiter auf, endlich in die Gänge zu kommen und mir zum Ausgang zu folgen. Danach verabschieden wir uns von den jungen Leuten und rasen mit einem Taxi nach East York zurück.
22.30 Uhr Zuhause angekommen, werden wir von Dixon stürmisch begrüsst. Der Rüde ist ausser Rand und Band und freut sich, als ich ihn in den Garten hinaus lasse. Nach dem Gassigang trinke ich mit meinen Liebsten ein Glas Schaumwein und lege mich dann schlafen. Gute Nacht.
Lacrosse – ein sehr schneller Mannschaftssport: