08.00 Uhr Auch am siebten Tag des Herbstmonats September hüpfe ich voller Tatendrang aus dem Bett und freue mich, einen weiteren Sonnentag im Rentnerparadies Florida erleben zu dürfen. Weil ich sehr sportlich bin, trete ich spornstreichs auf die Terrasse und führe die Morgengymnastik durch – wer rastet, der rostet.
08.30 Uhr Just als ich ins Haus zurückkehre, klingelt es an der Pforte und ich sehe mich mit dem Milchmann konfrontiert. Herr Forrest wünscht mir einen schönen Tag und setzt mich darüber in Kenntnis, dass ich seit Monaten keine Rechnung bezahlt habe. Ich kratze mich nachdenklich an der Schläfe und entgegne, dass ich unter enormen Stress stehe und mich schliesslich nicht um alles kümmern kann. Mein Gegenüber zeigt Verständnis und meint, dass ich ihm trotzdem 133 Dollars und 77 Cents schulde – wo soll das noch hinführen.
Das Ferienhaus meiner Verwandten
09.00 Uhr Nachdem ich Herrn Forrest ein Bündel grüner Scheine ausgehändigt habe, werfe ich die Haustüre ins Schloss und läute den jungen Morgen mit einem Wirbelbad ein. Ausserdem rufe ich bei meinen Verwandten im Lowbank Drive an und frage nach, ob wir einen Ausflug zum Strand unternehmen wollen. Georg erteilt mir leider eine Absage und kündigt an, dass er seine Frau zum Frisör begleiten wird – wie schade.
10.00 Uhr Pünktlich zum Zehnuhrläuten fülle ich Kaffeepulver in den futuristischen DeLonghi Vollautomaten. Danach schütte ich einen halben Liter Wasser in die Maschine und stelle mit grosser Sorge fest, dass sich die Abschlussleiste der Küchenarbeitsplatte von der Wand ablöst. Ich raufe mir die Haare und lasse Hund Dixon wissen, dass wir nach dem Frühstück zum HOME DEPOT Baumarkt krusen und eine Kartusche Silikon kaufen sollten. Der lustige Vierbeiner legt seinen Kopf schief und bricht in lautes Bellen aus – wie schön.
10.30 Uhr Bevor ich mich auf den Weg mache, verzehre ich ein opulentes Frühstück in Form von vitaminreichen Rühreiern mit Speck. Dazu gibt es sechs geröstete Weissbrotschnitten (unlöblich: Toast), mehrere Scheiben Capocollo sowie ein grosses Glas O-Saft – schmeckt gar nicht schlecht.
Capocollo schmeckt prima
11.00 Uhr Als der Stundenzeiger meiner wertvollen ROLEX auf 11 zugeht, klatsche ich in die Hände und lasse Dixon wissen, dass wir nun losfahren können. Der Rüde lässt sich nicht zweimal bitten und folgt mir brav zum Chevrolet Suburban. Wie es sich gehört, helfe ich den Vierbeiner auf die Ladefläche und gleite zügig von dannen.
11.45 Uhr Nach wenigen Minuten finde ich mich im Baumarkt meines Vertrauens wieder und werde am Informationsschalter vorstellig. In perfektem Englisch trage ich mein Problem vor und verdeutliche, dass ich die Abschlussleiste mit Silikon an die Wand kleben möchte. Der dunkelhäutige Knecht nickt eifrig und sagt, dass ich den benötigten Werkstoff in Gang Nummer 11 finden werde – das klappt wieder wie am Schnürchen.
Freundliche Mitarbeiter bei HOME DEPOT
12.30 Uhr Um nicht Wurzeln zu schlagen, beende ich den Einkauf und zücke an der Kasse meine prallgefüllte Geldbörse. Danach werfe ich die Silikonkartusche ins Auto und kehre mit meinem braven Haustier im Schlepptau in die benachbarte “Burger King” Gaststätte ein. Da mein Magen knurrt, fackle ich nicht lange und ordere vier “Chili Cheese Hot Dogs” (löblich: gegrillter Chilli Käse Heisser Hund) sowie einen grossen Becher Diät Cola – immerhin muss ich auf meine schlanke Linie achten.
13.00 Uhr Als ich kraftvoll zubeisse, bimmelt plötzlich das Telefon und Edelbert meldet sich im Rohr. Der schlaue Mann ist ganz aufgeregt und erzählt, dass er gerade einen aufschlussreichen Bericht über das Oktoberfest im Fernsehen verfolgt hat. Mein Bekannter rückt sogleich mit der ganzen Wahrheit heraus und meldet, dass die Stadt München in diesem Jahr noch mehr Geld in diverse Sicherheitsmassnahmen investieren wird. Ich rolle demonstrativ mit den Augen und entgegne, dass mir alles Wurst ist.
Meine schöne Küche
14.00 Uhr Wieder zurück im Willoughby Drive, spanne ich die Silikonkartusche in die Auspresspistole und klebe die Abschlussleiste gekonnt an die Wand. Dummerweise schmiere ich mir beim Versuch, die Kartusche aus der Pistole zu nehmen, etwas Silikon auf mein modische Hawaiiheld. Weil das synthetische Polymere kaum abwaschbar ist, sehe ich mich genötigt, das Hemd sofort zu wechseln – was muss ich denn noch alles ertragen.
15.00 Uhr Nach getaner Arbeit falle ich gähnend aufs Kanapee und entspanne mich von den Strapazen des Vormittags. Ich döse alsbald ein und sehe mich im Traum in die kanadische Millionenmetropole Toronto versetzt.
16.00 Uhr Schon bald leckt mir der Vierbeiner über die Hand und fordert mich auf, in die Gänge zu kommen und die Terrassentüre zu öffnen. Ich zögere keine Sekunde und mache es mir zur Aufgabe, mit dem Rüden etwas Ball zu spielen und den vertrockneten Rasen zu bewässern – das macht Spass.
17.00 Uhr Anschliessend bereite ich unter Dixons fordernden Blicken das Abendessen zu. Da abwechslungsreiche Kost sehr wichtig ist, schwenke ich gesundes Butterschmalz in einer Pfanne und brate Kartoffeln an. Dazu gibt es ein kleines T Knochen Schnitzel (unlöblich: T Bone Steak) sowie eine leckere Pilzsauce aus der Tüte – das duftet.
18.00 Uhr Zum Abschluss des langen Tages sorge ich in der Küche für Sauberkeit und Ordnung. Zu guter Letzt lege ich in der klimatisierten Stube die Beine hoch und gebe mich den Abendnachrichten auf FOX hin.
19.00 Uhr Zur besten Fernsehzeit erfreue ich mich an der Komödie “Silver Linings” aus dem Jahre 2012 und tauche in das Leben eines jungen Mannes ein, der sich nach acht Monaten in einer psychiatrischen Anstalt im Leben zurechtfinden muss. Ferner lernt er eine hübsche Dame kennen und verliebt sich Hals über Kopf – wie lächerlich.
21.00 Uhr Nach zweistündiger Spitzenunterhaltung beende ich den Fernsehabend und lösche sämtliche Lichter. Danach ziehe ich mich ins Schlafzimmer zurück und lege mich schlafen. Gute Nacht.