08.00 Uhr Der Radiowecker springt an und ich habe gar keine Orientierung. Erst als ich verschlafen aus dem Fenster schiele und Georg mit einer Schneeschaufel sehe, fällt mir ein, dass ich mich seit Samstag in Kanada aufhalte. Weil es während der Nacht geschneit hat, nehme ich mir das Recht heraus, das Fenster zu öffnen und Georg bezüglich der Witterungsverhältnisse auszufragen. Darüber hinaus merke ich an, dass ich im Laufe des Tages nach Barrie krusen muss, um Batterien für meine Stabtaschenlampe einzukaufen. Mein Bruder stellt die Schneeschaufel beiseite und beteuert, dass es wegen des Neuschnees nicht ratsam ist, mit dem Auto zu fahren.
Schnee und Eis am Lake Simcoe
09.00 Uhr Nachdem ich mich im Gästebadezimmer erfrischt habe, scheuche ich Hund Dixon zum Haupthaus und stelle wohlwollend fest, dass Maria ein loderndes Feuer im Kamin entfacht hat. Händereibend setze ich mich an den festlich gedeckten Frühstückstisch und erfahre von Edelbert, dass er während der Nacht hervorragend geschlafen hat. Ich winke entnervt ab und weise auf die Tatsache hin, dass ich frühmorgens eigenartige Grunzlaute gehört habe. Georg krümmt sich vor Lachen und informiert, dass höchstwahrscheinlich ein Elch durch den angrenzenden Wald gestreift ist – was muss ich denn noch alles ertragen.
09.45 Uhr Als wir kraftvoll zubeissen und uns an Pfannkuchen laben, komme ich auf die 40 Kilometer entfernte Kleinstadt Barrie zu sprechen und unterbreite, dass ich mir gleich den JEEP ausborgen und zur “Georgian Mall” krusen werde. Maria wird augenblicklich hellhörig und bittet mich, die Lebensmittelabteilung aufzusuchen, um Weizenmehl sowie Olivenöl zu besorgen. Der Professor ist begeistert und sagt, dass er sich dem Ausflug kurzerhand anschliessen und in besagtem Kaufhaus nach Pfeifentabak Ausschau halten wird – wie unlöblich.
10.30 Uhr Nach der reichhaltigen Jause zücke ich meine Schwarzbeere (unlöblich: Blackberry) und bringe heraus, dass Weizenmehl hierzulande “Wheat Flour” genannt wird. Darüber hinaus schnappe ich mir die Autoschlüssel und gebe zu Protokoll, dass ich Dixon im Ferienhaus zurück lassen werde. Mein Bruder schenkt mir ein Lächeln und verspricht, während meiner Abwesenheit einen Spaziergang mit dem Rüden zu unternehmen – wie schön.
Ich zücke meine Schwarzbeere
11.00 Uhr Wenig später schwinge ich mich hinters Lenkrad des neuwertigen GRAND CHEROKEES und fordere den Professor auf, sich anzuschnallen. Anschliessend lasse ich den Wählhebel der Automatikschaltung in der “D” Stellung einrasten und schlittere mit durchdrehenden Pneus von dannen. Während der Reise lassen wir das Wochenende Revue passieren und kommen überein, dass Georgs Geburtstagsfeier am Samstag sehr schön war.
12.00 Uhr Sechzig Minuten später erblicken wir die Türme des “Grand Harbour Condomuniums” und schicken uns an, die Schnellstrasse zu verlassen und der Beschilderung in Richtung der “Georgian Mall” zu folgen.
12.30 Uhr Kurz nach der Mittagszeit stellen wir den Geländewagen auf dem Kundenparkplatz ab und laufen bei eisigen Temperaturen ins Kaufhaus. Weil das kulinarische Wohl nicht zu kurz kommen darf, streben wir als erstes in ein “Tim Hortons” Schnellgasthaus, um mehrere mit Fleisch und Gemüse gefüllte Wraps (löblich: Brotzeitwickel) zu fressen. Dazu gibt es hausgemachte Raspberry (löblich: Himbeer) Limonade und mein Tischnachbar berichtet, dass diese Limosorte in Kanada sehr beliebt ist – das soll mir auch Recht sein.
13.30 Uhr Nach der Stärkung schlendern wir durch den weitläufigen Bau und besorgen zwei Pfund Weizenmehl, GALLO EXTRA Olivenöl sowie D-CELL Batterien im 12er Pack. Ferner verladen wir auch mehrere Flaschen Weisswein, ein Sechserpack Labatt Blau Bier sowie süffige Weichgetränke (unlöblich: Soft Drinks) in eine umweltfreundliche Plastiktüte mit “GEORGIA MALL” Aufdruck.
Ich bezahle mit kanadischem Geld
14.30 Uhr Um knapp 100 kanadische Dollars ärmer, beenden wir unseren Schoppingausflug und treten die Heimreise an. Während im Radio angesagte Landmusikschläge laufen, rasen wir zügig auf der Autobahn 400 gen Süden davon. Edelbert lässt seinen Blick über den teilweise zugefrorenen Lake Simcoe schweifen und kündigt an, dass er den Nachmittag entspannt vor dem Kamin verbringen und lesen wird. Ich schlage in die gleiche Kerbe und stelle klar, dass ich bei dieser Eiseskälte ganz bestimmt nicht mit dem Vierbeiner Gassi gehen werde.
15.00 Uhr Nach einer geschlagenen Stunde passieren wir das Willkommensschild von “Gilford Beach” und haben das zweifelhafte Vergnügen, von einer Polizeistreife aufgehalten zu werden. Der grimmig dreinschauende Ordnungshüter deutet auf die Reifen und erörtert, dass wir auf Nummer sicher gehen und Schneeketten verwenden sollten. Um weiteren Diskussionen aus dem Weg zu gehen, nehmen wir uns den Ratschlag zu Herzen und sichern zu, alsbald eine Werkstatt anzusteuern.
Zum Kaffeekränzchen gibt es Käsekuchen
15.30 Uhr Endlich sind wir wieder zu Hause und können Maria und Georg beim Kaffeekränzchen Gesellschaft leisten. Meine Schwägerin fährt neben brühfrischem Bohnentrunk auch köstlichen Käsekuchen auf und erkundigt sich, ob unser Ausflug nach Barrie von Erfolg gekrönt war. Ich nicke eifrig und lasse die Perle wissen, dass ich die benötigten Batterien bereits in meine leistungsstarke Taschenlampe eingesetzt habe.
16.30 Uhr Während sich langsam die Nacht über das Feriendomizil legt, zieht sich Maria in die Küche zurück und klappert mit den Töpfen. Währenddessen leiste ich Georg und Edelbert in der holzvertäfelten Stube Gesellschaft und schlage vor, dass wir uns nach dem Abendbrot einen schönen Film anschauen könnten. Mein Bruder schnalzt mit der Zunge und zögert nicht, den preisgekrönten Gruselfilm “The Witch” (löblich: Die Hexe) aus seiner reichhaltigen Filmsammlung zu fischen – das kann ja heiter werden.
17.00 Uhr Als der Stundenzeiger meiner goldenen ROLEX auf 5 zugeht, ruft uns Maria zu Tisch und serviert ein köstliches Süppchen mit Fleischeinlage. Ich komme aus dem Zungeschnalzen gar nicht mehr heraus und lobe die Kochkünste meine Schwägerin über den Schellenkönig – schmeckt wirklich ganz vorzüglich.
18.00 Uhr Schlussendlich verabschieden wir uns in den wohlverdienten Feierabend und geben uns den Nachrichten auf CBC hin. Da keine relevanten Meldungen vorliegen, verfrachtet Georg die silberne Filmscheibe ins Abspielgerät und wir kommen in den Genuss, die Abenteuer einer Familie zu verfolgen, die um 1630 aus ihrer Gemeinde verstossen wird und ihr Glück abseits der Zivilisation am Rande eines Waldes sucht – wie unheimlich.
20.00 Uhr Als nach zweistündigem Nervenkitzel endlich der Abspann über den überdimensionalen Bildschirm flimmert, atme ich tief durch und mutmasse, dass ich während der Nacht kein Auge schliessen werde. Trotz allem wünsche ich den Anwesenden einen ruhigen Abend und entschliesse mich, in meine Mondschuhe (unlöblich: Moonboots) zu schlüpfen und mich mit Dixon im Schlepptau ins Nebenhaus zu verabschieden. Gute Nacht.