08.00 Uhr Ich hüpfe gutgelaunt aus dem Bett und freue mich, in Bälde meine Verwandten in der kleinen Villa begrüssen zu können. Da sich nicht nur Georg und Maria, sondern auch Robert und Jessica Pfaffenberg angekündigt haben, verzichte ich auf den Frühsport und decke den Esstisch. Ferner schalte ich die DeLonghi Kaffeemaschine ein und vergesse auch nicht, Edelbert sowie Frau Pontecorvo telefonisch zur wichtigsten Mahlzeit des Tages einzuladen.
Hund Dixon spielt im Garten
08.45 Uhr Während Hund Dixon im Garten spielt, ziehe ich mich verschwitzt in die Nasszelle zurück und lasse die Seele bei einem Wirbelbad baumeln. Nebenher mache ich mir eigene Gedanken und erinnere mich, dass Robert und Jessica morgen nach Miami fahren und ihrer Tochter bis zum Samstag einen Besuch abstatten wollen. Ich greife seufzend zum Schwamm und fasse den Entschluss, ganz bestimmt keine drei Tage in Floridas grösster Stadt zu bleiben – immerhin habe ich in Naples Wichtigeres zu tun.
09.45 Uhr Kurz vor dem Zehnuhrläuten beende ich das Badevergnügen und freue mich, als Edelberts schneeweisser JEEP vor meinem Zuhause anhält. Ich bitte den schlauen Mann freundlich herein und bemerke, dass er eine Tüte mit “Biscotti Farrugia” Aufdruck mitführt. Mein Bekannter schenkt mir ein Lächeln und sagt, dass er in der Italienbäckerei schmackhafte “Pane Arabo” eingekauft hat. Ich mache grosse Augen und lerne, dass es sich hierbei um ein italienisches Schmalzgebäck handelt. Ausserdem präsentiert Edelbert eine Gebäckschachtel und unterbreitet, dass er auch vitaminreiche Cannolis besorgt hat – das ist prima.
Cannolis schmecken prima
10.15 Uhr Weil sich meine Verwandten für halb Elf angekündigt haben, schufte ich in der Küche und brate tiefgefrorene Kartoffelspalten heraus. Darüber hinaus schwenke ich gesunde Butter in einer Pfanne und zaubere im Handumdrehen lustige Rühreier mit Speckstreifen – wie gut das duftet.
10.45 Uhr Wenig später treffen die Gäste endlich ein. Natürlich heisse ich die lieben Menschen herzlich Willkommen und kündige an, dass ich leckere Speisen auf den Tisch des Hauses gebracht habe. Mein Grosscousin leckt sich die Lippen und sagt, dass er grossen Hunger mitgebracht hat – das hört man gerne.
11.00 Uhr Während wir kraftvoll zubeissen und brühfrischen Bohnenkaffee geniessen, komme ich auf Morgen zu sprechen und stelle klar, dass ich selbst mit meinem PS-strotzenden Auto nach Miami rasen und am Abend nach Naples zurückkehren werde. Georg schlägt in die gleiche Kerbe und merkt an, dass er ebenfalls am gleichen Tag die Heimreise antreten wird. Maria nickt eifrig und erwähnt, dass sie für die morgige Abendvorstellung im “Regal Cinema” (löblich: Regal Lichtspielhaus) zwei Eintrittskarten vorreserviert hat – wie unlöblich.
11.30 Uhr Just als sich Edelbert ins Badezimmer verabschiedet, verweise ich auf den Freitag und informiere, dass der Professor in zwei Tagen sein Wiegenfest feiert. Ich reibe mir die Hände und erkläre den Anwesenden, dass ich mich in Unkosten gestürzt und eine Reise nach Atlantic City gebucht habe. Frau Pontecorvo ist hellauf begeistert und verrät, dass wir am 9. Oktober abfliegen und zwei wunderschöne Tage im “Borgata Hotel” verbringen werden.
Hurra – wir fliegen nach Atlantic City
12.30 Uhr Wenig später beenden wir den Brunch und ringen uns dazu durch, einen Verdauungsspaziergang zum “La Playa” Golfplatz zu unternehmen. Mit dem Vierbeiner im Schlepptau schlendern wir durch das Wohngebiet und halten Kleingespräche (unlöblich: Smalltalk). Mein Grosscousin ist sichtlich angetan und beteuert, dass ich in einer sehr schönen Gegend lebe. Ich gebe Robert Recht und rechne vor, dass ich pro Jahr knapp 2.500 Dollars an Property Taxes (löblich: Vermögensteuer) an die Gemeinde abtreten muss. Mein Begleiter kommt aus dem Kopfschütteln gar nicht mehr heraus und erwidert, dass er für sein stattliches Anwesen in Bourne, TX lediglich 400 grüne Scheine pro Jahr bezahlen muss – wie ungerecht.
13.15 Uhr Da die Sonne unbarmherzlich vom Himmel brennt, entschliessen wir uns, in das klimatisierte Vereinsheim der Golfanlage einzukehren. Schnaufend nehmen wir an einem Tisch mit Ausblick Platz und ordern bei einem Kellner süffige COORS Hopfenkaltschalen. Robert hingegen erhebt den Zeigefinger und bittet den Ober, zwei Gläser Eistee aufzufahren. Zudem wirft uns der gute Mann mahnende Blicke zu und setzt uns darüber in Kenntnis, dass übermässiger Alkoholgenuss im ersten Korintherbrief auf das Schärfste verurteilt wird. Ich zucke demonstrativ mit den Schultern und antworte, dass sich auch der Papst ab und zu ein Gläschen Rotwein gönnt.
Robert trinkt kein Bier – wie unlöblich
14.00 Uhr Im weiteren Verlauf des Wirtshausbesuchs berichtet Robert von seinem Leben in Texas und lässt uns wissen, dass er seinen Landmaschinenhandel mittlerweile an seinen Sohn Robert Jr. übertragen hat. Ausserdem vernehmen wir, dass seine Ehefrau fast täglich hinter dem Tresen der Eisenwaren- und Düngerhandlung in Boernes Innenstadt steht und es sich auch auf die Fahnen geschrieben hat, in der Kirchengemeinde eine führende Position einzunehmen – wie aufregend.
15.00 Uhr Nachdem wir Eisbecher mit Sahne gegessen haben, machen wir uns auf den Heimweg. Ich werfe Dixon Stöckchen zu und höre, dass Georg am Abend mit seiner Ehefrau und den texanischen Gästen eine Bootsrundfahrt unternehmen möchte. Ich schüttle mich ausgiebig und ziehe es vor, die Einladung auszuschlagen. Edelbert krümmt sich vor Lachen und sagt, dass ich wasserscheu bin – papperlapapp.
16.00 Uhr Wieder zurück im Willoughby Drive verabschiede ich die Gäste händeschüttelnd. Mein Bruder klopft mir schmunzelnd auf die Schulter und erinnert, dass wir morgen pünktlich um 8 Uhr nach Miami krusen werden – jaja.
16.30 Uhr Nachdem endlich Ruhe und Frieden Einzug gehalten haben, falle ich gähnend aufs Kanapee und schliesse die Augen. Schon bald döse ich ein und träume von meinem letzten Aufenthalt am Lake Simcoe.
Der Lake Simcoe in Ontario
17.30 Uhr Ich erwache ausgeschlafen und sehe mich mit meinem hechelnden Haustier konfrontiert. Dixon wirft mir einen Tennisball vor die Füsse und animiert mich, mit nach draussen zu kommen. Selbstverständlich komme ich der Aufforderung anstandslos nach und schleudere die gelbe Filzkugel zum künstlich angelegten Teich.
18.00 Uhr Als der Stundenzeiger meiner wertvollen ROLEX auf 6 zugeht, mache ich kehrt und bereite in der Küche das Nachtmahl zu. Um mir nicht stundenlang die Füsse in den Bauch stehen zu müssen, schiebe ich eine Fertigpizza ins Rohr und nehme mit einem gemischten Salat Vorlieb – schmeckt gar nicht schlecht.
19.00 Uhr Zur besten Sendezeit mache ich es mir vor der Glotze bequem und fröne auf ABC drei weiteren Episoden der nervenaufreibenden Serie “Secrets and Lies” (löblich: Geheimnisse und Lügen) – da kommt Spannung auf.
21.00 Uhr Nach zweistündiger Spitzenunterhaltung schalte ich den Farbfernseher ab und unternehme mit dem Rüden einen letzten Rundgang durch den Garten. Danach lösche ich die Lichter und gehe ins Bett. Gute Nacht.