08.30 Uhr Ich werde durch das Schellen der Schwarzbeere (unlöblich: Blackberry) geweckt. Zu meiner Freude meldet sich meine Nachbarin und erzählt, dass ihr Jacksonville Aufenthalt heute zu Ende geht. Frau Pontecorvo versorgt mich mit Fakten und sagt, dass sie ihre Reisetasche gepackt hat und bald nach Naples zurück fahren wird. Ich nicke zustimmend und erkläre der Alten, dass wir uns am Samstag wiedersehen werden. Die Dame ist begeistert und verspricht, dass sie mich selbstverständlich am Flughafen abholen wird – das ist phantastisch.
Die Schwarzbeere schellt
09.00 Uhr Nachdem ich Hund Dixon gestreichelt habe, eile ich an die frische Luft und treffe meine Verwandten sowie Edelbert beim Frühstück an. Der Professor giesst brühfrischen Bohnentrunk in die Tassen und meint, dass ich mich gerne dazusetzen kann. Ich komme der Bitte nach und berichte, dass ich soeben mit Frau Pontecorvo telefoniert habe. Mein Bruder wird sogleich hellhörig und erkundigt sich, wann ich der Dame einen Heiratsantrag machen werde. Ich zeige Georg augenblicklich den Vogel und entgegne, dass ich ein glücklicher alleinstehender Herr bin und ganz bestimmt nicht in den Hafen der Ehe einlaufen werde – wo kämen wir denn da hin.
09.45 Uhr Just als ich Davids Glas mit O-Saft auffülle, bimmelt das Schnurlostelefon erneut. Diesmal meldet sich Mieterin Sandra und kündigt an, dass sie am kommenden Wochenende auf einem alternativen Musikfest abrocken wird. Das Kind freut sich und sagt, dass sie am Sonntag eventuell ein Konzert der aus München stammenden Combo “Spider Murphy Gang” in Erding besuchen wird. Ich beisse kraftvoll in einen saftige Pfirsich und lasse das Kind wissen, dass die Felsenbande in den frühen 1980er Jahren etliche Schläge (unlöblich: Hits) wie “Skandal im Sperrbezirk” oder “Wo bist du?” feiern konnten – das waren noch bessere Zeiten.
10.15 Uhr Nachdem wir das Frühstück beendet haben, klappe ich Edelberts neumodernes Netbook (löblich: Netzbuch) auf und recherchiere im Internetz. Auf Wikipedia werde ich auf eine lesenswerte Abhandlung über die “Spider Murphy Gang” aufmerksam und lerne, dass die Musiker seit 13 Jahren kein Studioalbum mehr herausgebracht haben. Trotzdem scheinen die Burschen rund um Gitarrist Barny Murphy noch immer sehr beliebt zu sein.
Spider Murphy Gang – Grössten Schläge
11.00 Uhr Just als ich auf die Spider Murphy Gang Heimseite segle, kommt Edelbert daher und animiert mich, ein “Best of” (löblich: Das beste von) Album der Bande herunterzuladen. Spornstreichs öffne ich ein neues Fenster und mache es mir zur Aufgabe, für wenig Geld eine imposante Hitsammlung auf die Festplatte zu laden. Unterdessen lüftet Edelbert sein Käppi und informiert, dass er nun mit Georg auf den See hinausfahren wird. Ich blicke kurz auf und frage nach, wo David und Maria abgeblieben sind. Der schlaue Mann deutet zum Lake Simcoe und beteuert, dass die beiden im See planschen – das soll mir auch Recht sein.
11.30 Uhr Nachdem ich die Lieder auf eine Kompaktscheibe gebrannt habe, verfrachte ich den Silberling in die Musikanlage und beschalle das Ferienhaus mit handgemachter Musik. Danach schenke ich mir ein kühles Labatt Bier ein und setze mich auf die Veranda, um in Erinnerungen zu schwelgen. Als “Skandal im Sperrbezirk” aus den Lautsprechern dröhnt, seufze ich laut und kläre den Vierbeiner darüber auf, dass dieses Lied Anno 1981 sämtliche Rekorde brach und in Deutschland, Österreich und der Schweiz auf Platz 1 der Hitparaden stand.
12.15 Uhr Als die Sonne ihren Höchststand erreicht hat, gesellt sich David an meine Seite und fordert mich auf, ins Wasser zu kommen. Weil eine Abkühlung nicht schaden kann, laufe ich schnurstracks ins Gästezimmer und ziehe eine modische ADIDAS Badehose an. Im Anschluss stürze ich mich in die kühlen Fluten und übe mich im Rückenschwimmen – da kommt besonders grosse Freude auf.
13.00 Uhr Redlichst erfrischt kehre ich auf die Veranda zurück und greife zum Handtuch. Währenddessen lässt Maria in der Küche die Hüften schwingen und sagt, dass sie nun eine kleine Brotzeit vorbereiten wird – wie schön.
13.30 Uhr Wenig später bekomme ich ein reich belegtes Sandwich (löblich: belegtes Brot) vorgesetzt. Ich führe mir die Brotzeit zu Gemüte und habe das Vergnügen, die lustige Komposition “Mit’n Frosch im Hois und Schwammerl in de Knia” zu hören. Meine Schwägerin pocht im Takt der Musik auf die Tischplatte und schlägt vor, dass wir am Mittwoch nach Barrie fahren und in der “Georgian Mall” abschoppen könnten – das ist gar keine schlechte Idee.
14.00 Uhr Völlig erschöpft wische ich mir den Mund an einer Serviette ab und ziehe es vor, mich im Wohnzimmer zur Ruhe zu betten. Schon bald döse ich ein und träume von unbeschwerten Stunden auf dem Appalachian Trail.
15.00 Uhr Leider wird die himmlische Ruhe bald durch Edelberts und Georgs Geplapper gestört. Die beiden Männer präsentieren zwei Goldbarsche und stellen klar, dass diese Fischart in Kanada “Perch” genannt wird. Ich mache grosse Augen und mutmasse, dass der Fang mindestens 8 Pfund auf die Waage bringt.
15.30 Uhr Mein Bruder zückt sein scharfes Taschenmesser und sagt, dass er die Fische ausnehmen wird. Ich folge dem guten Mann zum Steg und werde Zeuge, wie Georg zuerst die Köpfe entfernt. Danach wischt er die Klinge an einem nassen Tuch ab und zögert nicht, die Innereien herauszuschneiden und die Haut vom Fisch abzuziehen.
Das gibt ein Festessen
16.00 Uhr Nachdem wir die Flossenträger fachmännisch filetiert und die Reste in den See geworfen haben, kehren wir ins Ferienhaus zurück. Ruckzuck verfrachten wir den Fang in den Kühlschrank und treffen Vorbereitungen für den Grillabend. Während Edelbert meiner Schwägerin beim Kartoffelkochen hilft, nehme ich David an meine Seite und zeige ihm, wie man eine schmackhafte Salatsauce zubereitet. Ich gebe etwas Dijon Senf in ein Glas und rühre die scharfe Gewürzpaste mit Olivenöl und einem Schuss echtem Balsamico auf.
17.00 Uhr Nach getaner Arbeit schütten wir Holzkohle in den Grill und entfachen ein Feuer. Nebenbei frönen wir der stimmungsvollen Spider Murphy Gang Scheibe und kommen überein, dass diese Musik prima ist. Georg ist ebenfalls angetan und wirft die Fischfilets gekonnt auf den zischenden Rost – wie gut das duftet.
18.00 Uhr Endlich können wir uns an den Esstisch setzen und das Abendessen in vollen Zügen geniessen. Bei dieser Gelegenheit kommt Maria auf den Mittwoch zu sprechen und meint, dass wir nach dem Frühstück nach Barrie krusen könnten. Edelbert reibt sich die Hände und sagt, dass er den Ausflug zum Anlass nehmen wird, um sich eine Tüte Pfeifentabak zu kaufen – wie unlöblich.
19.00 Uhr Nach der Mahlzeit schalten wir die Glotze ein und lassen den Abend bei einem Spielfilm ausklingen. Während das Labatt Bier in Strömen fliesst, schauen wir uns auf dem Bezahlsender “Passion” die spannende Tatsachenverfilmung “Dillinger” aus dem Jahre 1973 an. Wir amüsieren uns köstlich und erinnern uns, dass sich morgen der Tod des berüchtigten Bankräubers zum einundachtzigsten Mal jährt.
21.00 Uhr Als der Hollywoodstreifen zu Ende geht, strecke ich mich ausgiebig und rufe Dixon ins Haus. Völlig erschöpft schleppe ich mich ins Bad und dusche mich zum Abschluss des langen Tages kalt ab. Anschliessend lösche ich das Licht und lege mich schlafen. Gute Nacht.